Weilheim · Lenningen · Umland
Gutes Essen, gute Besserung

Ernährung In der Medius-Klinik Kirchheim werden täglich 1900 Essen gekocht. Es ist ein ständiger Spagat zwischen Kostendruck und Patientenzufriedenheit. Auch das Landratsamt wird mitversorgt. Von Elke Hauptmann

Zerkochte Nudeln, fades Gemüse, in pampiger Soße schwimmendes Fleisch – die Mahlzeiten in Krankenhäusern haben oft einen schlechten Ruf. René Durand arbeitet täglich gegen dieses Vorurteil an. Als Leiter der Speiseversorgung der Medius-Kliniken Kirchheim und Nürtingen ist er neben Frühstück und Abendbrot für die Zubereitung von täglich rund 1900 Mittagessen verantwortlich – und sich bewusst: „Gesundes Essen ist wichtig, besonders für kranke Menschen.“ Diverse Studien belegen, dass eine bedarfsgerechte Verpflegung die Genesung der Patienten unterstützen kann.

Was am Krankenbett serviert wird, bedarf sorgfältiger Planung und einer guten Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen. Zum 130-köpfigen Küchenteam gehören daher nicht nur Köche, sondern auch Diätassistentinnen und Diätassistenten, Diabetologinnen und Diabetologen sowie Ökotrophologinnen und Ökotrophologen. Denn die Bedürfnisse kranker und frisch operierter Menschen sind individuell. Ob Vollkost oder Diätmahlzeit: Es gilt, Unverträglichkeiten, Allergien und Abneigungen gegenüber bestimmten Lebensmitteln, den speziellen Kalorienbedarf und die jeweiligen Ernährungsvorgaben der behandelnden Ärzte zu berücksichtigen. Das Essen darf weder blähend noch scharf oder salzig sein. „Etwa 60 verschiedene Kostformen können wir anbieten“, sagt René Durand.

 

Wenn Linsen mit Spätzle oder Spaghetti Bolognese auf der Speisekarte stehen, müssen wir fast nichts anderes kochen.
René Durand, Leiter der Speiseversorgung der Medius-Kliniken Kirchheim und Nürtingen

 

Diese Vielfalt unter einen Hut zu bringen ist keine leichte Aufgabe für ihn und Küchenleiter Peter Strauß. Drei verschiedene Gerichte plus Suppe und Dessert stehen werktäglich zur Auswahl – zum Beispiel Schweinebraten mit Kartoffeln, Fischfrikadellen mit Kartoffelsalat und Lasagne „Verdi“ mit Blattsalat. Alle sechs Wochen wiederholt sich der Speiseplan. „Dabei sind die meisten Patienten durchschnittlich nur fünf Tage bei uns“, berichtet René Durand.

Dennoch hat der Chef der Klinikgastronomie einen hohen Anspruch: Frisch, regional und saisonal sollen die Mahlzeiten sein, mit vielen hochwertigen Produkten. „Das ist natürlich eine finanzielle Herausforderung“, räumt er ein. Gerade bei diesen Mengen: Jeden Tag werden 350 Kilo Beilagen wie Nudeln, Kartoffeln und Reis, 400 Kilo Gemüse und 190 Kilo Fleisch und Fisch verarbeitet. Zweimal pro Woche liefert der Großhändler elf Tonnen Ware an. Doch auch, wenn die Küche unter Kostendruck steht, „eine gewisse Qualität muss sein“, sagt René Durand im Brustton der Überzeugung.

Punkt 6.28 Uhr startet das Band

Seine Mission lautet: „Jeder Patient muss sich darauf verlassen können, dass er das richtige Essen bekommt.“ Um diesen logistischen Aufwand zu stemmen, sind die Abläufe in der Kirchheimer Klinikküche generalstabsmäßig organisiert. „Auf die Minute genau um 6.28 Uhr startet die Bandverteilung für das Frühstück.“ Gleichzeitig beginnen nebenan die Vorbereitungen für das Mittagessen – die Köche machen sich ans Sortieren, Waschen, Schnippeln, Braten, Rühren. Um 10.30 Uhr muss alles fertig sein.

Dann nämlich startet das Fließband erneut: Ein Helfer legt Tablett um Tablett auf, der nächste platziert darauf die vorgeheizten Teller, ein anderer das Besteck. Es folgen an weiteren Stationen Beilage, Hauptspeise, Gemüse, Salat. „In 50 Sekunden ist das Band einmal durch“, berichtet René Durand. Alle zehn Sekunden wird ein Tablett in einen der bereitstehenden Warmhaltecontainer geschoben.

Als Erstes füllen sich die Wagen für den Klinikstandort Nürtingen. Allein dorthin werden 600 Essen für Patienten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Schüler der Pflegeschule geliefert. „Zehn vor zehn rollen sie vom Hof“, sagt René Durand, der seit elf Jahren in der Medius-Klinik Kirchheim arbeitet. Darüber hinaus werden täglich rund 550 Mittagessen für Flüchtlingsnotunterkünfte im Kreis Esslingen, weitere 240 Mahlzeiten für Schulen und 120 Portionen für das Landratsamt in Plochingen zubereitet. Im eigenen Haus werden die Mittagessen um Punkt 12 Uhr an die einzelnen Stationen verteilt. Und schon um 14 Uhr startet das Fließband zum dritten Mal – für das Abendessen. Auch die Platten mit Brot, Aufschnitt, Käse, Gurken und Tomaten werden in der Küche im Erdgeschoss zusammengestellt. Zwischendurch sorgen die Spülhelfer dafür, dass alles Notwendige zur rechten Zeit sauber bereitsteht. „Auch das ist ganz wichtig.“

René Durand, der schon in einigen großen Hotels gekocht hat, lebt für das Modell Großküche. Dass sie nicht den besten Ruf hat, ärgert ihn. Ja, es gebe manchmal Beschwerden über zu kleine Portionen, fehlende Würze oder darüber, dass es nicht jeden Tag Fleisch gebe. Im Allgemeinen aber seien die Patienten zufrieden, verweist er auf die jährlichen Befragungen, in der das Klinikessen stets die Note „gut“ erhält. Zudem würden die Verpflegungsassistentinnen jeden Tag Kritik und Wünsche der Patientinnen und Patienten abfragen. Diese Informationen gehen bei ihm im Computer ein, daraus erstellt er dann die Produktionspläne.

„Auch wir stellen fest, dass sich das Bewusstsein für Ernährung ändert“, berichtet René Durand. Die Patientinnen und Patienten würden sich häufiger als noch vor einigen Jahren Gemüse und Obst wünschen, ebenso asiatische, mediterrane und vegane Gerichte. Dennoch gebe es absolute Lieblingsspeisen: „Wenn Linsen mit Spätzle oder Spaghetti Bolognese auf der Speisekarte stehen, dann müssen wir fast nichts anderes mehr kochen.“