„Wir müssen mehr und schneller abschieben“, verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz im Oktober und das Regierungspräsidium Karlsruhe wurde tätig. Auf Veranlassung der Behörde, die in Baden-Württemberg für Abschiebungen zuständig ist, wurde in der vergangenen Woche der Unterensinger Hausmeister Sieka Sielca unter einem Vorwand aufs Rathaus gelockt und verhaftet.
Der 40-Jährige aus Togo lebt seit 2018 in Deutschland und ist seit 1. Mai bei der Gemeinde angestellt. Er kümmerte sich hauptsächlich um die Schule und um das Udeon. Dank des Verdienstes konnte er sich eine Wohnung nehmen, den Führerschein machen und sich ein Auto kaufen, berichten Kollegen aus der Unterensinger Verwaltung. Sie stehen alle noch unter Schock. Sielca sei ins Rathaus gekommen, wo die Polizei ihn bereits erwartet habe. Ihm seien Handschellen angelegt worden, in Handschellen sei er von Polizisten über den Schulhof geführt worden, um noch aus dem Hausmeisterbüro persönliche Sachen zu holen. Dann habe er noch in seiner Wohnung das Nötigste packen können, bevor er nach Frankfurt zum Flughafen gebracht wurde. Eine Mitarbeiterin der Verwaltung rief sofort in Karlsruhe an und wollte wissen, warum unter den vielen Ausreisepflichtigen ausgerechnet der Unterensinger Hausmeister herausgepickt wurde. Das Karlsruher Regierungspräsidium berief sich auf die Rechtslage.
Auf Nachfrage schreibt die Pressestelle des Regierungspräsidiums Karlsruhe: „Der Betreffende reiste am 26. August 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 5. Dezember 2018 einen Asylantrag. Dieser wurde vom zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 20. Dezember 2018 als unbegründet abgelehnt. Die Klage gegen diesen Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Seit Juni 2021 ist rechtskräftig festgestellt, dass der Betreffende kein Flüchtling im Rechtssinne und vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet ist. Da der Betreffende nicht freiwillig ausgereist ist, waren gesetzlich zwingend aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten und der Betreffende wurde am 6. Dezember in sein Heimatland abgeschoben.“
Auf die Frage, welche legalen Möglichkeiten der Hausmeister hätte, um Wohnung und Arbeitsstelle zu behalten, schreibt das Regierungspräsidium: „Es besteht im vorliegenden Fall ein 30-monatiges Einreise- und Aufenthaltsverbot, das heißt dass der Betreffende für 30 Monate weder in die Bundesrepublik Deutschland einreisen darf noch darf ihm ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Wäre der Betreffende freiwillig ausgereist, wäre ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht entstanden.“
Der Mann mit fester Stelle war leicht zu finden
„Rechtlich mag es korrekt sein, menschlich und persönlich ist es ganz, ganz bitter“, so eine Unterensinger Verwaltungsmitarbeiterin. Niemand habe damit gerechnet, dass der gut integrierte, fleißige und beliebte Hausmeister abgeschoben wird: „Es gibt so viele Straffällige, warum nicht die?“
Die Rathausmitarbeiterin vermutet, bei der Abschiebung könnte eine Rolle gespielt haben, dass Sielca mit fester Wohnung und fester Stelle, dazu noch bei einer Gemeinde, einfach zu finden war. Diesen Verdacht hat auch Birgit Seefeldt. Die Gemeinderätin organisiert seit vielen Jahren den Unterensinger AK Asyl und hat Sielca lange begleitet. Sie hat ihm auch die Stelle bei der Gemeinde vermittelt. Dem Togoer wurde ihrer Meinung nach zum Verhängnis, dass er alles richtig gemacht hat. Er habe sich um einen Pass bemüht, um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Abgeschoben kann nur jemand, dessen Pass vorliegt und der damit in ein anderes Land ausreisen kann.
Wer kümmert sich jetzt um Schule und Udeon?
Laut seinen Kollegen hat Sieka Sielca in Togo zwei Kinder, die bei seinem Vater leben. Von seinem Verdienst konnte er die Familie unterstützen, den Kindern das Schulgeld bezahlen. Nun ist völlig ungewiss, wie es weitergeht. Was wird aus dem Gehaltskonto, was ist mit der Wohnung und dem Auto? Kann Sielca wenigstens etwas vom Erarbeiteten nach Togo holen? Laut Birgit Seefeldt ist er inzwischen in Lomé, der Hauptstadt von Togo angekommen und würde gerne wieder zurück nach Deutschland.
In Unterensingen fehlt Sielca seinen Kollegen nicht nur menschlich. Im Udeon stehen über Weihnachten und Neujahr zahlreiche Veranstaltungen an, für deren Betreuung Sielca fest eingeplant war. Seine beiden Hausmeisterkollegen wollten über die Feiertage Urlaub nehmen oder Überstunden abbauen. Jetzt braucht die Gemeinde einen Plan B. Auf die Schnelle einen Ersatz zu finden und einzulernen scheint utopisch. Es steht im Raum, dass Veranstaltungen abgesagt werden müssen.
Noch haben die Unterensinger einen Funken Hoffnung, dass der Hausmeister bleiben darf. Die Gemeindeverwaltung als Arbeitgeber möchte sich bei den Wahlkreisabgeordneten und beim Regierungspräsidium Karlsruhe für den Angestellten einsetzen. Bereits gemeldet haben sich die Grünen-Abgeordneten Gastel und Schwarz: Der Nürtinger Bundestagsabgeordneter Matthias Gastel und Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz aus Kirchheim zeigen sich fassungslos über die Abschiebung von Sieka Sielca. „Wenn Menschen, die gut integriert sind und hier einer Arbeit nachgehen, abgeschoben werden, dann wirft das viele Fragen auf. Wir haben uns sofort nach Bekanntwerden unter anderem an die zuständigen Ministerien gewandt und um Informationen gebeten“, so Gastel und Schwarz.
Birgit Seefeldt weist darauf hin, dass diese Abschiebung auch für alle anderen Geflüchteten ein fatales Signal ist. „Er war ein Vorbild für die anderen, weil er es geschafft hat.“ Wer würde sich noch um einen Pass und eine Arbeit bemühen, wenn damit die Bleibeperspektive schwindet? Auch Arbeitgeber würden sich jetzt überlegen, ob sie Leute einstellen, die vom einen auf den anderen Tag einfach weg sind.