Das Thema Lärm beschäftigte die Gemeinde Holzmaden schon seit mehreren Jahren. Im Januar 2020 hatte der Gemeinderat einen Meilenstein gesetzt, als er den Entwurf für einen Lärmaktionsplan verabschiedete. Bürgermeisterin Susanne Irion brachte es damals auf den Punkt: Der Tiger bekommt Zähne. Seit Februar konnten sich sowohl Anwohner als auch Landratsamt, Polizei und das Regierungspräsidium darüber informieren und Eingaben machen. Doch auch der Tiger konnte Corona nicht aufhalten und so dauerte es bis zur Juli-Sitzung, dass die dritte Stufe des Lärmaktionsplans gezündet werden konnte.
Konkret geht es dabei um Maßnahmen wie „lärmmindernde Fahrbahnbeläge“ und Tempolimits auf der Bahnhofstraße, der Kreisstraße 1201 und der Autobahn. Bei der Bahnhofstraße ist eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit von 50 auf 30 Stundenkilometer geplant. „Das bringt drei Dezibel weniger Lärm, aber immer noch keine Wohlfühloase“, merkt Anwalt Bastian Reuße vom Anwaltsbüro Wurster, Weiss und Kupfer (W2K) an.
Für die Ortsdurchfahrt ist ein Durchfahrtsverbot für Lieferwagen von 2,8 bis 3,5 Tonnen in der Nacht geplant sowie tagsüber ein Tempolimit bei 30 Stundenkilometern. Hintergrund: Sprinter fahren häufig in der Nacht etwa Firmen im nahe gelegenen Industriegebiet an. „Für Schwerlastverkehr gibt es bereits ein Durchfahrtsverbot in der Nacht, Hauptverursacher sind aber die Sprinter, und die sind nicht erfasst“, erklärt Bastian Reuße. Er weist erneut auf die rechtlichen Möglichkeiten der Gemeinde hin, bestimmte Maßnahmen einzuklagen, wenn übergeordnete Behörden blocken.
Die Kanzlei bekam auf ihre Anfragen unter anderem die Antwort, dass die gemessenen Lärmpegel nicht ausreichten, um ein Tempolimit zu rechtfertigen oder dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung den ÖPNV beeinträchtigen könnte. Außerdem müsse der Bedarf abgewogen werden. Bastian Reuße hat dafür kein Verständnis. „Da ist die Rechtsprechung nicht berücksichtigt worden“, meint er. Es gibt nämlich einen Präzedenzfall aus dem Juli 2017, als eine Gemeinde wegen einer Lärmschutzmaßnahme gegen eine übergeordnete Behörde vor Gericht gewonnen hatte. Der Anwalt zeigt sich gegenüber dem Gremium daher zuversichtlich, zumindest die innerorts geplanten Maßnahmen durchzukriegen. Dabei äußert er aber ausdrücklich die Hoffnung, nicht den Klageweg beschreiten zu müssen. Die Chancen für ein Tempolimit auf der Autobahn sieht er so oder so als gering an. „Das ist eine heilige Kuh“, gibt er dem Gemeinderat vorsorglich gedämpften Optimismus auf den Weg.
Das Lärmproblem bleibt indes eine Tatsache. „Wir nehmen den Druck aus der Bevölkerung wahr“, sagt Susanne Irion, und Rainer Stephan von der Holzmadener Bürgerliste bekräftigt: „Wir habe lange genug drauf hingearbeitet.“ Das Thema begleite die Gemeinde schon lange, aber die Erfahrung zeige, dass wenig bis gar nichts passiert sei. Der Gemeinderat sieht es ähnlich: Die endgültige Fassung des Lärmaktionplans wird einstimmig beschlossen.