Im Nachbargebäude des Holzmadener Rathauses konnte jeder der rund 80 Anwesenden durch das Fenster gut den Fernseher erkennen, in dem die Tagesschau noch den Wahlsieger der Landtagswahlen verkündete. Und schon betrat direkt nach dem Wetterbericht der Wahlausschuss um 20.15 Uhr den im Halbdunkel liegenden Rathausplatz. Dem langjährigen Gemeinderatsmitglied Rainer Stephan war es vorbehalten, mit kräftiger Stimme den neuen Bürgermeister der Urwelt-Gemeinde auszurufen.
Beim Ergebnis ging ein Raunen über den Platz, denn das Votum der 1383 Wählerinnen und Wähler war eindeutig: 78,6 Prozent stimmten für den Kirchheimer Hauptkommissar Florian Schepp. Auf den Vertriebsleiter Marius Remmler entfielen 13,3 Prozent, auf den Werbetechniker Markus Seitz fünf Prozent. Der vierte Kandidat Samuel Speitelsbach aus dem Neckar-Odenwald-Kreis erhielt 0,07 Prozent, was einer Stimme entsprach. Weitere Stimmen bekamen auch einige Gemeinderatsmitglieder, die gar nicht kandidiert hatten oder Hauptamtsleiterin Roswitha Haselbeck.
Am Ziel angekommen
„Ich bin überwältigt“, sagte ein sichtbar gerührter Wahlsieger. Florian Schepp hatte erst wenige Stunden zuvor auf Anraten eines Freundes einige Worte vorbereitet. „Die Wahl war ja eigentlich rum“, sagt er lachend, ließ sich aber eines besseren belehren. Denn auch für ihn war es wie für die anderen Kandidaten die erste Bürgermeisterwahl. „Ich bin auch froh, dass es heute entschieden wurde“, sagte er den Holzmadener Bürgerinnen und Bürgern, die trotz feucht-kühler Witterung den Weg zum Rathaus gefunden hatten. Denn, so der Wahlsieger, nochmal zwei Wochen Wahlkampf hätte er natürlich gemacht, aber: „Das ist so, als wenn Dir nach einem Marathon einer sagt: Jetzt gehst nochmal fünf Kilometer.“
Die muss er nicht mehr gehen, denn der Polizist und Kirchheimer Stadtrat ist schon am Ziel angekommen. Auf dem Rathausplatz war auch Ehefrau Elke mit den Kindern Mika und Sanni dabei, ihnen galt der besondere Dank des neuen Bürgermeisters. Schließlich mussten sie den Vater und Ehemann in den vergangenen Wochen am meisten entbehren.
„Ich werde ein ehrlicher und verlässlicher Bürgermeister sein und immer ein offenes Ohr haben“, sagte Florian Schepp und vergaß auch nicht, seinen Konkurrenten für einen fairen Wahlkampf zu danken. „Ich freue mich auf die nächsten Jahre“, versicherte er und strahlte. Dass die Mehrheit der Holzmadener hinter ihm stehen, sagt nicht nur das Wahlergebnis aus. Auch die Wahlbeteiligung von 75,2 Prozent, spricht für das Interesse an der Wahl.
Vorgängerin gratuliert
Die Person, die Florian Schepps Traum vom Bürgermeisteramt erst möglich gemacht hat, war auch gekommen: Susanne Irion, die sieben Jahre die Geschicke Holzmadens lenkte, bevor sie den Platz räumte um Bürgermeisterin von Trossingen zu werden. Sie war von ihrem neuen Amts- und langjährigen Wohnsitz Trossingen nach Holzmaden gekommen. „Ich hab den Weg noch problemlos gefunden“, sagte sie vor Verkündigung des Wahlergebnisses lachend.
Dass so viele Leute den Weg zum Wahllokal im Gemeindehaus gegenüber vom Rathaus gefunden hatten, machte für sie das Besondere an Holzmaden aus. „So viele waren es in Trossingen vermutlich nicht.“ Allerdings wurden in der 15 000-Einwohner-Stadt die Stimmen auch in verschiedenen Bezirken ausgezählt und später zusammengetragen. Da sind in Holzmaden die Wege kürzer: Vom Ort der Auszählung der gelben Wahlzettel im Wahllokal im Gemeindesaal der Stephanus-Kirche bis zur Kontrolle im Rathaus und zurück auf den Rathausplatz sind es kaum zwei Minuten Fußweg.
Auch diese Wahl stand im Schatten der Corona-Pandemie und so gab es weder herzliche Umarmungen noch wurde auf den neuen Bürgermeister mit Sekt angestoßen. Den obligatorischen Blumenstrauß ließ sich die stellvertrende Bürgermeisterin und Interims-Gemeindevorsteherin Heike Schwarz aber nicht nehmen und ließ sich sogar zu einem Händedruck hinreißen, mit den Worten: „Ich bin negativ.“ Das war an diesem Abend in jedem Sinne positiv zu verstehen.