Holt der Landkreis von seinen Kommunen mehr Geld zurück als er zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht? Weder Landrat Heinz Eininger noch sein neuer Finanzchef Johannes Klöhn hatten am Donnerstag Gelegenheit, sich zu dieser Frage zu äußern. In der Generaldebatte um den Haushalt 2023 schlug im Kreistag an diesem Abend wie immer die Stunde der Fraktionen. Dort machen Stimmen aus SPD und Freien Wählern zum ersten Mal seit zehn Jahren Front gegen die gemeinsam beschlossenen Finanzierungsregeln bei Neuverschuldung und Investitionen. Für die Kritiker zeichnet der Kreis in seinen Haushaltsprognosen seit Jahren ein Bild, das düsterer erscheint als die tatsächliche Lage. Seit 2019 seien satte 112 Millionen Euro mehr eingenommen worden als ursprünglich angenommen, rechnete FW-Fraktionschef Bernhard Richter in seiner Haushaltsrede vor. Allein in diesem Jahr werde mit einem weiteren Überschuss von 20 Millionen Euro gerechnet. „Vermutlich werden es am Ende sogar mehr sein.“ Mehreinnahmen bei der Grunderwerbsteuer, höhere Zuweisungen vom Land, nicht besetzte Personalstellen oder nicht abgerufenes Geld bei Bauvorhaben sind die wesentlichen Gründe dafür. Gründe, die größtenteils vorhersehbar seien, wie Richter meint. Für die stärkste Fraktion im Kreistag, in der zahlreiche Rathauschefs vertreten sind und die seit jeher für eine moderate Belastung der 44 Städte und Gemeinden im Kreisgebiet kämpft, ist deshalb klar: Die gemeinsam beschlossene Finanzierungsstrategie, die beitragen soll, dass angesichts der anstehenden Rekord-Investitionen von 280 Millionen Euro bis 2027 der Schuldenberg nicht in den Himmel wächst, muss neu diskutiert werden – möglichst noch in diesem Jahr. Oder anders ausgedrückt: Die Kreisumlage, die mit 274 Millionen Euro in diesem Jahr einen Rekordstand verzeichnet, sei über all die Jahre zu hoch angesetzt gewesen. Die Neuverschuldung liege mit 15 Prozent bis zum Ende der mittelfristigen Finanzplanung deutlich unter den eigenen Prognosen. Für SPD-Fraktionschef Michael Medla stellt sich der Leitsatz von der „fairen Finanzpartnerschaft“ zwischen Landkreis und Kommunen daher in Wirklichkeit anders dar. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der Kreis Esslingen zurzeit die drittniedrigste Kreisumlage aller elf Landkreise im Regierungsbezirk verzeichnet.
Gegner in der Überzahl
Aufgrund der Kräfteverhältnisse im Kreisparlament gilt jetzt schon als ausgemacht, dass die Verwaltung mit ihrem Vorschlag, die Umlage von 27,8 auf 30,3 Punkte zu erhöhen, in der abschließenden Etatrunde am 15. Dezember scheitern wird. Für die Kommunen hätte die eine Mehrbelastung von 32 Millionen Euro bedeutet. Während SPD und Freie Wähler eine sachte Anhebung auf 28,5 Punkte befürworten, will die CDU den Status quo mit Verweis auf die prekäre finanzielle Lage in vielen Rathäusern sogar beibehalten. Eine Erhöhung sei im Moment nicht vermittelbar, betont CDU-Fraktionschef Sieghart Friz, Bürgermeister der Gemeinde Unterensingen.
Anders sehen das die Kreistags-Grünen, die mit Verweis auf die Schuldenentwicklung eher den Kurs der Verwaltung unterstützen. Deren Vorsitzende Marianne Erdrich-Sommer vermied in ihrer Rede zum Haushalt zwar eine klare Aussage zur Umlagenhöhe. Man wolle erst abwarten bis aktuellere Zahlen vom Land vorlägen. Die gemeinsamen Leitlinien hätten in all den Jahren jedoch für eine „nachhaltige und nachvollziehbare Finanzpolitik“ gesorgt, betonte Erdrich-Sommer. Auch für AfD und Linke führt an einer Erhöhung, wie sie sie die Verwaltung vorschlägt, angesichts gestiegener Ausgaben und gewaltiger Investitionen kein Weg vorbei. FDP-Chef Ulrich Fehrlen behält sich wie die Grünen eine Entscheidung vor. Ziel müsse es jedoch sein, „die 30-Punkte-Marke nach unten zu knacken.“
Kreis soll Radwege selbst finanzieren
Anträge der Fraktionen im Rahmen der Haushaltsdebatte im Kreistag beziehen sich schwerpunktmäßig auf die Themen Klimaschutz, Verkehr und Soziales.
Beim Bau von Radwegen wollen die Freien Wähler die Finanzierung neu regeln. Statt abzuwarten bis sich alle Anrainer-Kommunen an den Kosten beteiligten, soll der Landkreis entlang von Kreisstraßen auf eigene Rechnung den Bau vorantreiben. Ein Vorschlag, den auch die CDU teilt. Allein auf Radschnellwege zu setzen, reiche nicht aus, meinen die Christdemokraten. Das Thema soll im Frühjahr auf die Tagesordnung kommen, wenn das Radverkehrskonzept nach sieben Jahren fortgeschrieben wird.
Eine Magnetschwebebahn von Neuhausen ins Neckartal: Um den Ringschluss auf den Fildern im Nahverkehr schneller und kostengünstiger als mit einer S-Bahnverlängerung zu erreichen, will die CDU diese Möglichkeit mit einer Machbarkeitsstudie prüfen lassen.
Die Klimaschutzagentur soll nach dem Willen der Grünen-Fraktion mehr Maßnahmen aus dem integrierten Klimaschutzkonzept des Landkreises umsetzen. Dafür sollen zusätzliche Projektmittel in Höhe von 150 000 Euro und das nötige Personal zur Verfügung gestellt werden.
Die hausärztliche Versorgung im Kreis gibt allen Fraktionen Grund zur Sorge. Obwohl es sich dabei um kein kreispolitisches Thema handelt, sollen Finanz- und Sozialausschuss im neuen Jahr in einer gemeinsamen Sitzung darüber beraten, was Landkreis und Kliniken zur Lösung beitragen können. Der Vorschlag kommt aus Reihen der Freien Wähler.
Mehr Geld für soziale Einrichtungen: Die SPD fordert unter anderem einen Energiekostenzuschuss in Höhe von 15 000 Euro für die Tafelläden im Kreis. Die Linke beantragt Inflationspauschalen für die Arbeit der drei Frauenhäuser und von „Villa Esslingen“als inklusives Kinder- und Jugendkulturhaus.bk