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Hat Corona Sprechprobleme bei Kindern vergrößert?

Entwicklung Logopädische Auffälligkeiten müssen nicht mit Einschränkungen durch die Pandemie zusammenhängen.

Kirchheim. Hat die Corona-Pandemie Sprach- und Sprechprobleme bei Kindern und Jugendlichen vergrößert? Eine Pressemitteilung der Kaufmännischen Krankenkasse KKH legt das nahe. Demnach stieg die Zahl der Sechs- bis 18-Jährigen mit einer entsprechenden Diagnose zwischen 2010 und 2020 um 52 Prozent. Jeder 13. Heranwachsende sei betroffen, unter Grundschülern sogar jedes siebte Kind. Weil sich in vielen Familien durch den Fernunterricht Kinderzimmer und Küchen in Schulräume verwandelt haben, hätte der direkte kommunikative Austausch mit Gleichaltrigen gefehlt.

„Von Erlebnissen berichten, miteinander diskutieren, spielen, Witze machen, auch streiten und damit Sprache und Sprechen trainieren – das fiel während der Lockdowns weg“, wird KKH-Expertin Miriam Rappe zitiert. Hinzu komme, dass während der Pandemie Behandlungen bei Sprachauffälligkeiten nicht begonnen, frühzeitig beendet oder verzögert begonnen haben. Das verstärke unter Umständen den Trend zu mehr Sprachentwicklungsstörungen, der sich seit einigen Jahren abzeichne. Dass sich bei Kindern und Jugendlichen die Sprache nicht richtig entwickelt, kann sich laut KKH-Logopädin Miriam Rappe auf verschiedene Weise zeigen: „Das reicht vom Unvermögen, bestimmte Laute zu artikulieren, über Wortfindungsstörungen bis hin zu Problemen, Sätze zu bilden oder zu verstehen.“ Häufig stellt der Kinderarzt im Rahmen der U-Untersuchungen Defizite fest und verweist Eltern an Logopäden oder Sprachheilpädagogen.

Die Einschulungsuntersuchungen mussten vergangenes Jahr allerdings corona-bedingt ausfallen, berichtet Clarissa Weber von der Pressestelle des Landratsamts – und 2022 ist nur ein „Sichtungsverfahren“ vorgesehen: „Deshalb kann der Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Gesundheitsamtes keine belastbaren Befunde bei der Untersuchung erheben, da diese derzeit nicht wie üblich stattfinden kann.“

Logopädin Evelyn Knape aus Ebersbach kann bestätigen, dass die Zahl der verordneten Therapien bei Heranwachsenden gestiegen ist – „jedoch nicht in dem Ausmaß“, wie von der KKH geschildert. Der Leiter des Staatlichen Schulamts in Göppingen, Jörg Hofrichter, verweist wie Knape auf den Untersuchungszeitraum, der lange vor Corona beginnt und bereits 2020 endet: „Ein kurzfristiger Anstieg kann aktuell in der laufenden Pandemie weder gemessen werden noch liegen dazu Anhaltspunkte vor.“ Darüber hinaus seien zahlreiche Instrumente zur Diagnose der Sprachentwicklung an Kitas und Schulen flächendeckend neu eingeführt worden: „Auch das könnte zu einer verstärkten Wahrnehmung, einer verstärkten statistischen Erfassung und so zu einem zahlenmäßigen Anstieg beigetragen haben.“ Das heißt: Die Sprachprobleme bei Kindern und Jugendlichen können schon vorgelegen haben, als sie noch nicht offiziell registriert wurden. Simon Scherrenbacher