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Hölderlin dient als Musterbeispiel für Schizophrenie

Medizin Was hilft am besten? Mediziner klären über Therapiemöglichkeiten bei erkrankten Menschen auf.

Kirchheim. Etwa 150 medizinische Fachkräfte beschäftigten sich im Rahmen des Psychiatrie-Symposiums der Medius-Klinken mit der Frage, welche Bedeutung bei der medizinischen Therapie schizophren erkrankter Menschen der Beziehung zukommt.

Professor Dr. Christian Jacob, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, eröffnete die Veranstaltung in der Festhalle der Kirchheimer Klinik und freute sich über das große Interesse an dem Thema.

Im ersten Vortrag sprach Professor Dr. Uwe Gonther, ärztlicher Direktor des Ameos-Klinikums Bremen, zum Thema „Hölderlin, ein Nürtinger Bürger - Was kann die heutige Psychiatrie von Hölderlin lernen?“. Anhand dieses Beispiels erklärte er, wie Hölderlin aufgrund guter therapeutischer Zuwendung nach dem Ausbruch seiner psychischen Erkrankung noch 36 Jahre lebte und zahlreiche Gedichte verfassen konnte. Der Arzt, der Hölderlin in Tübingen behandelte, hatte dem Dichter nach der Entlassung aus der Klinik 1807 lediglich zwei Jahre Lebenszeit prognostiziert. Die mögliche Ursache für den Ausbruch der Erkrankung Hölderlins sieht Gonther in der „Verkettung von vielen Erlebnissen des Scheiterns“. Trotzdem hatte Hölderlin auch während seiner Krankheitsphase durchaus gesunde Persönlichkeitsanteile, wie der freundliche Kontakt mit der Pflegefamilie zeige. Er schrieb sprachlich hochkomplexe Briefe und verfasste hochwertige Poesie. Für Gon­ther dient Hölderlin als Musterbeispiel für den Umgang mit schizophrenen Patienten. Auch bei ihnen gelte es, die gesunden Anteile zu sehen und zu fördern.

Dr. Matthias Bender, ärztlicher Direktor des Vitos Klinikums Kurhessen, referierte über „psychoedukative Interventionen in der therapeutischen Begegnung mit schizophrenen Menschen“. Bender hob die Bedeutung der Wissensvermittlung im therapeutischen Umgang mit schizophrenen Menschen hervor. Die Patienten erhalten in Einzelgesprächen und in therapeutischen Gruppen Informationen über die Symptome, den Krankheitsverlauf und die Notwendigkeit, die Medikamente zuverlässig einzunehmen. „Die Patienten werden in der therapeutischen Begegnung ernst genommen und es wird ihnen mit Respekt begegnet“, sagte Bender. Das langfristige Ziel: Durch die Wissensvermittlung soll der Patient selbst zum Experten seiner Erkrankung werden.

Im dritten Vortrag ging Dr. Christian Pape, Psychiater und Psychotherapeut, auf „psychodynamische Aspekte der Behandlung psychotischer Erkrankungen“ ein. Er erläuterte sein Verständnis vom Therapeuten als „helfendem Begleiter“. Oft bestehe bei schizophren Erkrankten ein abgewehrter Beziehungswunsch. In den therapeutischen Sitzungen gehe es darum, dem schizophren Erkrankten als helfender Begleiter zur Seite zu stehen, wobei ein Rest schizophrenen Erlebens für den Arzt verborgen bleiben kann.

Zum Ende der Veranstaltung setzten sich die Referenten auf dem Podium, das von Dr. Thomas von Cube moderiert wurde, noch mit Fragen aus dem Publikum auseinander und diskutierten diverse Themen.Peter Schuster