Ein Alfa Romeo war mein Jugendtraum. Dieses Auto mit seinem Design und seinen harmonischen Proportionen hat mir immer schon gefallen, war aber finanziell in der damaligen Zeit für mich jenseits von Gut und Böse“, erzählt der Wendlinger Architekt Wolfgang Keller. Vor 30 Jahren, im Herbst 1993, konnte er sich seinen Traum erfüllen: Er kaufte einen Alfa Romeo GT Junior 1300, den er mit zwei Freunden von Grund auf restaurierte.
„Der Wagen, Baujahr 1973 mit Erstzulassung 1974, hat auf den ersten Blick ganz passabel ausgesehen“, erinnert sich Wolfgang Keller, schon damals wohl wissend, dass das italienische Sportcoupé, das in der Version von 1969 bis 1975 gebaut wurde, ziemlich rostanfällig ist. Nachdem sein Schulkamerad Wolfgang Zaiser, ein gelernter Karosseriebauer, den Alfa komplett auseinandergebaut und in Einzelteile zerlegt hatte, musste Keller dann doch kräftig schlucken: „Auf den zweiten Blick war er tatsächlich ganz schön verrostet. Aber es hätte noch viel schlimmer sein können“, tröstete er sich und packte an.
Stellenweise durchgerostet
Zentimeter für Zentimeter kratzte er in mühevoller Kleinarbeit den Unterbodenschutz ab. Die durchgerosteten Blechteile wurden durch Reparaturbleche ersetzt, neue Original-Radläufe und -Schweller wurden angeschweißt. Befestigungsleisten wurden sandgestrahlt und mit Kunststoff ummantelt. Auch Kellers Kumpel Roland Marquardt, Mechanikermeister, half mit und fertigte Schrauben mit italienischer Gewindesteigung an. „Ohne Wolfgang Zaiser und Roland Marquardt wäre die Restaurierung nicht gelungen“, betont Wolfgang Keller heute. Alle rostanfälligen Stellen strich er vorsorglich mit einer Rostschutzfarbe, die sonst auf Bohrinseln eingesetzt wird. Der Zweitürer wurde komplett abgeschliffen und mit Originallack, nicht etwa im verbreiteten Alfa-Rot, sondern im ursprünglichen weißen Farbton „Bianco-Spino“, fachmännisch lackiert.
Währenddessen war der Motor mit den zwei obenliegenden Nockenwellen und den beiden markanten Doppelvergasern obendrauf bei den Oldtimer-Spezialisten von Italauto in Köngen komplett überholt worden. Sicherheitsgurte waren bereits nachgerüstet, die Original-Autositze stehen heute im Keller und wurden durch neue ersetzt: „Sicherheit geht vor Authentizität: Die alten Sitze sind wie Wohnzimmersessel, sie haben keine Kopfstütze, und die Rückenlehne ist nicht arretierbar“, erklärt Keller. In einer Sperrmüllzeitung entdeckte er ein aufwendig verchromtes Radio aus einem zeitgleich gebauten Mercedes-Benz SL „Pagode“. Für eine passende Antenne mit Chrom- statt Plastikknopf musste er lange recherchieren. „Zu jener Zeit gab es noch kein Internet. Die Suche nach Ersatzteilen war richtig schwierig“, erzählt der heute 70-Jährige, der damals für eine Original-Stoßstange an einem Wochenende schnell mal nach Venedig fuhr. Fünf Monate lang wurde nach Feierabend und am Wochenende geschuftet. „Als Belohnung“ für die Plackerei fuhren Keller und Roland Marquardt im Mai 1994 im perfekt restaurierten Alfa Romeo nach Italien als Zuschauer zur Mille Miglia. Dieses ehemalige Langstrecken-Straßenrennen wird seit 1977 als Oldtimer-Rennen „Mille Miglia Storica“ durchgeführt. „Das Rennen findet auf öffentlichen Straßen statt, da konnten wir mit dem Alfa hinter einem Maserati herfahren, überholen und winken, das war ein Riesenspaß“, strahlt Keller. Der Alfa Romeo galt in den 1960er- und 70er-Jahren mit 87 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 175 Stundenkilometern als sportliches und schnelles Fahrzeug.
Heute hat Wolfgang Keller den Alfa Romeo GT Junior 1300, für den er in einem DAT-Gutachten die Note +2 erhalten hat, mit einem H-Kennzeichen zugelassen, fährt mal zum Oldtimertreffen, gemütlich auf die Alb oder an den Bodensee. „Man muss Autofahren können, um ihn zu fahren. Der zweite Gang ist nicht synchronisiert, da muss man mit Zwischengas fahren, und eine Servolenkung gibt es auch nicht“, erzählt er, der die Ausfahrten trotzdem jedes Mal genießt: „Die Leute am Straßenrand freuen sich, wenn sie so ein schönes altes Auto sehen. Sie winken, klatschen oder heben den Daumen“, schildert er. Auch die TÜV-Mitarbeiter seien jedes Mal begeistert, wenn sie den Oldtimer zu Gesicht bekommen. Genau wie jener Zollbeamte an der italienischen Grenze, der – „Che bella macchina!“ – das Auto lautstark bewunderte.
Entwurf einer Automobil-Ikone
Entworfen wurde der Alfa Romeo, der heute als Klassiker gilt, von der italienischen Automobil-Design-Ikone Giuseppe „Nuccio“ Bertone. Weshalb Wolfgang Keller seinen mittlerweile 50 Jahre alten Alfa liebevoll „Berti“ nennt: „Er ist mir ans Herz gewachsen, ich verbinde so viele tolle Erlebnisse mit ihm. Aber ich werde auch nicht jünger, deshalb will ich ihn in absehbarer Zeit in jüngere Hände abgeben.“