Weilheim und Umgebung
Gewerbegebiet Rosenloh: Naturschützer kritisieren Flächenfraß 

Umwelt Einige Bürger sehen das Gewerbegebiet und die Ansiedlung der Brennstoffzellen-Fabrik der Firma Cellcentric in ­Weilheim kritisch. Sie fühlen vor, ob Interesse an einem Bürgerentscheid besteht. Von Bianca Lütz-Holoch

Wie stehen die Weilheimer zu einem 30 Hektar großen Gewerbegebiet im Norden der Stadt und der Ansiedlung einer Brennstoffzellen-Fabrik der Firma Cellcentric auf etwa der Hälfte der Fläche? Die Stadt versucht das derzeit in einem gelenkten Bürgerbeteiligungsprozess herauszufinden. Einige Bürger aus Weilheim und Umgebung – vornehmlich aus den Reihen von BUND und Nabu – fühlen sich in dem Format aber bislang mit ihren Bedenken zum Industriegebiet nicht genügend gehört.

Gegen die Ansiedlung von Cellcentric

„Bei der Bürgerversammlung hatte ich zwei Minuten Redezeit, die restliche Zeit war den Befürwortern vorbehalten“, sagte Dirk Unkelbach, Vorstandsmitglied der Nabu-Gruppe Teck. Nun haben er und einige andere Umweltschützer zu einer Online-Veranstaltung geladen. Darin legten sie ihre Haltung zu dem geplanten Industriegebiet Rosenloh dar. Kurz zusammengefasst: Sie sind grundsätzlich gegen die Umwandlung weiterer Weilheimer Acker- und Grünflächen in Gewerbe- und Wohngebiete oder Straßen – und damit auch gegen die Ansiedlung von Cellcentric im Rosenloh. Stattdessen, so ihre Position, solle das Joint Venture von Daimler Truck und Volvo seine – aus Sicht der Umweltschützer durchaus begrüßenswerte – Brennstoffzellen lieber in einem Neubau auf einer alten Industriebrache in der Region bauen. „Uns hat jemand von Daimler gesagt, dass es in Untertürkheim, Cannstatt, Mettingen, Sirnau und im Neckartal Flächen gibt“, sagte Prof. Dr. Martin Dieterich, Vorsitzender des BUND Kirchheim und einer der Redner.

 

„Wir tun so, als wären Flächen unendlich verfügbar.
Prof. Dr. Martin Dieterich

Ein weiteres Anliegen der Organisatoren: abzuklopfen, ob sich genügend Mitstreiter für einen Bürgerentscheid in Sachen Rosenloh finden könnten. Oder, wie Dirk Unkelbachs Lebensgefährtin Petra Kautter in die virtuelle Runde fragte: „Wie möchten Sie weitermachen? Die Entscheidung in die eigene Hand nehmen oder den politischen Gremien überlassen?“

 „Die Böden im Rosenloh gehören zu den top elf Prozent in der Welt“, legte Agrarökologe Martin Dieterich dar – wie viele Ackerflächen in Mitteleuropa. „Wir haben die Verantwortung, die Böden zu erhalten, sonst externalisieren wir die Probleme.“ Schon jetzt würden landwirtschaftliche Produkte aus Brasilien oder Polen importiert. Und für immer mehr Bio-Landwirtschaft, Bioenergie und erneuerbare Energien, wie sie gefordert würden, brauche es mehr Platz. „Wir tun so, als wären Flächen unendlich verfügbar, aber sie sind jetzt schon extrem knapp“, so Dieterich.

Salamitaktik befürchtet

Volker Osdoba vom BUND Kirchheim legte anhand von Schaubildern dar, wie hoch der Flächenverbrauch in Weilheim in den vergangenen Jahrzehnten war. Seine These: „Weilheim hat einen deutlich größeren Flächenfraß als alle anderen Kommunen im Kreis.“ Man habe schon in der Vergangenheit aus Umweltschutzsicht Frevel betrieben und in die Steuobstwiesen eingegriffen. Gleich mehrfach sprach er von einem „Rosenloh 2“, das aus seiner Sicht „hochwahrscheinlich“ sei und – so seine Annahme – sich über weitere 50 Hektar bis zur Autobahn erstrecken würde. Auch Dirk Unkelbach fürchtete eine „Salamitaktik“, bei der auf Rosenloh schon bald „Rosenloh 2“ folgen könnte. Dem widersprach Stadtrat Dr. Ulrich Mors, der sich im Chat nach den Vorträgen einklinkte. „Rosenloh 2“ sei kein Thema. Man möge doch bitte bei der Wahrheit bleiben. 

„Rosenloh 2 ist definitiv keine Option“, betonte auch Stefanie Halmel, Pressesprecherin der Stadt Weilheim, auf Nachfrage des Teckboten. Die Flurstücke im Bereich bis zur Autobahn seien als Tauschflächen für Grundstücke im Rosenloh vorgesehen. 

 

Kommentar: Fragwürdige Argumente

Es sind absolut berechtigte Fragen, die die Naturschützer bei ihrer Online-Veranstaltung zum Gewerbegebiet Rosenloh und zur Ansiedlung von Cellcentric aufgeworfen haben. Etwa, ob man wirklich so viel Ackerfläche verbrauchen muss, ob es Alternativen gibt und ob man nicht lieber alle Bürger über das Vorhaben entscheiden lassen sollte.

Höchst fragwürdig dagegen war die Art und Weise, wie die Redner argumentiert haben. Dass sie ihren Zuhörern weismachen wollten, es komme „höchstwahrscheinlich“ auch noch ein 50 Hektar großes Gewerbegebiet „Rosenloh 2“, hat mit der – aktuellen – Wahrheit, aber vor allem mit der aktuellen Entscheidung schlicht nichts zu tun. Auch die Aussage, Daimler verfüge in der Region über genügend passende Industriebrachen, die sich für die grüne Brennstoffzellen-Fabrik eigneten, konnten die Naturschützer nicht handfest belegen. Sie beriefen sich lediglich auf „jemanden“, der ihnen diese Information zugespielt habe.

So viel Spekulation lässt nicht nur an der Schlagkraft der übrigen Argumente zweifeln. Wer versucht, andere Bürger mit solch haltlosen Aussagen zu beeinflussen, verspielt auch seine Glaubwürdigkeit.