Weilheim · Lenningen · Umland
Holzmadens Pfarrer sagt Adieu: Er hat die Kirche im Dorf gelassen

Wechsel Nach 22 Jahren verabschiedet sich Gemeindepfarrer Andreas Taut aus Holzmaden. Die Verbundenheit der Menschen mit ihrem Ort und die Corona-Zeit werden ihm besonders in Erinnerung bleiben. Von Thomas Zapp

Die Umzugskisten stehen überall im Pfarrhaus verteilt. Der Noch-Gemeindepfarrer steht etwas melancholisch in seinem Büro, das sich im Schwebezustand zwischen halb eingerichtet und halb ausgeräumt befindet. Wenn man sagt, dass Holzmaden für Pfarrer Andreas Taut, seine Frau Julia und die fünf Kinder zur Heimat geworden ist, würde man sicher nicht übertreiben. „Zwei Kinder sind hier geboren, zwei haben hier geheiratet, alle sind hier zur Schule gegangen und konfirmiert worden“, erzählt Andreas Taut. Seine Kinder sind zwischen 16 und 29 Jahre alt, eine Tochter hat ihn schon zum Opa gemacht, die Söhne studieren in Ludwigsburg und bald in Konstanz. Seine jüngste Tochter Carolin wird bei einer befreundeten Gastfamilie bleiben, um am Kirchheimer LUG ihr Abitur zu machen.

Den neuen Abschnitt an der Pfarrstelle im Friedrichshafe­ner Stadtteil Manzell wird Andreas Taut mit seiner Frau Julia also erst mal alleine beginnen. Sie wird an der örtlichen Grundschule unterrichten, Andreas Taut wird dort Religionsunterricht geben – so haben sie es auch 22 Jahre in Holzmaden gehalten. So ungewöhnlich lang wird die nächste Amtszeit für

 

Die Kirche stand so sehr im Dorf wie noch nie.
Andreas Taut
verbindet nicht nur Negatives mit der Corona-Zeit.

 

den 58-Jährigen natürlich nicht mehr werden. Auch etwas anderes typisch Holzmadnerisches wird er so nicht mehr erleben: „Ziemlich sicher habe ich hier die letzten Jahre mit volkskirchlichen Verhältnissen erlebt“, sagt er.

Auch wenn der gesellschaftliche Wandel groß sei und die Mitgliedschaft in der Kirche heute nicht mehr selbstverständlich ist, habe sich Holzmaden manches von seiner Struktur bewahrt. Über Jahre gewachsen, seien die Grundstücke überwiegend von Nachkommen ansässiger Familien bebaut worden, sagt der 58-Jährige. Und wer wie er mehr als zwei Jahrzehnte auf Taufen und Konfirmationen, Hochzeiten und Beerdigungen die Reden hält, der kennt bald buchstäblich den ganzen Ort. „Mit vielen ist man eine gemeinsame Wegstrecke gegangen. Ich habe auch alle Nachkriegsbürgermeister persönlich kennengelernt“, erzählt der scheidende Pfarrer und lobt die enge Zusammenarbeit mit den politischen Gremien Holzmadens.

Zugute kam dem studierten His­toriker sein Interesse an der Ortsgeschichte. Besonders die wechselvolle und teils kuriose Baugeschichte der Stephanuskirche hat ihn im Jubiläumsjahr 2021/22 besonders beschäftigt. Und die Tatsache, dass Holzmaden durch die Urweltfunde weltbekannt geworden ist, habe den Ort geprägt, glaubt Taut. „Die haben zwei Sterne im Baedecker. Hier muss keiner Minderwertigkeitskomplexe haben“, sagt er lachend.

Wozu eine lebendige Gemeinde in der Lage ist, hat Andreas Taut in der Corona-Zeit erlebt, als man zwar nicht im Gottesdienst singen durfte, dafür umso mehr musizierte, Ensembles zusammenstellte und neue Formate ausprobierte. „Wir haben gemeinsam überlegt, was wir machen können, und haben mit den Weihnachts- und Osterwegen neue Angebote entwickelt“, erinnert er sich auch gerne an die herausfordernde Zeit zurück.

 

Evangelische Freiheit heißt: Nicht alles so verbissen sehen

Dass er keinen verurteilt hat, der sich nicht impfen lassen wollte oder die Masken ablehnte, dazu steht er noch heute. „Meine Aufgabe ist es nicht, Sprachrohr der Behörden zu sein, sondern das Evangelium zu verkünden.“ Deswegen habe man versucht, zwar einigermaßen regelkonform durch die Pandemie zu kommen, aber trotzdem niemanden auszuschließen. Wer weiß, was evangelische Freiheit ist, der muss alle vorletzten Dinge nicht mehr so verbissen sehen, glaubt der Pfarrer. Heute sieht er sich bestätigt: „Im Nachhinein lag jeder, der rigoristisch eine Seite vertreten hat, falsch.“

Denkwürdig war für ihn, dass in der Corona-Zeit die Stephanuskirche für eine ganze Reihe von Veranstaltungen genutzt wurde, die man normalerweise nicht in der Kirche abhält: Hauptversammlungen von Vereinen, das große Jubiläum des TSV, auch Landtags- und Bürgermeisterwahlen fanden hier statt. „Die Kirche stand so sehr im Dorf wie noch nie.“

Taut ist im Hohenlohischen aufgewachsen, war selbst Sohn eines Pfarrers und hat sich mit seiner Frau in den letzten Jahren sehr in die Teckregion verliebt. „Wenn die Leute vom Bodensee schwärmen, sage ich: Schaut euch die Albkante an. Hier ist es zu jeder Jahreszeit wunderschön.“ Aber natürlich hat er auch nichts gegen seinen neuen Wohnort, schließlich macht die Familie Taut regelmäßig Urlaub am „schwäbischen Meer“. Dennoch: „Wir werden immer mit Holzmaden verbunden bleiben, und wer weiß, ob wir am Ende nicht wieder zurückkommen.“

 

Info Nachdem er am 23. Juli offiziell von Dekan Christian Tsalos verabschiedet worden ist, wird er am Sonntag, 30. Juli, seinen letzten Kinder- und Familiengottesdienst feiern. Zu Gast ist dann Puppenspielerin Gudrun Eichel. Sein Nachfolger steht mit Benjamin Himmel bereits fest, dessen Investitur wird am 17. September gefeiert.