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Hinter den Kulissen des Paketzentrums

Transport Von Köngen aus wird die gesamte Region Stuttgart von dem Logistikunternehmen DHL beliefert.
Bis zu 500 000 Pakete laufen dort pro Tag über die Bänder. Von Philip Sandrock

Der Internethandel boomt – täglich werden Hunderttausende Pakete verschickt. Für die Logistikunternehmen ist diese Menge an Paketen eine große Herausforderung. Einer der großen Akteure am Markt ist das Unternehmen DHL Deutsche Post – in Köngen betreibt der Konzern eines seiner Paketzentren. Damit wird der gesamte Großraum Stuttgart bedient. Entsprechend groß ist die Menge an Paketen, die hier jeden Tag anfällt. „Wir schaffen 32 000 Pakete pro Stunde“, sagt der Leiter des Paketzentrums, Adnan Gudzevic.

 

Pakete, die zu groß sind, landen automatisch in der Handsortierung.
Adnan Gudzevic
Leiter des DHL-Paketzentrums in Köngen
 

Von außen wirkt das Gebäude wie eine große Lagerhalle. Erst wenn man außen entlang läuft bemerkt man die gigantischen Abmessungen: 280 Meter ist das U-förmige Gebäude lang, 173 Meter breit. Durch die Form kann ein Maximum an Fahrzeugen oder Containern beladen werden. Denn die meisten Pakete werden für den Weitertransport verladen. Die schiffscontainergroßen Behälter können einfach auf dem Gelände transportiert und später von Lastwagen abgeholt werden.

Es ist früher Nachmittag. Vor dem Paketzentrum geht es noch ruhig zu. Die ersten großen Lkw mit Paketen treffen ein. „Jetzt geht es langsam los“, sagt Gudzevic. Er zeigt die Leitstelle, die die komplette Anlage kontrolliert. Zwei Mitarbeiter sitzen vor etlichen Bildschirmen – eine Kollegin koordiniert die Lastwagen, sie teilt den Fahrern an der Pforte mit, an welche Tore sie fahren müssen. Ihr Kollege daneben hat die Sortieranlage im Blick. Kilometerweit ziehen sich die Bänder der Sortieranlage durch das Gebäude. „Die Anlage teilt sich in sechs Vor- und zwei Hauptsortierer“, erläutert der Paketzentrumsleiter.

Nebenan sind schon Dutzende von Mitarbeitern im Einsatz. Ohne Pause laden sie die eingetroffenen Fahrzeuge aus, Paket für Paket legen sie auf die Bänder der Vorsortierer. Dort werden die Pakete von Scannern vollautomatisch erfasst. Pakete, die zu groß sind, landen automatisch in der Handsortierung, erläutert Gudzevic. Das sind vor allem Dinge, die länger sind als 1,20 Meter oder schwerer als 21 Kilogramm. Sie kommen gar nicht erst auf die Kippschalen der Sortierbänder, sondern werden von Hand erfasst, in Rollcontainer gepackt und zu den entsprechenden Verladestellen gefahren, erläutert der 28-Jährige.

Eine andere Sache, die die Betreiber von Paketzentren erfinderisch machen musste, sind alternative Versandverpackungen: Immer häufiger werden statt Kartons auch Plastikbeutel zum Verschicken verwendet. „Solche weichen Verpackungen können auf der Anlage Störungen auslösen“, sagt Gudzevic. Deshalb kommen sie auf spezielle Kunststoffschalen, sogenannte Mausefallen. Damit kommen auch solche Versandartikel sicher bis zu den Ausgangsstationen.

Ab Nachmittag wird‘s stressig

Je später der Nachmittag, desto mehr Pakete sind auf den Sortierbändern unterwegs. Langsam füllt sich das 100 000 Quadratmeter-Gebäude mit Leben. Insgesamt arbeiten rund 400 Mitarbeiter aus 42 Nationen am Standort Köngen. Die Stoßzeit beginnt am späten Nachmittag und zieht sich bis in die Nacht. Die Besonderheit in Köngen: auf dem Gelände gibt es auch einen Zustellstützpunkt für das nähere Umland: Hier holen frühmorgens die Zusteller ihre Pakete ab, um die umliegenden Orte direkt zu beliefern. .

Im Paketzentrum geht es zur nächsten Station, wo sich zahlreiche Pakete stauen. Fast alle sind vom gleichen Absender, einem Online-Shop aus der Region. „Da muss es einen technischen Defekt bei den Etiketten gegeben haben“, mutmaßt einer der Mitarbeiter. Die automatische Anlage bei DHL kann den Strichcode nicht auslesen. Er ist zu schwach aufgedruckt. Hier kommen die Mitarbeiter der „Sonderendstelle“ zum Einsatz. Von Hand erfassen sie die Pakete im Sortiersystem. 900 Pakete pro Stunde schaffen sie so. Das machen sie auch, wenn die Handschrift auf einem Adresszettel vom Computer nicht gelesen werden kann.

Danach gehen die Versandstücke auf die Reise durch die Hallen des Paketzentrums. Die Bänder der Sortieranlage können bis zu 3000 Pakete gleichzeitig transportieren – mit zwei Metern pro Sekunde rotiert die Anlage. Wie von Geisterhand neigen sich die Kippschalen der Förderanlage an exakt der richtigen Stelle und lassen ihre Fracht an die richtige „Endstelle“ fallen – oder besser rutschen. Dort ist dann wieder Handarbeit erforderlich.

Dagmar Kächele steht allein an einer Ladebrücke. Direkt hinter ihr endet ein Förderband, das sie selbst steuern kann. Es bringt ihr die Pakete aus der Sortieranlage. Jedes Einzelne muss sie möglichst dicht in den Transportcontainer packen. 1600 Stück pro Stunde. „Der Computer errechnet anhand der Abmessungen der einzelnen Pakete, wie viele dort hineinpassen“, erläutert Gudzevic. Dann beginnt das Puzzlespiel. Denn je mehr Raum verschenkt wird, desto teurer wird am Ende der Transport der einzelnen Pakete. Wenn eine Brücke voll geladen ist, wird sie verschlossen und für den Weitertransport in ein anderes Paketzentrum vorbereitet.

Versandhandel boomt weiter

Im Sommer hält sich das Paketaufkommen in Grenzen – stressiger wird es in der Weihnachtszeit. „Dann können wir schon mal an unsere Grenzen kommen“, sagt Gudzevic. Sollte eine der DHL-Sortieranlagen tatsächlich die Überlastung drohen, gebe es jedoch die Möglichkeit, die Pakete auf andere Standorte umzuleiten.

Absolutes Rekordjahr in Köngen war die Corona-Zeit, sagt er. Im Jahr 2021 habe Köngen allein von Januar bis April 31,5 Millionen Sendungen bearbeitet. Mit dem Wegfall der Pandemiebeschränkungen habe es die Menschen jedoch wieder in die Geschäfte gelockt: Schon im gleichen Zeitraum 2022 ging das Paketaufkommen in Köngen um 15 Prozent zurück.

Insgesamt sei der Trend zu mehr Versandhandel jedoch ungebrochen, sagt Gudzevic. Aber während der Online-Konzern Amazon auf eigene Zustelllogistik setzt, wachsen auch die Online-Shops regionaler Mode- und Sportartikelhändler. Sie gehören zu den größten Umsatzbringern im Köngener Paketzentrum. Den Mitarbeitern dort wird die Arbeit also auch in den kommenden Jahren nicht ausgehen, im Gegenteil: Das Unternehmen plant sogar eine Erweiterung.