Die dümmste Frage, die man Manuel Halbisch stellen kann, ist mit ziemlicher Sicherheit die, ob er Höhenangst hat? – Der 25-Jährige ist Systemoperator bei der Hubschrauberstaffel der Polizei am Stuttgarter Flughafen. Er steuert den Helikopter zwar nicht, sitzt aber im Zweifelsfall an der offenen Tür und fotografiert oder filmt, was sich unten so alles abspielt. „Ich bin kein Pilot, sondern eigentlich ein normaler Polizist mit Zusatzausbildung“, sagt er und lacht. Unter Akrophobie sollte man in seinem Job aber wohl trotzdem nicht leiden.
Eines seiner Hobbys führt den jungen Mann aus Baltmannsweiler ebenfalls hoch hinaus. Genau genommen sind es sogar zwei seiner Hobbys: Dem Wasserspringen vom Zehn-Meter-Turm geht Manuel Halbisch beim VfL Waiblingen nach. Und als Turner startet er für den VfL Kirchheim.
Ganz nach oben – so auf gut 25 Meter – treibt es ihn für Deutschland. Vor Kurzem war er bei den Schwimm-Weltmeisterschaften im japanischen Fukuoka am Start.
Auf bis zu 27 Meter geht es
Im High Diving, das allgemein als Klippenspringen bezeichnet wird, obwohl bei den Titelkämpfen in Fernost von einer Plattform aus 27 Metern Höhe gesprungen wurde, hatte Halbisch als erster Deutscher überhaupt die Qualifikation geschafft. Am Ende landete er auf Rang 18: wohlbehalten und seinen Erwartungen vollkommen entsprechend. In der Kür zeigte er zunächst einen Handstand vorwärts mit zweieinhalb Salto und halber Schraube und zum Abschluss des Wettkampfs dann noch einen Dreifachsalto mit eineinhalb Schrauben. Seit rund sieben Jahren ist Manuel Halbisch als High Diver unterwegs, wobei „unterwegs“ wortwörtlich zu nehmen ist. Dazu aber später etwas mehr. Im Vergleich zu seiner Schwester Maike ist er damit jedenfalls schon ein „alter Hase“. Die 18-Jährige hat ihren ersten High-Diving-Wettkampf erst im Juni absolviert. Jüngst war sie dann im schweizerischen Ponte Brolla bei den Internationalen Cliff-Diving-Championships am Start und wurde gleich Zweite. Aus dem Nichts kommt aber auch dieser Erfolg keineswegs. Maike Halbisch turnt für das „NeckarGym“, und sie springt ebenfalls für den VfL Waiblingen vom Turm.
Kaum Übungsmöglichkeiten
Vollprofis gibt es in dieser Sportart praktisch nicht. Dafür gibt es gute Gründe: Zum einen ist es bestimmt nicht immer ein Vergnügen, mit 85 Sachen oder mehr die Wasseroberfläche zu durchbrechen, um dann innerhalb von vier bis fünf Metern auf Null abgebremst zu werden. Andererseits ist das Gefühl natürlich „cool“, einen guten Sprung abzuliefern – darin sind sich Manuel und Maike Halbisch einig. „Und bei 20 Metern macht’s auch noch Spaß“, betonen beide unisono. Zum Zweiten sind die Übungsmöglichkeiten gezählt – womit das Thema „unterwegs“ ins Spiel kommt. So gibt es in ganz Deutschland keine einzige Trainingshalle. Die am nächsten gelegene Möglichkeit, unter Realbedingungen zu üben, ist die Area 47 im österreichischen Ötztal. Schwierig ist es bereits, Bäder mit einem Zehn-Meter-Sprungturm zu finden: Pforzheim hat einen, Straßburg und München auch, das Inselbad in Untertürk-heim ebenfalls. „Aber da haben wir leider keine Trainingszeiten“, sagt Manuel Halbisch.
Trainiert werden die Sprünge also bei, beziehungsweise vor den Events und – „in Teilen“. Manuel Halbisch erklärt, wie das funktioniert: „Die erste Phase besteht aus Salti und Schrauben, die zweite dient der Orientierung und der Stabilisation. Das ist bei drei Metern nicht anders als bei 27.“ Mit einem nicht ganz unwesentlichen Unterschied: „Manche Sprünge sind schwer zu üben“, sagt Maike Halbisch, die einen doppelten, gestreckten Rückwärtssalto in ihrem Sprungrepertoire hat. „Das ist vom Zehner schwer zu üben, weil das unten raus zeitlich knapp wird“, fügt die Schülerin der John-F.-Kennedy-Schule in Zell hinzu.
Respekt vor den Sprüngen
Ähnlich geht es ihrem Bruder mit dem dreieinhalbfachen Vorwärtssalto samt halber Schraube, seinem nominell schwierigsten Sprung. Problematisch ist das vor allem, weil die Abläufe automatisiert sein sollten, betont er. „Du hast ja keine Zeit zum Nachdenken.“ In der Regel klappe das auch ganz gut, ergänzt er. Einmal aller dings, bei der Cliff Diving World Series auf den Azoren, hat es bei ihm nicht geklappt. Manuel Halbisch hatte in der Luft die Orientierung verloren, landete auf dem Rücken und danach für neun Tage in der Klinik. „Die kleinen Risse in der Lunge, die ich mir beim Aufprall zugezogen hatte, sind von selbst wieder verheilt“, sagt er.
Bei aller Routine, die der Bruder bereits hat und die seine Schwester noch sammeln will: „Respekt vor den Sprüngen muss immer da sein und die richtige Einstellung sowieso“, sind sich beide einig. Wenn es an einem Tag nicht passe, „kletterst du besser wieder die Leiter runter“, fährt Manuel Halbisch fort. Und an so einem Tag ist die Frage nach der Höhenangst dann doch nicht so dumm.