Weilheim und Umgebung
Holzmaden setzt auf Frauenpower

Rathaus In der Urweltgemeinde ist die Gemeindeverwaltung seit sechs Jahren fest in weiblicher Hand: Anlass für ein Gespräch über Klischees, die Vorteile des Unterschätztwerdens und Gendersternchen. Von Thomas Zapp

Susanne Irion arbeitet in einem Männerberuf. „Es gibt unter den Bürgermeistern mehr Männer, die Thomas heißen, als Frauen“, sagt sie lachend. Holzmadens Rathauschefin sieht das aber keineswegs als Nachteil, dass sie gerade am Anfang ihrer Amtszeit im April 2014 unterschätzt wurde. Damals kam auch noch ihr Alter hinzu: 28 Jahre alt und dann Bürgermeisterin? Dann kam es schon einmal vor, dass sie bei einer Veranstaltung für Bürgermeister am Einlass freundlich darauf hingewiesen wurde, dass das „flankierende Damenprogramm nebenan stattfindet“. Auch gab es Anrufer, die am Telefon höflich nach „dem Chef“ fragten. All das erzählt sie heute nach mittlerweile sechs Jahren Amtszeit mit einem Lächeln. „Besser man wird unter- als überschätzt“, sagt sie.

„Ich hätte damals nicht gedacht, dass wir eine Bürgermeisterin kriegen, zumal sie von auswärts kam“, erinnert sich Roswitha Haselbeck, die Leiterin des Hauptamtes ist und seit 36 Jahren im Dienste der Gemeinde steht. „Ich hab gedacht, Holzmaden wäre noch nicht soweit.“ War es anscheinend doch: Die gebürtige Heilbronnerin Susanne Irion, die damals noch Jakob hieß, überraschte bei den Wahlen mit einem Ergebnis von 67,5 Prozent.

Heute macht sie mit Gabriele Mühlhäuser, die das Vorzimmer der Bürgermeisterin führt, Bianca Hundt, Leiterin des Vorzimmers des Hauptamtes, Ute Klose, die unter anderem das Einwohnermeldeamt und das Sozialwesen unter ihren Fittichen hat, Bauhofsmitarbeiterin Brigitte Bölzle und die Auszubildende Katharina Oeffinger die siebenköpfige Holzmadener Frauenpower komplett.

Häufig kritischer mit sich selbst

Roswitha Haselbeck empfindet die Atmosphäre im weiblichen Rathaus als entspannt. „Es ist angenehm, wenn man sich nicht gegen einen Mann durchsetzen muss.“ Ihre Chefin bestätigt das: „Frauen sind mit sich und ihrer Leistung häufig selbstkritischer“, glaubt Susanne Irion. Dominanzgehabe ist daher im Holzmadener Rathaus ein Fremdwort. „Das gibt es bei uns nicht“, versichert Roswitha Haselbeck, „Frauen können sich eher zurücknehmen und auf das Wesentliche beschränken.“ Was sonst noch ein Unterschied ist: Über Fußball wird montags nicht geredet. „Vielleicht eher ein bisschen Austausch über das Dorfgeschehen“, sagt Roswitha Haselbeck augenzwinkernd.

Was eine Bürgermeisterin auch beachten muss: bei Dorffesten nicht bis zum Schluss bleiben. „Für Frauen gilt einfach eine bestimmte Zeit, zu der man ein Fest verlässt“, sagt Susanne Irion. Was sie immer wieder feststellt: Frauen bekommen eher ein Kompliment, was in den meisten Fällen nett, aber in manchen Situationen völlig unangemessen ist. „Oder kämen Sie auf die Idee, einem Bürgermeister mitten in einer Diskussion zu sagen, was für eine schicke Gürtelschnalle er hat?“

Natürlich kann es sein, dass irgendwann ein Mann zum Rathaus-Team stößt. Das wäre kein Problem für die Damen: „Wir müssten uns nicht umstellen, was die Gespräche betrifft“, sagt Roswitha Haselbeck. Eine Männerwirtschaft müsste sich im umgekehrten Falle wahrscheinlich die Zoten abgewöhnen.

Mehr Frauen im Studiengang

Noch sind Frauen unter Bürgermeistern unterrepräsentiert, wahrscheinlich werden es aber mehr. Auf den Fachhochschulen für Verwaltung herrscht mit 75 Prozent ein klarer Frauenüberschuss. Und was kann sich eine studierte Verwaltungsfachwirtin trotz aller Qualifikationen noch von Männern abschauen? „Forscher aufzutreten und eher zu sagen, was man denkt“, meint Susanne Irion, die übrigens keinen großen Wert auf gendergerechte Sprache legt: „Das ist eher ein Rückschritt und richtig anstrengend“, findet sie. „Wir haben das nie als Manko wahrgenommen“, ergänzt Roswitha Haselbeck.

Während draußen vor dem Rathaus die Presslufthämmer dröhnen - Holzmaden kriegt schnelles Internet - fällt Susanne Irion doch noch eine Situation ein, in der sie sich tatsächlich wünscht, ein Mann zu sein, „zumindest 30 Zentimeter größer und ein breites Kreuz zu haben“: Wenn sie auf der Baustelle mit Bauarbeitern reden muss. „Da wird eine Frau einfach nicht für so voll genommen wie ein Mann“, sagt sie. Und die „Frau Bürgermeister“, als die Gattin des Gemeindechefs würde sie auch abschaffen. „Mein Mann müsste dann ja Herr Bürgermeisterin sein. Sagt auch keiner.“ Gelächter. Es geht nicht nur weiblich, sondern auch lustig zu, im Holzmadener Rathaus.