Da kann nichts schiefgehen, wenn man sich morgens schon auf den Termin am Abend freut. Die heißen, schwülen Wetteraussichten bestätigen sich – und dann umhüllen einen nach kurzem, schattigem Albsteig-Wanderweg die kühlen Temperaturen der Gutenberger Höhle. Perfekt. Erst recht, wenn der Höhlenentdecker höchstpersönlich durch sein Tropfstein-Imperium führt, das er mit Mitstreitern 1889 entdeckt hat.
Marius Schünke lässt Karl Gußmann – Pfarrer, Höhlenforscher, Pomologe, Schriftsteller und Komponist – in schwarzem Anzug, Hut und Spazierstock wiederauferstehen. Unterhaltsam erzählt er aus „seinem“ Leben, insbesondere von der Entdeckung der Höhle, die sich nach Grabungen hinter dem Heppenloch aufgetan hat. „Sellamols“ – also damals – hat sich ein wahrer Massentourismus entwickelt. Sensationell war der Fund eines Kiefernstücks von einem Berberaffen, der die Menschen irrtümlich davon ausgehen ließ, dass vor Urzeiten Steinzeitmenschen mit Höhlenbär, Höhlenlöwe, Wisent, Wollnashorn und vielen anderen Tieren oberhalb Gutenbergs dauerhaft wohnten. Nur Knochenreste von Tieren wurden gefunden.
Als die Führung im Bauch der Alb zu Ende ist, erwartet die Besucherinnen und Besucher am Höhlenausgang nicht nur ein Schwall warmer Luft, sondern insbesondere Gudrun Walther und Jürgen Treyz, eine der gefragtesten Folkmusiker Deutschlands, sowie Bernd Löffler vom Antiquariat im Lenninger Tal. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Gemeinde Lenningen haben die Vier gemeinsam mit Heike Gössel von der Gemeindeverwaltung Gutenberg zu diesem Natur-Kultur-Erlebnis eingeladen.
Reise zu allen Teilorten
Auf Campingstühlen und den festen Bänken im „Konzertsaal“ Heppenloch haben sich weitere Gäste zum „Konzert und Lesung vor der Gutenberger Höhle“ eingefunden. Gudrun Walther, Jürgen Treyz und Bernd Löffler sind Nachbarn in Oberlenningen und haben „vor sechs oder sieben Jahren schon was Ähnliches“ an gleicher Stelle gemacht. Nun steht das Lenninger Jubiläum im Fordergrund. Die literarische Reise führt von der Teck – aus Sicht Löfflers leider auf Owener Markung – „durch all die Gemeinden, die zu Lenningen gehören“.
Anlässlich des 150. Todestags von Eduard Mörike beginnt er mit dessen Gedicht Fußreise. Lokalkolorit aus längst vergangenen Zeiten kommt auf, als er einige Annoncen aus dem von Karl Gußmann verfassten Büchlein „Das Lenninger Tal und die Gutenberger Höhle – Eine Erinnerung für die Besucher des Thals“ zum Besten gibt. Von Einspännern, die zum „Ausflug ins Gebirg“ in Kirchheim gemietet werden können, und mehrfach vom Vaihinger Bier war da die Rede. „Das muss wohl besonders gewesen sein“, sagt Bernd Löffler.
Mit dem vertonten Gedicht „Auf der Teck“ von Mörike startet die musikalische Reise. „Hier ist Freude, hier ist Lust, Wie ich nie empfunden!“, singen Gudrun Walther und Jürgen Treyz, begleitet von ihrem Geigen- und Gitarrenspiel. Die Konzert-Zwangspause während der Pandemiezeit hat Gudrun Walther für Kompositionen genutzt. „Nach einem steilen Aufstieg zum Brucker Fels ist oben die Sonne aufgegangen. Ich saß auf dem Fels und ließ mich von der Muse küssen“, erzählt sie. Das Ergebnis ist postwendend zu hören.
Dudelsack und Moor
Aus historischen Quellen liest Bernd Löffler Ortsbeschreibungen vor. „Aufs lieblichste versteckt“ ist Schlattstall, Krebsstein ist „vogelnestartig gebaut“ und laut Sage ist einst Oberkirchheim im Torfmoor bei Schopfloch versunken. Wegen des Moors hat sich Bernd Löffler an dieser Stelle ein schottisches Lied gewünscht. Das wurde ihm verweigert, nicht jedoch der Dudelsack. „Der wurde bis Ende des 19. Jahrhunderts in ganz Europa gespielt. Dann kamen die Blechblasinstrumente auf, die nicht so witterungsanfällig und auch deutlich lauter als die Geige sind“, erklärt Jürgen Treyz den Siegeszug dieser Gattung. Der Musiker hat trotzdem seinen Böhmischen Bock mitgebracht, eine Sackpfeife, die in ganz Süddeutschland und Österreich den Ton angab. Das Ziegenfell wird mit Luft gefüllt und aus dem gehörnten Holz-Kopf mit Pfeifen und Hörnen ertönt die Musik. „Mal sehen, ob der Bock Bock hat“, sagt Gudrun Walther augenzwinkernd. Der zickt tatsächlich ein bisschen und gibt den ein oder anderen schiefen Ton von sich – das Höhlenklima behagt ihm nicht so richtig. „Vor 150 Jahren wurde so bei Hochzeiten in Gutenberg gespielt, so hat das geklungen“, lädt der Musiker auf eine weitere Zeitreise ein.