Zwischen Neckar und Alb
Gibt es noch genügend gelbe Säcke?

Entsorgung Bis Ende Januar könnte es dauern, bis die Lieferschwierigkeiten überwunden sind und jeder wieder die Möglichkeit hat, Verpackungsmüll ganz „normal“ an den Straßenrand zu stellen. Von Sylvia Gierlichs

Seit einigen Wochen bereits hängt ein Schild vor dem Wendlinger Rathaus: „Gelbe Säcke sind aktuell vergriffen“. Wie das Landratsamt in einer Pressemitteilung schreibt, kann sich die Verteilung der Plastiksäcke sogar noch bis Ende Januar hinziehen. Ein Problem von dem nicht nur Wendlingen betroffen ist – auch nicht nur der Kreis Esslingen. Und das hat nichts mit Schlamperei oder Versäumnissen bei der Bestellung zu tun.

Im Landkreis Esslingen ist es die Firma Remondis, die ihren Hauptsitz in Lünen, aber eine Niederlassung in Reichenbach hat, die die Abholung der Säcke im Auftrag des Verbunds „Duales System“ übernommen hat. Doch auch hier trägt niemand Schuld daran, wenn sich in den Haushalten zwischen Erkenbrechtsweiler und Esslingen das Verpackungsmaterial staut. Denn die Entsorgungsunternehmen haben ihre Aufträge bereits im Mai und Juni platziert. Rechtzeitig genug, sollte man meinen.

Schuld an der Misere ist die Rohstoffknappheit. Wie Remondis mitteilt, besteht der gelbe Sack aus recyceltem Granulat, das größtenteils in Asien produziert wird. Ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer Stuttgart erklärt: „Im Groß- und Einzelhandel sind Lieferschwierigkeiten schon seit Anfang November spürbar. Die Lieferanten bevorzugen oftmals Kunden, denen sie langjährig verbunden sind, die die Waren in größerer Menge abnehmen und bereit sind, höhere Preise zu zahlen. Betroffen sind beispielsweise Artikel, für deren Herstellung Mikrochips, Papier oder Kunststoffgranulat benötigt werden.“

Ein Bündel an Ursachen

Für die Knappheit gebe es ein Bündel an Ursachen, so etwa den Brexit, Preissteigerungen aufgrund von Anti-Dumping-Zöllen und Transportschwierigkeiten. Die Lieferung von Produkten und Komponenten aus China stocke, weil nach wie vor wichtige Häfen gesperrt seien und Containerschiffe dort nicht be- und entladen werden könnten. „Wie lange dieser Zustand anhält ist nicht absehbar“, sagt der IHK-Sprecher.

Dass die Pandemie Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben würde, konnte man ahnen. Die Produktionsbedingungen in vielen asiatischen Ländern sind schon zu normalen Zeiten nicht mit denen Europas zu vergleichen. Zu eng arbeiten die Menschen zusammen und die Schutzmaßnahmen werden häufig nicht eingehalten. Viele Rohstofflieferanten mussten ihre Produktion nach unten anpassen, weil Mitarbeiter erkrankt sind. –Gerade als die Weltwirtschaft wieder anlief, legte sich das Containerschiff Ever Given im Suezkanal quer. Was sich zunächst amüsant anhörte, hatte gravierende Auswirkungen, denn am Kanal stauten sich 370 Frachtschiffe auf einer Länge von 193 Kilometern. Der löst sich nicht so schnell auf wie ein Stau auf der Autobahn.

Im Mai führte ein Coronaausbruch im südchinesischen Guangdong, einem der größten Containerhäfen der Welt, zu einem noch schlimmeren Stau in der Frachtschifffahrt. Der Hafen war teils geschlossen, um ein Ausbreiten des Virus zu verhindern. Die Lieferketten gerieten da erstmals aus dem Takt. Im August legte, ebenfalls in China, ein einziger Coronafall einen Riesenhafen bei Shanghai lahm. Genau dort werden Rohstoffe und Produkte für die Kunststoffindustrie verladen.

Alte Restmülltonne gelb bemalen

Bei Remondis empfiehlt man unterdessen all jenen Haushalten, die nun kurzfristig einen Engpass haben, auf durchsichtige Plastiksäcke umzustellen, die in Baumärk­ten zu erhalten sind. Durchsichtig müssen sie deshalb sein, weil die Männer, die die Säcke am Straßenrand einsammeln, auf den ers­ten Blick erkennen müssen, ob sich unter das Verpackungsmaterial auch Abfall gemischt hat, der dort nichts zu suchen hat. Eine weitere Lösung wäre eine gelbe Tonne. Wer keine bekommt und eine alte schwarze Restmülltonne rumstehen hat, kann auch einfach den Deckel gelb bemalen.