Kaum eine andere Region in Deutschland ist ähnlich verkehrsgeplagt. Rund um Stuttgart sind die Straßen regelmäßig verstopft. Jeder Lastwagen, der seine Ware zur Weiterfahrt auf ein Schiff lädt, entlastet die Straße. Doch der Neckar droht als Bundeswasserstraße zunehmend abgehängt zu werden. Während auf anderen Bundeswasserstraßen Schiffe mit einer Länge von 135 Metern verkehren, können aufgrund der alten Schleusen auf dem Neckar lediglich Schiffe mit einer Länge bis maximal 105 Meter bis nach Plochingen fahren.
Wer ein neues Schiff kauft, bestellt gleich das große Modell. „Unter 110-Meter-Schiffen wird nichts mehr finanziert“, erklärt Gerhard Straub. Er ist der Geschäftsführer des Plochinger Hafens. Für die großen Schiffe ist in Mannheim aber Schluss – und eigentlich sind selbst die 110 Meter langen Schiffe nicht mehr „State oft the Art“. Vielmehr setzten viele Bundeswasserstraßen inzwischen auf 135 Meter lange Schiffe.
Eine Frage der Rentabilität
Die Attraktivität der größeren Wasserfahrzeuge liegt auf der Hand. Ein etwa 30 Prozent größeres Schiff kann rund 40 Prozent mehr Laderaum anbieten. „Das ist viel rentabler“, sagt Straub. Es ist aber nicht allein die Rentabilität, die aus seiner Sicht für diesen Transportweg spricht. „Die Wasserstraße ist der umweltfreundlichste Verkehrsträger“, meint er. Ferner habe man mit der nahen Autobahn, dem Bahnhof und sogar einem Flughafen alle vier großen Verkehrsträger beieinander. „Das ist ideal“, urteilt Gerhard Straub.
Für Plochingen sowie für den gesamten Raum östlich von Stuttgart hat der erste Hafen des schiffbaren Neckars eine wichtige Funktion. Rund 1,3 Millionen Tonnen Waren werden im Plochinger Hafen durchschnittlich pro Jahr umgeschlagen, wie Gerhard Straub erklärt. 37 Prozent sind Schrott, 17 Prozent Sand, Kies und Erde sowie zwölf Prozent Düngemittel. Potenzial für weitere
Umsätze gäbe es.
Diskutiert wird die Schleusenverlängerung bereits seit vielen Jahren. Die derzeitigen Pläne sehen eine Verlängerung aber erst bis zum Jahr 2050 vor. Und selbst dieser großzügige Zeitplan scheint zu wackeln. „Es ist in den vergangenen 15 Jahren nichts passiert“, sagt Plochingens Bürgermeister Frank Buß. Im Mai hatte er in der Angelegenheit gemeinsam mit dem Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper, dem Esslinger Landrat Heinz Eininger, der Präsidentin der IHK Region Stuttgart, Marjoke Breuning, und dem Vorsitzenden des Verbands Region Stuttgart, Thomas Bopp, ein Schreiben an den Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP)
geschickt.
Gerade in einem verkehrlich so hochbelasteten Raum müsse mehr für den Ausbau der Wasserstraße getan werden, meint Buß. Für den Ausbau der B 10 oder des Schienenverkehrs entlang des Neckartals gebe es keinen Platz. Gleichzeitig gebe es viele Unternehmen mit einem hohen Bedarf an Logistik. „Wir haben schon jetzt Probleme, weil die Lieferketten nicht funktionieren“, sagt der Bürgermeister.
Grundsanierung ist fällig
Vor dem Hintergrund ohnehin fälliger Grundsanierungen solle die durchgängige Verlängerung der Schleusen bis Plochingen auf 140 Meter umgesetzt werden. Das Kostenargument lässt Buß dabei nicht gelten. In Plochingen mussten in den vergangenen Jahren zahlreiche Bauten umfassend saniert werden. Das Gymnasium und die Otto-Konz-Brücke sind nur zwei teure Beispiele. Doch der Verzicht auf eine Sanierung sei genauso ein Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit wie zu hohe Schulden. Ferner wäre eine Verlängerung im Rahmen einer Sanierung vergleichsweise günstig zu haben.
Anlass des Gesprächs war der Besuch des Nürtinger Bundestagsabgeordneten Nils Schmid (SPD) und der verkehrspolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dorothee Martin, am Plochinger Hafen. Dorothee Martin ist über den Sommer im Rahmen einer verkehrspolitischen Deutschlandtour unterwegs durch die Republik, um sich vor Ort über wichtige Verkehrsinfrastruktureinrichtungen und -projekte zu informieren.