Im März 1971 wurde in der Stephanuskirche der erste Gottesdienst gefeiert, dann gingen die geladenen Gäste ins Gasthaus Lamm. Am Sonntag war der Imbiss auf der Kirchenterrasse mit Grillwüsten und Kartoffelsuppe bescheidener, aber jeder war willkommen. Die 50 Jahre passten trotz verschobener Feier: Bis damals auch Jugendräume und Turm fertig waren, wurde es 1972.
Bei der Kantate von Dieterich Buxtehude wurde der Kirchenchor von drei Geigen, einem Cello und Klavier begleitet. Mit tosendem Applaus wurde André Moselewski nach über 20 Jahren als Chorleiter verabschiedet. Er und seine Frau Esther singen aber weiterhin im hervorragend akzentuierten Chor. Ursprünglich kam André Moselewski als kurzfristiger Vertreter. „Wir haben als Chorleute sehr schnell gemerkt, was wir für einen guten Fang gemacht hatten“, so Sängerin Stefanie Ernst.
Politische Kontroverse im Vorfeld
Dem Kirchenbau gingen heftige politische Kontroversen voraus, denn er fiel mit der Planung einer komplett neuen Ortsmitte zusammen. Die Holzmadener hatten Glück, der Beton ist sehr solide, der Stahl sitzt tief. Pech gab es aber beim Innenanstrich: Die neuartige Lasur blühte wegen der Kälte weiß aus, der Maler Ernst Hartmann musste nochmals anfangen. Nun holte ihn Pfarrer Andreas Taut zum Dank nach vorne.
Lange pflegte Holzmaden eine Partnerschaft mit Völkershausen in Thüringen. 1989, kurz vor der Wende, brach dort durch leichtsinnigen Kalibergbau der Untergrund ein, die alte Dorfkirche musste abgerissen werden. Die Schwaben halfen beim Bau einer neuen Kirche, die 1992 fertig wurde. Später schlief die Partnerschaft ein. Doch als die evangelische Kirchengemeinde in Völkershausen ihre 30-Jahr-Feier plante, erinnerte sie sich an die Hilfe und lud die Holzmadener ein. Die Einladung zur 50-Jahr-Feier folgte prompt. So brachten sechs Thüringer sehr viel mehr gleichnamige Würste mit in die Urweltgemeinde. Die Vorstellung der Gäste wurde vom Musikverein umrahmt.
Gottfried Zimmermann, Vorsitzender der Bezirkssynode, übernahm das Grußwort des Kirchenbezirks. Die Kirche werde auch für nichtkirchliche Veranstaltungen genutzt, lobte er. Bürgermeister Florian Schepp sah nicht nur gemeinsame Grundstücksgrenzen zwischen Kirche und Rathaus, sondern auch „große Schnittmengen“. Manchmal blicke er von seinem Arbeitsplatz neidisch auf die großzügigen Räume der Kirche.
Rainer Stephan berichtete vom sehr guten Miteinander von Kirche und Vereinen. Für Schmunzeln sorgten seine Anekdoten: Einem früheren Pfarrer gefiel bei einem Vereinsfest das Theaterstück nicht, er wollte mit anspruchsvollerer Literatur aushelfen. Ohne Erfolg: Er mische sich ja auch nicht in die Predigt ein, meinte ein Theaterspieler.
Es braucht Weitherzigkeit
17 Jahr lang hat der Kirchheimer Architekt Dieter Franz Hoff die Sanierung der Stephanuskirche begleitet, in die insgesamt 800 000 Euro flossen. Die Kirche habe ihren Geist nicht verloren, sagte er per Video. Sie sei weiterhin ein „zeitgemäßer Raum für Gott und die Menschen“. Die Kirche sei dazu da, um das Wort Christi zu hören, so Pfarrer Andreas Taut. Wie aktuell es sei, zeige ein Beispiel aus dem Markusevangelium. Weitherzigkeit, wie sie dort praktiziert werde, wünscht er sich dringend: „Wir sind zu einem Volk politisch korrekter Kleingeister geworden. Nachbarn entzweien sich, nur weil sie beim Impfen verschiedener Meinung sind.“
Kreuz und Gockel sind
zurück auf dem Kirchturm
2005 beim Beginn der Kirchensanierung kam der Wunsch auf, das eingelagerte alte Turmkreuz von der Vorgängerkirche wieder auf den Kirchturm zu bringen. „Wir wussten, das Gerüst steht nur noch vier Wochen“, sagt Pfarrer Andreas Taut. Doch es gelang: Der Kirchengemeinderat fällte einen schnellen Beschluss, es wurde ein örtlicher Schlosser gefunden, der auch den Gockel neu vergolden konnte. Zur Bestimmung der genauen Stelle hielt der Architekt oben das Kreuz fest und der Pfarrer machte von unten ein Foto. pd