Sie verwandeln sich in einen Rocker, wenn sie in einer Kneipe ermitteln, wo nur „harte Jungs“ verkehren. Sie werden auch mal zum Eisverkäufer, um Gespräche zu belauschen. Oder sie streifen sich einen schicken Zwirn über, um als angeblicher Mitarbeiter einer Hotelrezeption Informationen über einen mutmaßlichen Täter zu bekommen.
Wer beim Mobilen Einsatzkommando (MEK) arbeitet, schlüpft ständig in neue Rollen und hat immer einen Koffer mit Wechselkleidung im Kofferraum. „Mit einem gewissen schauspielerischen Talent tut man sich in diesem Job leichter“, sagt Anton Saile, Präsident des Polizeipräsidiums Einsatz in Göppingen, dem die vier MEKs im Land mit Sitz in Freiburg, Karlsruhe, Stuttgart und Göppingen zugeordnet sind. „Dennoch dürfen sie ihren Auftrag nicht vergessen“, ergänzt Michael Haller, Leiter der Direktion Spezialeinheiten. Wer bei einem MEK arbeitet, muss äußerst flexibel, stressresistent und sich seiner großen Verantwortung bewusst sein. Selbst wenn ein Tatverdächtiger sie anspricht, heißt es: keine Nerven zeigen und sich nichts anmerken lassen.
Weil dieser Bereich der Polizeiarbeit hochsensibel ist, gab es zum 50. Geburtstag der MEKs keine große öffentliche Feier. 1972 nahm das bundes- und landesweit erste MEK seine Arbeit auf und erledigt seither seinen Job im Verborgenen. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Arbeit der Mobilen Einsatzkommandos gravierend verändert. In den Anfangsjahren hielt die Ermittler die RAF in Atem, die für unzählige Morde an Führungskräften aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung verantwortlich war. Es war die Zeit, als die Polizei noch hoffte, dass auf den in der Dunkelkammer entwickelten Fotos etwas zu sehen ist. „Da war nichts mit Digitalkamera“, blickt der Polizeipräsident lachend zurück. Auch hochmoderne Smartphones, die Recherche im Internet und technisch top ausgestattete Fahrzeuge waren Zukunftsmusik. „Der Grundtypus Mensch ist aber immer gleich geblieben“, sagt Haller. „Die hohe Motivation zieht sich durch.“ Oft müsse er seine Mannschaft regelrecht bremsen. Seine Mitarbeiter verbringen mehr Zeit miteinander als mit dem Partner, da entstehen viele private Bindungen, das Vertrauen untereinander ist groß.
Das Aufgabenfeld bleibt hingegen weitestgehend gleich: Das MEK ist dann gefragt, wenn es um organisierte und politisch motivierte Kriminalität sowie Schwerkriminalität wie Erpressungen, Raub, Geiselnahmen, Entführungen oder die Vorbereitung von islamistischen Anschlägen geht. „Dort, wo es um verdeckte Datenerhebung und um das konspirative Verhalten von Tätern geht, dort unterstützen die MEKs die Kripo frühzeitig“, erklärt der Leiter der Direktion Spezialeinheiten. „Die Kolleginnen und Kollegen vom MEK agieren in der Regel im Verborgenen – bis zum Zugriff“, fügt der Polizeipräsident hinzu. Ein langer Atem und ein Arbeiten Hand und Hand seien für den Ermittlungserfolg unerlässlich: Manchmal dauere es drei Jahre, bis das letzte Puzzleteil hinzugefügt, die Beweislast erdrückend, der Täter überführt ist und es zum Showdown kommt.
Spontan ins Ausland
Wer beim MEK anheuert, müsse wissen, worauf er sich einlässt, machen die beiden erfahrenen Polizisten Haller und Saile deutlich. „Man weiß nie, wann Dienstende ist“, sagt der Chef des Präsidiums. Geht ein Fall in eine heiße Phase, kann es sein, dass es auch mal über fünf Tage geht, Übernachtungsgepäck ist daher immer ein Muss, spontane Auslandsaufenthalte wegen der offenen Grenzen inzwischen keine Seltenheit. „Doch die Kollegen lieben ihr Geschäft und sind absolut motiviert dabei“, lobt der Präsident seine Mitarbeiter für die speziellen Fälle. Wer 365 Tage rund um die Uhr erreichbar ist, sich hundertprozentig mit seinem Job identifiziert, brauche deshalb auch einen Ausgleich, sprich freie Tage, ergänzt Michael Haller.
Trotz dieses herausfordernden Berufs gibt es keinen Personalmangel: „Nachwuchsprobleme haben wir nicht, wir haben richtig gute Leute“, sagt Saile. Er macht kein Hehl daraus, dass bei der Auswahl schon vor der sechs Monate dauernden Ausbildung ordentlich ausgesiebt wird. Nur wer sportlich und mental absolut fit ist, hat beim Mobilen Einsatzkommando eine Chance. Auch der Umgang mit Waffe und Fahrzeug sei äußerst wichtig.
Zudem müsse ein MEKler in Sachen Observations- und Abhörtechnik immer up to date sein, eine eigene Ingenieurabteilung ähnlich wie die Figur „Q“ in James-Bond-Filmen unterstützt sie dabei. „Geht nicht, gibt’s nicht“, sagt Haller. Deshalb greifen die Polizisten auch des Öfteren mal selbst zum Lötkolben und basteln sich ein Hilfsmittel. „Der Täter schläft auch nicht“, verdeutlicht der Polizeipräsident, dass es zwischen Polizist und Täter immer auch ein bisschen wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel ist.