Es war der Tagesordnungspunkt, der mit Spannung erwartet worden war: Die Festsetzung der Grundsteuer-Hebesätze in Owen. Bekanntlich hat das Bundesverfassungsgericht die Bewertungsvorschriften für die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt, weshalb Grundstücke neu bewertet worden sind und alle Städte und Gemeinden neue Hebesätze erlassen müssen. Für die Höhe der Grundsteuer B ist künftig nur noch die Grundstücksgröße von Bedeutung.
Wie andere Kommunen hat Owen sich das Ziel gesteckt, die Grundsteuer aufkommensneutral zu gestalten. Die Einnahmen aus der Steuer sollen also künftig genauso hoch sein wie bisher – aber auch nicht niedriger. Um diese Aufkommensneutralität zu erreichen, hatte die Verwaltung folgende Hebesätze errechnet, die Kämmerin Katja Schaible dem Gemeinderat vorstellte: Grundsteuer A: 434 v. H.; Grundsteuer B: 233 v. H.; die Gewerbesteuer soll mit 350 v. H. unverändert bleiben.
An diesen Zahlen gab es heftige Kritik von Gemeinderat Holger Macho. Der wollte wissen, warum der Hebesatz in Owen höher liegt als beispielsweise in Dettingen. Dort hatte sich der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung darauf geeinigt, den neuen Hebesatz für die Grundsteuer B auf 180 v. H. festzulegen. „Wir gehen ans obere Ende, nehmen den Bürgern das Geld ab und leiten es an Esslingen weiter. Für mich ist das dramatisch“, wetterte Macho, der im gleichen Atemzug kritisierte, dass Owen zu viel Kreisumlage an den Landkreis Esslingen zahle.
Verena Grötzinger verteidigte das Vorgehen der Stadt. Man könne Owen in diesem Fall nicht mit anderen Städten und Gemeinden vergleichen, denn Grundsteueraufkommen und Messbetragssumme, aus denen sich der Hebesatz errechnet (siehe Info), seien in jeder Kommune unterschiedlich. „Wir haben einen bestimmten Betrag, und wir haben einen Teiler. An diesen Zahlen können wir nichts ändern“, sagte Grötzinger. Allerdings dürfe der Gemeinderat selbstverständlich niedrigere Hebesätze festlegen. „Wir sagen Ihnen von der Verwaltung nur, wie es auszusehen hätte, wenn wir aufkommensneutral rechnen und agieren sollen“, so die Rathauschefin. Man müsse aber wissen, dass niedrigere Hebesätze zu weniger Geld in der Stadtkasse führe. „Das heißt, dass wir in Owen dann auf manche Angebote verzichten müssten“, so Grötzinger.
Andere Gemeinderäte stellten sich hinter die Verwaltung. „Für mich wird’s nicht gut ausgehen. Aber die Summe muss nachher wieder sein wie vorher, egal, wer zahlt“, sagte Jochen Eberhardt, der allerdings dafür plädierte, die Zahlen „ein bisschen schöner“ zu machen. „Aus kommunaler Sicht können wir nur schauen, dass der Betrag gleich bleibt. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, muss gegen das Gesetz klagen. Die Kommune ist nur der ausführende Teil“, sagte Heiko Hoyler. Andre Bittner erinnerte an den Anfang der Grundsteuerreform. „Da hieß es, dass die Erhebung nach der Reform aufkommensneutral sein soll. An dem Dreisatz (den Katja Schaible vorgestellt hat, siehe Info) haben wir gesehen, dass das zu hundert Prozent passiert ist. Das machen Dettingen, Bissingen und Schlierbach genau gleich“, sagte der Gemeinderat, der dafür plädierte, nicht auf Steuereinnahmen zu verzichten.
Am Ende einigte sich der Gemeinderat auf folgende Hebesätze für das kommende Jahr: Grundsteuer A: 430 v. H.; Grundsteuer B: 225 v. H.; Gewerbesteuer: 350 v. H.. Das bedeutet für die Stadt ein vertretbares Minus von 20.000 Euro. Der Antrag wurde gegen die Stimmen von Holger Macho und Hans-Jörg Schmid beschlossen. Holger Macho bat die Stadtverwaltung, Ideen zu entwickeln, wie man soziale Härten in Owen abfedern könne, die durch höhere Grundsteuerzahlungen entstehen könnten.
Mehr Infos zur Grundsteuerreform in Owen
Der Hebesatz für die Grundsteuer B in Owen errechnet sich folgendermaßen: Das Grundsteueraufkommen 2024 beträgt ohne Nachzahlungen für frühere Jahre für die Grundsteuer B 536.800 Euro. Für das Jahr 2025 rechnet die Verwaltung mit einer Messbetragssumme von 230.168 Euro. 536.800 Euro geteilt durch 230.168 Euro ergibt 233 v.H., und damit den Hebesatz, der nötig ist, um das Grundsteueraufkommen von 2024 wieder zu erreichen.
Wer wissen will, wie viel Grundsteuer B er künftig zahlen muss, multipliziert den vom Finanzamt errechneten Grundsteuerwert mit 2,25.
Kommentar: Keine Ängste schüren
Man muss die Argumentation des neugewählten Gemeinderats Holger Macho in der jüngsten Gemeinderatssitzung nennen, wie sie war: populistisch. Macho, der seit jeher kein Freund der Bürgermeisterin ist, behauptete, man nehme „den Bürgern“ über die Grundsteuer das Geld ab. Als ob es nicht auch Menschen gäbe, die künftig weniger bezahlen. Dabei darf man getrost unterstellen, dass der Gemeinderat sehr genau weiß, dass die Stadt die errechneten Hebesätze anwenden muss, wenn hinterher nicht Geld in der Stadtkasse fehlen soll. Und zwar Geld für genau jene Projekte, deren Fehlen Macho sicherlich als erster kritisieren würde. Auch die Frage, ob es Ideen gibt, die Kreisumlage-Zahlungen zu reduzieren, hat nicht nur Verena Grötzinger fassungslos zurückgelassen. Weniger Kreisumlage kann die Stadt Owen nur dann zahlen, wenn sie mutwillig ihre Einnahmen reduziert, die dann wiederum an anderer Stelle fehlen. Aber welcher Gemeinderat kann so etwas ernsthaft wollen? Wer so argumentiert – Grundsteuer runter! Kreisumlage runter! – , darf sich am Stammtisch feiern lassen, aber er argumentiert unseriös, untergräbt Vertrauen in politische Institutionen und schürt Ängste. Apropos Vertrauen: Die Kämmerin zu fragen, mit „welcher Konfidenz“ sie zu ihren Zahlen kommt, ist eine Grenzüberschreitung. Wäre Katja Schaible ein mittelalter Mann und nicht eine junge Frau, hätte sie sich solch eine Frage bestimmt nicht stellen lassen müssen.