Inzwischen lässt es sich nicht mehr übersehen: An Wendlingens Ortseingang wächst das neue Holzparkhaus in die Höhe. Der Baufortschritt lässt sich beinahe täglich beobachten. Für die ganz Neugierigen hat die Stadt sogar eine Webcam installiert, die die Arbeiten beinahe live dokumentiert und auch Vorher-Nachher-Bilder liefert. Nach eigenen Angaben entsteht dort das größte Holzparkhaus Deutschlands.
Als vor einiger Zeit Mitglieder der Feuerwehr Langsur aus dem Saarland bei ihren Wendlinger Kameraden zu Besuch waren, kam die Sprache beim Zusammentreffen der Helfer auch auf das neue Holzparkhaus, das in unmittelbarer Nähe des Feuerwehrhauses entsteht. Doch der stellvertretende Kommandant Marc Morawsky gab sich damals zuversichtlich: Das Gebäude sei im Brandfall sogar stabiler als ein vergleichbarer Bau aus Stahl oder Beton, antwortete er den Saarländern.
Eine Nachfrage beim Brandschutzexperten Reinhard Eberl-Pacan bestätigt diese Einschätzung. Dessen Berliner Büro „Brandschutz Plus“ hat den Brandschutz für das Wendlinger Vorzeigeprojekt konzipiert. Im Gegensatz zu Stahl oder Beton sei Holz zwar brennbar, sagt der Fachmann. Holz habe dafür gleich mehrere gute Eigenschaften, so Eberl-Pacan. Holz kann sich durch Verkohlung selbstständig vor einem unkontrollierten Versagen bei Bränden schützen. Anders als Beton oder Stahl bliebe Holz auch in diesem Extremfall stabil. „Stahl und Beton haben die Eigenschaft, dass sie bei einem Brand völlig unberechenbar instabil werden können“, so Eberl-Pacan. So könne Stahl schon bei Temperaturen über 400 Grad seine Festigkeit verlieren. Und selbst Beton setzt die Hitze zu: „Es gab schon Fälle von Tiefgaragenbränden, da musste das Gebäude darüber abgerissen werden, weil nicht mehr klar war, ob der Stahlbeton im Keller noch tragfähig genug ist“, gibt Eberl-Pacan zu bedenken.
Bei Holz könne man den sogenannten Abbrand genau berechnen. Dadurch sind auch Holzkonstruktionen mit Feuerwiderständen von 60 oder 90 Minuten möglich. „Dazu muss man zur Konstruktion einfach so viel Holz hinzufügen, wie in dieser Zeit abbrennen würde“, erläutert der Architekt. So könne man sicherstellen, dass das Gebäude auch nach der berechneten Zeit stabil bleibe, selbst wenn es komplett in Flammen steht.
Bei Vollbrand 60 Minuten stabil
Eine solche Vorgabe gibt es auch für das Wendlinger Parkhaus: Das Gebäude muss bei einem Vollbrand mindestens 60 Minuten stabil bleiben, damit alle Menschen in Sicherheit gebracht werden können, die sich möglicherweise im Gebäude aufhalten. Außerdem werde durch die Treppenhäuser aus Beton gewährleistet, dass die Flucht- und Rettungswege vom übrigen Gebäude abgeschottet seien, damit Menschen sicher heraus- und Retter schnell hineinkommen.
Das neue Park-and-ride-Parkhaus im Schwanenweg entsteht derzeit zwischen dem Bahnhof und dem Otto-Quartier. Es soll nach Fertigstellung 349 Stellplätze auf fünf Ebenen bekommen. Zusätzlich stehen im Erdgeschoss 106 Fahrrad-Stellplätze, 64 abschließbare Fahrradboxen und acht Stellplätze für Lastenfahrräder zur Verfügung.
Das Gebäude wird komplett aus Holz gefertigt. Insgesamt werden rund 2500 Tonnen des nachwachsenden Rohstoffs verbaut. Lediglich die Rampendecken und die Treppenhäuser werden aus Beton hergestellt. Um der Kreislauffähigkeit des Gebäudes Rechnung zu tragen, werden nahezu alle Verbindungen verschraubt. So sollen ein einfacher Rückbau sowie die Wiederverwendbarkeit der Materialien möglich sein. Die Fertigstellung ist für April 2024 vorgesehen. Die Baukosten belaufen sich auf insgesamt 10,3 Millionen Euro.
Auf der Baustelle in Wendlingen ist Stephan Pinkel für die Arbeiten verantwortlich. Sein Unternehmen „Die Holzbox“ hat sich auf den sogenannten Ingenieurholzbau spezialisiert. Dazu gehören neben Baumwipfelpfaden seit einigen Jahren auch immer komplexere Holzgebäude. „Holz verkohlt bei einem Brand“, sagt der Zimmerermeister und Ingenieur. Die massive Holzkonstruktion des Parkhauses sei sehr kompakt und könne nur schwer in Brand geraten. Pinkel zeigt die Konstruktion für die Parkdecks: Einer der Träger hat eine Spannweite von 16 Metern und ein Gewicht von 2,5 Tonnen. „Das sind etwa neun Kubikmeter Holz pro Träger“, sagt er. Das entspreche der Holzmenge, die für das Dach eines Einfamilienhauses verwendet wird.
20 Ladestationen für E-Autos
Beim Thema Elektromobilität sieht die Stadtverwaltung das Parkhaus gut aufgestellt: 20 Ladeplätze für E-Autos seien geplant, 20 weitere könnten bei Bedarf hinzukommen, so Bauamtsleiter Axel Girod. Für noch mehr E-Auto-Lademöglichkeiten müsse eine weitere Trafostation errichtet werden, für die allerdings schon ein Standort eingeplant sei. „Alle Ladestationen befinden sich im Erdgeschoss“, betont Girod. Damit könnten im Falle eines technischen Defekts oder eines Brandes die Einsatzkräfte schnell zum Brandherd vorrücken.