Wernau. Vom Wilden Westen über die Savannen in Südafrika bis hin zu den Gebirgen der Schweizer Alpen: Mit ihren bis ins kleinste Detail modellierten Bäumen, Tieren, Gebäuden, Flüssen und an oberster Stelle Fahrzeugen sehen sie täuschend echt aus - die Miniaturwelten der Modelleisenbahnsammler. Heutzutage ist es eine eher nischenhafte Freizeitbeschäftigung, doch als der 72-jährige Hobby-Sammler Klaus-Peter Huschka noch ein kleiner Junge war, waren Modellbahnanlagen das große Spektakel in den Schaufenstern der Esslinger Spielzeugläden. An ein Spielzeug kann sich der Wernauer noch besonders gut erinnern: den Trolleybus der Firma Eheim. Ganz richtig gelesen, denn seinen Ursprung hat das Deizisauer Unternehmen für Aquaristik-Zubehör in der Spielzeugbranche.
Sammlerjournal gab den Anstoß
Für viele Jahre geriet der Trolleybus aus Huschkas Blickfeld, bis er auf einen Aufruf des Sammler-Journals stieß. „Leser wurden aufgerufen, über ihr Lieblings-Sammelgebiet zu berichten“, erklärt er. Sofort sei ihm der Bus in den Sinn gekommen. Also machte sich der 72-Jährige an die Arbeit und recherchierte die Entstehungsgeschichte des historischen Spielzeugs aus Esslingen. Sie beginnt Mitte der 1940er-Jahre. Der mittlerweile verstorbene Gründer Gunther Eheim war damals Betriebsleiter in der Firma „Präxis Erzeugnisse“. Diese stellte bis 1948 nur Holzspielzeuge her, bis sie später auf die Produktion von elektrischen Eisenbahnen umstieg. „Die waren damals besonders beliebt“, weiß Huschka. Die Entwicklungszeit für die Löhmann-Präxis-Bahn war allerdings kurz, sodass die Bahn oft aus dem Gleis sprang. Als die Firma von Löhmann 1949 Konkurs anmeldete, wurde noch im selben Jahr als Auffanggesellschaft die Firma „Europa - technische Spielwaren GmbH“ gegründet, die Teile der Löhmannschen Produktpalette weiterführte.
Der in Deizisau geborene Gunther Eheim hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit seiner eigenen Firma zur „Reparatur und Herstellung technischer Spielware“ selbstständig gemacht. In Esslingen baute er ab 1949 die alten Löhmann-Modelle auf die gängigere H0-Spur um, sagt Angelina Braun, Sachbearbeiterin für Markenkommunikation der Firma Eheim.
Den großen Durchbruch hatte Eheim einige Zeit später mit dem Trolleybus. Das allererste Modell hatte vorne zwei riesige kugelförmige Glühbirnen als Scheinwerfer, war für die Modellbahn-Spurweite H0 viel zu groß und auch gar nicht Eheims eigene Kreation. „Ein Erich Fischer besuchte Gunther Eheim damals und wollte, dass er dieses Bus-Modell in die Produktion aufnimmt“, erzählt Huschka. Das tat der erfolgreiche Geschäftsmann auch und brachte Fischers Busse zunächst unverändert in den Handel. Auf der Frontseite des Busses prangten die Buchstaben „EWF“. „Gunther Eheim konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, was die Initialen bedeuten“, weiß Huschka aus einem persönlichen Gespräch mit Eheim. Später konnte der Sammler mithilfe von Patentanträgen herausfinden, dass sie vermutlich für „Erich Fischer aus Wagenreith“ stehen. Ein echter Verkaufsschlager waren die Fischer-Busse allerdings erst, als Eheim ihnen eine neuartige Karosserie im H0-Maßstab und eine neue Lenkung verpasste, berichtet Huschka. „Ich habe auch eins dieser neueren Modelle aus den 50er-Jahren“, sagt der 72-Jährige. Um die 30 Mark kosteten sie damals. Heute werden sie für bis zu 300 Euro im Internet verkauft. Die ersten Fischer-Busse werden laut Huschka wegen ihrer Seltenheit auf Online-Marktplätzen sogar mit bis zu 1000 Euro gehandelt.
Großen Erfolg hatte neben dem Trolleybus vor allem Eheims Miniatur-Seilbahn. 1957 bezog Eheim eine größere Produktionsstätte in Deizisau. Der Wendepunkt kam im Jahr 1962. Ein Aquarianer aus Nürnberg zeigte Gunther Eheim eine Eheimsche Kreiselpumpe, die eigentlich für den Betrieb eines Modellspringbrunnens gebaut wurde, verbaut in einem Gurkenglas. In diesem Moment war die Idee des Aquariensaugfilters geboren. 1963 stieg die Firma in das Aquaristikgeschäft ein. Die Pumpe war ein großer Verkaufserfolg. „Von da an hat sich Gunther Eheims Fokus immer mehr auf die Herstellung von Aquaristik-Zubehör verlagert“, erzählt Ralf Oberle, Prokurist der Firma Eheim.
Eheims Geschäft mit den Spielwaren endete 1970. Die Formen und Werkzeuge gingen an Artur Braun, der auch bis ins Jahr 2000 die Produktion des Trolleybusses weiterführte. Der Name Eheim ist aber bis heute bekannt - sowohl unter Fischfreunden als auch bei Sammlern historischer Modellspielzeuge.