Köngen. 300 Jahre nach der Erbauung der Köngener Zehntscheuer ist der Daniel-Pfisterer-Saal voll besetzt, denn: An diesem Abend wird der gleichnamige Preis, benannt nach dem früheren Dorfpfarrer Magister Daniel Pfisterer (1651 – 1728), verliehen. Daniel Pfisterer selbst hat der Gemeinde mit seinem Bilder- und Gedichtbuch ein Zeitzeugnis hinterlassen. Zu Lebzeiten zeichnete und malte er, was ihn im Alltag umgab, beschäftigte und bewegte und kommentierte in seinen Reimen zudem die Geschehnisse vor Ort in seiner direkten, aufschlussreichen Art. 1996 wurde das Werk als Nachdruck unter dem Titel „Barockes Welttheater“ veröffentlicht. Der Geschichts- und Kulturverein Köngen würdigt mit dem Preis Persönlichkeiten, die sich im Sinne Daniel Pfisterers mit der Welt kritisch und kreativ auseinandersetzen oder auf ein Lebenswerk im Dienst von Kultur, Natur und Historie zurückblicken können.
Ein würdiger Preisträger, so entschied der Verein, ist Köngens Alt-Bürgermeister und Gründungsmitglied des Geschichts- und Kulturvereins Hans Weil. Von 1982 bis 2014 prägte er die Kommune. Zur besonderen Herzensangelegenheit zählte der Erhalt historisch bedeutsamer Gebäude wie Zehntscheuer und Schloss oder die Gestaltung des Römerparks – trotz des oft starken Gegenwinds. Als Hans Weil in den 80er-Jahren sein Amt antrat, seien nicht wenige der Meinung gewesen, das alte Gemäuer sei wertlos, sei „alter Kruscht“, der weg könne, ja müsse, erinnert die Vorsitzende des Geschichts- und Kulturvereins Sonja Spohn. Doch: „Hans Weil hatte schon damals ein Bewusstsein für historische Gebäude, hat visionär erkannt, welch schöne Schwäne sich hinter den hässlichen Entlein verbergen.“ Sie selbst habe ebenso zu den anfänglichen Kritikern gehört, habe dem Bürgermeister als Gemeinderätin in den 80er-Jahren „Salamitaktik“ vorgeworfen, als es um den Erhalt der Zehntscheuer ging. Heute sieht Sonja Spohn das anders: „Die sanierten Gebäude sind heute historische Zeitzeugen, Kleinode und Schmuckstücke und nicht mehr aus unserer Gemeinde wegzudenken.“ Bis heute ist es dem Un-Ruheständler Hans Weil ein Anliegen, das Wissen um die Ortsgeschichte weiterzugeben – und das bereits an die junge Generation. So bietet er etwa historische Führungen für die Schüler der Mörike-Grundschule an. Wie schon Daniel Pfisterer hält auch Hans Weil zudem seine Beobachtungen gern in eigenen Gedichten fest.
Eine „sehr sehr gute Wahl“ in Sachen Preisträger befand auch Laudatorin Christel Köhle-Hezinger, die den Daniel-Pfisterer-Preis 2008 selbst in Würdigung ihrer Verdienste um die Veröffentlichung der Chronik über Daniel Pfisterer und ihrer Forschungsarbeit als Kulturwissenschaftlerin entgegennehmen durfte. „Wen lieber würde ich loben als Hans Weil?“, so Köhle-Hezinger. Und das, obwohl sie sich geschworen habe, nie eine Laudatio zu halten. Diesen Schwur brach sie erstmals im Jahr 2000 im Falle des ersten Daniel-Pfisterer-Preisträgers, den Historiker Professor Otto Borst. Nun also der Verwaltungsfachmann Hans Weil: „Beide waren und sind keine genormten Kopien, sondern Originale, ortsfest, ortstreu und zielstrebig“, zieht die Professorin Köhle-Hezinger Parallelen. Lange kenne sie Hans Weil, habe im beruflichen Tun viele Berührungspunkte mit ihm gehabt und gemeinsame kulturelle und geschichtliche Projekte umgesetzt. „Man braucht die Zeugen der Kultur und Geschichte, auch wenn sie optisch vielleicht zunächst nicht mehr schmuck sind“, betont die Wissenschaftlerin. Hans Weil hat sich genau das zur Aufgabe gemacht, das Vergangene nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. „Er ist einer, dem sein Amt mehr war, als nur zu verwalten. Ob amtlich oder ehrenamtlich, Hans Weil ist einer, der die Herausforderung sucht, der gestalten will und das in einem Zusammenspiel verschiedenster Beteiligter. Das entspricht dem Daniel-Pfisterer-Preis in seinem schönsten und tiefsten Sinne“, so Köhle-Hezinger.
Hans Weil selbst sieht den Preis als Bestätigung, dass seine Bemühungen um den Erhalt des historischen Teils Köngens nützlich waren und sind, „und das ist ein schönes Gefühl“. Ja, es habe öfter etwas von einem „kommunalpolitischen Krimi“ gehabt, „bei dem der Saal während der Gemeinderatssitzungen in die Luft zu fliegen drohte“, erinnert sich Weil etwa an die hitzigen Diskussionen in Sachen Zehntscheuer-Erhalt. „Meine damals fünfjährige Tochter sagte mir einmal, sie könne das Wort Zehntscheuer nicht mehr hören, und in einem Leserbrief wurde ich als Schulden-Schultes bezeichnet.“ Heute sehe man aber, dass sich das gemeinsame Dranbleiben gelohnt habe. Den Preis sehe er daher als Anerkennung eines besonderen Gemeinschaftswerks, sagt Weil. Katja Eisenhardt