Verhandlung
Getöteter Jogger in Hochdorf: Mord-Prozess mit besonderen Hindernissen

Ein Angeklagter, der schweigt, und Zeugen, die nicht erscheinen: Wie es vor Gericht jetzt weitergeht.

Der mutmaßliche Mord an einem Jogger in Hochdorf wird derzeit vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt. Das Urteil ist für den 4. Juli geplant. Archiv-Foto: Johannes Aigner

Im Hochdorfer Mordprozess haben Zeugen ein düsteres Bild über das Verhalten des Angeklagten geschildert: zuerst freundlich – dann aggressiv, streitsüchtig und schließlich gewalttätig. Am 15. November vergangenen Jahres soll der 25-Jährige dann einen 56-jährigen Jogger grundlos auf der Kirchheimer Straße getötet haben.

Es ist ein Mord-Prozess mit besonderen Hindernissen, der ges­tern in die vierte Fortsetzung gegangen ist – allerdings nur mit einer 20 Minuten dauernden Sitzung. Einige Zeugen sind nicht erschienen. Der Angeklagte lässt ausrichten, dass er vorerst gar keine Angaben, weder zur Person noch zum Vorwurf, macht. Er habe dazu jetzt keine Lust. So müssen die Richter in der am dritten Verhandlungstag vor zwei Wochen begonnenen Beweisaufnahme sich nunmehr auch am jetzigen vierten Prozesstag ein Bild zu den Tathintergründen über die Akten verschaffen.

Frust mit Messer ausgelebt

Und in diesen Akten steht so einiges: Der Angeklagte stammt aus Afghanistan. Bis er im Jahr 2022 als Asylanwärter nach Deutschland kam, habe er in der afghanischen Hauptstadt Kabul gelebt, weiß das Gericht aus den Asyl-Akten, die an dem jetzigen Kurz-Verhandlungstermin verlesen wurden. Er befand sich bis Mitte vergangenen Jahres in der Hochdorfer Flüchtlingsunterkunft, wurde dann aber in die Unterkunft nach Wernau verlegt. Ein Vorgang, der bei Asylsuchenden üblich ist, wie der Unterkunfts-Hausmeister im Zeugenstand erläutert. Doch gerade diese Umquartierung soll der Grund für den Mord an dem 56-Jährigen gewesen sein. Der Angeklagte habe sich mit dem Umzug nicht abgefunden – und seinen Frust an dem Opfer mit Messergewalt ausgelebt, so die Anklage. Der 56-jährige Jogger, der aus Frankreich stammte, hatte keine Chance: Zwei Stiche trafen den Mann mitten in das Herz.

Weitere Zeugen haben die Stuttgarter Richter an diesem vierten Prozesstag nicht mehr vernommen. Dafür stehen nunmehr die umfangreichen Gutachten der beiden vom Gericht beauftragten Sachverständigen an. Einer der Sachverständigen soll am nächs­ten Verhandlungstag – dem 1. Juli, der gleichzeitig auch der vorletzte Prozesstag ist – über den psychischen Zustand des Angeklagten Auskunft geben. Der Afghane könnte ein Fall für die Psychiatrie sein, denn sein Verhalten in der Zeit in Deutschland habe dazu mutmaßlichen Anlass gegeben. Hier könnte auch das Motiv für die Tat zu suchen sein.

Gutachten zur Todesursache

Eine Sachverständige der Tübinger Uni-Gerichtsmedizin wird an diesem 1. Juli über die Todesursache des 56-jährigen Opfers durch die Messerattacke Auskunft geben. Beide Gutachten werden einen ganzen Verhandlungstag in Anspruch nehmen.

Hingegen wurden gestern die beiden Vorstrafen des Angeklagten vom Gericht bekannt gegeben. Seit er in Deutschland lebt, habe er im Mai letzten Jahres zwei Betrügereien begangen, indem er sich von Taxifahrern von Esslingen aus zum Flughafen nach Echterdingen chauffieren ließ, dann ohne Bezahlung verschwand. Auch den zweiten Taxifahrer, der ihn vom Airport nach Hochdorf zurückfuhr, hatte er ohne Bezahlung in Anspruch genommen. Für beide Taten wurde er vom Esslinger Amtsgericht zu insgesamt 400 Euro Geldstrafe verurteilt.

Am 1. Juli sollen nach dem Gerichtsplan nicht nur die beiden Gutachten, sondern auch die Schlussplädoyers ­vorgetragen werden. Das Urteil ist für den 4. Juli geplant. Kommt das ­Gericht zu dem Schluss, dass der Angeklagte den Mord im Zustand eines psychischen Wahns beging, folgt Freispruch – und Einweisung in die geschlossene Psychiatrie. Denn in diesem Fall ist ein Beschuldigter „schuldunfähig“, aber eine Gefahr für die Allgemeinheit, die es zu schützen gilt.