Weilheim · Lenningen · Umland
Gewerbegebiet – ja oder nein?

Diskussion Beim letzten Treffen vor dem Bürgerentscheid am 21. Mai lieferten sich die Gegner und Befürworter des Interkommunalen Gewerbegebiets an der A 8 noch einmal einen Schlagabtausch. Von Helga Single

Auf keinen Fall „ein Gewerbegebiet von der Stange“ wollen Aichelbergs Bürgermeisterin Heike Schwarz und Vertreter aus Wirtschaft und Politik, die sich noch einmal in der letzten Infoveranstaltung vor der Abstimmung am 21. Mai dafür stark machten. Sie reagierten auf offene Fragen und Argumente der Interessengemeinschaft „Kein Gewerbepark Aichelberg“, die sich konsequent gegen die Umsetzung des Gewerbeparks ausgesprochen hatten. Auf einem Areal von 13,4 Hektar sollen Arbeitsplätze in den Zukunfts- und Transformationsbranchen entstehen und sowohl Logistiker als auch andere Gewerbe ihre Heimat finden. Ein „Leuchtturm“, nach Nachhaltigkeitskriterien entwickelt, der seine Strahlkraft weit über die Region hinaus habe, soll es werden.

Der Standort Aichelberg sei nicht nur lokal sondern auch regional für den Landkreis und die Region Stuttgart bedeutsam, nicht zuletzt durch die rasche Anbindung an die Autobahn. Einige Unternehmen hätten bereits Interesse signalisiert. Er ist interkommunal und hat die Zustimmung von fünf der sechs Kommunen des Zweckverband Albvorland. Der Gemeinderat Aichelberg hat 2020 einstimmig bei einer Enthaltung dafür gestimmt und steht hinter dem Vorhaben. Bürgermeisterin Schwarz betonte, dass von Anfang an, seitdem 2016 der Prozess in Gang gekommen war, eine demokratische Mitbestimmung der Bevölkerung vorgesehen war und es Transparenz und Dialog gegeben hätte. Dennoch sei die Gemeinde bei der Umsetzung auf die Mitwirkungsbereitschaft von 22 Eigentümern angewiesen, von denen acht ihr Gelände nicht verkaufen wollen. In einem Tauschverfahren bietet die Kommune ihnen andere Flächen, „besssere, die nicht an der Autobahn liegen und dadurch nicht schadstoffbelastet sind“, versprach die Bürgermeisterin. Oder sie überlegten es sich noch anders. Erst nach einem „Ja“ im Bürgerentscheid werde ein Planverfahren eröffnet und danach könne man Preise nennen. Einige Eigentümer sehen die Abstimmung über ihr Gelände als Enteignung und Blankoscheck, denn die einzelnen Gewerbe und Firmen seien Stand heute nicht festgelegt.

Hohe Anforderungen

Die Vergabe an die Wirtschaft erfolgte nach hohen Qualitätsansprüchen, den sogenannten Leitplanken, in denen die Balance zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Interessen vorgegeben ist, erklärte die Verwaltung. „Deshalb kein Blankoscheck, weil nur Firmen zum Zug kämen, die die hohen Anforderungen erfüllten, andere hätten sowieso keine Chancen.“ Aber über die Einhaltung bestimmt der Landkreis, der Zweckverband und die Gemeinde. „Also all diejenigen, die für ein Gewerbegebiet sind“, argumentierten die Eigentümer. Dennoch sei es für Verwaltungen gängige Praxis, dass Planungen von Gewerbegebieten so ablaufen würden.

Wie sehen die Gebäude aus, die dort entstehen? Dr. Micha Alexander Lege, Geschäftsführer der Logistik-Firma Wiedmann und Winz aus Geislingen, stellte eine nachhaltige Logistikimmobilie vor, die nicht nur optisch in ein naturnahes Bild passt, sondern sich durch verschiedene intelligente Energiekonzepte, energetisch optimierte Bauteile, Solarkollektoren, Fassaden- und Dachbegrünung, Regenwasserauffangbecken sowie Erholungsoasen für die Arbeitnehmer radikal vom schnöden Erscheinungsbild anderer „Logistikboxen“ unterschieden. Immerhin möchte das Logistikunternehmen, käme das Gewerbegebiet zustande, 25 Millionen Euro investieren und die Gewerbeeinnahmen für Aichelberg würden sprudeln. Kein schlechtes Geschäft für die klamme Gemeinde, die im Ergebnishaushalt keinen Ausgleich erreicht hat.

Neidisch auf die Nachbarn

Dringende Ausgaben zum Katastrophenschutz, Sanierung von Straßen, Projekte für Jung und Alt, Grünflächenoptimierung oder Ortskernsanierung liegen auf Eis. Der Preis- und Tarifanstieg, die Personalkosten in der Kinderbetreuung tun ihr übriges. Neidvoll schaut man in die Nachbargemeinden Schlierbach oder Neidlingen, die Rücklagen bilden und Investitionen betreiben. Zwar verliere man landwirtschaftliche Flächen, sei aber mit dem Gewerbegebiet alle finanziellen Probleme los. Aus dem Publikum kamen Befürchtungen, dass mit 13,4 Hektar erst ein Anfang gemacht werde, was, wenn Unternehmen expandieren wollten? Eine PV- Anlage neben der Autobahn sei schon geplant.

Das „Länd“ könne sich die Ablehnung des Gewerbegebiets nicht erlauben, denn Wohlstand brauche Dynamik. „Aichelberg ohne Gewerbegebiet entspricht einem Freilichtmuseum“, fand Nicole Razavi, Abgeordnete des Kreises, Ministerin für Landesentwicklung und Wohnungsbau in ihrem Schlußwort. Das Argument keine Arbeitsplätze zu schaffen, weil es keine Arbeitskräfte gibt, sei wie „ein Selbstmord aus Angst vor dem Tod“.