Wer über die Römerbrücke nach Wendlingen fährt, kann es nicht mehr übersehen: Das Holzparkhaus im Schwanenweg ist in den vergangenen Wochen rasant in die Höhe gewachsen. Wegen seiner ovalen Form spricht mancher gar vom „Kolosseum von Wendlingen“. Doch statt Steinen kommt im Schwanenweg deutlich nachhaltigeres Baumaterial zum Einsatz: nach eigenen Angaben entsteht hier das größte Holzparkhaus Deutschlands. Erst im Juli hatte der Holzbau begonnen, gut drei Monate später sind alle fünf Parkdecks errichtet. Der Aufbau ging auch deshalb so schnell, weil fast alle Elemente vorgefertigt angeliefert wurden. Zumindest beinahe. Denn an der Westseite des Gebäudes klafft noch eine Lücke: Dort wurde der Kran aufgestellt und um ihn herum wurde das Gebäude errichtet. Das sei auch so geplant, erläutert Wendlingens Stadtbaumeister Axel Girod. Denn so sei es möglich gewesen, das Gebäude schnell aufzustellen.
Doch jetzt hat das Baugerät seinen Zweck erfüllt. „Der große Baukran wird jetzt abgebaut und durch einen kleinen neben dem Parkhaus ersetzt“, sagt Girod. Der komplexeste Teil der Arbeiten sei bereits erledigt: Die Stützkonstruktion und die Parkdecks sowie die Auf- und Abfahrtsrampen im Inneren des Gebäudes seien fertiggestellt. Während der Bauphase wurde unter anderem der gute Brandschutz des Gebäudes gelobt. „Für die beiden unteren Decks gab es bereits eine Teilabnahme“, sagt Girod. Auf den drei anderen Etagen seien Restarbeiten im Gange.
Wenn der große Kran abgebaut ist, soll die Lücke umgehend geschlossen werden. Das könne beginnen, sobald der Gerüstbauer anrückt. Steht das Gerüst, könnten die Experten der Holzbaufirma dann relativ zügig die fehlenden Parkdeck-Elemente einbauen. „Die Fachfirma plant mit etwa eineinhalb Etagen pro Woche“, so Girod. Die Verantwortlichen im Wendlinger Rathaus gehen davon aus, dass die fehlenden Elemente bis zum Richtfest am 26. Oktober eingebaut sind. Dafür sei vorgesorgt worden: „Das Material wurde schon weitgehend angeliefert, sodass die Arbeiten relativ zügig durchgeführt werden können“, sagt Girod.
Enorme Kostensteigerungen
Es gibt auch weitere gute Nachrichten aus dem Stadtbauamt: Nach den enormen Kostensteigerungen, mit denen das Projekt in den vergangenen Monaten zu kämpfen hatte – statt bei rund acht Millionen Euro liegt der aktuelle Kostenstand bei rund 10,3 Millionen Euro –, gab es bei den letzten beiden Gewerken sogar Einsparungen: „Die Kosten für die Elektroarbeiten waren eine Punktlandung“, sagt Girod. Sie liegen mit rund 477 000 Euro genau bei dem Wert, mit dem die Planer gerechnet hatten. Die Sanitärarbeiten werden sogar rund 19 000 Euro günstiger als berechnet – die Stadt muss hier nur 61 000 statt 80 000 Euro einplanen.
Das kann die Kostensteigerungen aber nur zum Teil auffangen: Allein das Dach kostet etwa doppelt so viel wie geplant, ebenso wie die Gussasphalt-Arbeiten auf den Parkdecks und Rampen – sie kosten 204 000 Euro mehr als die geplanten 352 000 Euro – und werden damit rund 58 Prozent teurer. Tiefer in die Tasche greifen muss die Stadt auch bei den Metallbauarbeiten, hier stieg die Kostenberechnung von 58 000 auf 295 000 Euro. Doch der Schock kam mit den Angeboten: Inzwischen rechnen die Planer mit Kosten für den Metallbau von rund 655 000 Euro – auch hier haben sich die Kosten mehr als verdoppelt. Mit dem Ende der Bauphase zeichnet sich jetzt jedoch ab, dass mit weiteren extremen Kostensteigerungen nicht mehr zu rechnen sei, so Girod. Er sei zuversichtlich, dass die 10,3 Millionen Euro gehalten werden können.
Kennzeichen werden erfasst
Für den Betrieb des Parkhauses will die Stadt eine Firma beauftragen. Dafür hatte der Gemeinderat in der letzten Sitzung vor der Sommerpause grünes Licht gegeben. Wie schon bei mehreren Parkhäusern in der Umgebung soll auch in Wendlingen auf eine Schranke verzichtet werden. Stattdessen wird das Kennzeichen des einfahrenden Pkws per Video erfasst. Bezahlt wird am Kassenautomat in bar oder mit Karte, des Weiteren soll der Bezahlvorgang auch über mindestens zwei gängige Parkapps möglich sein. Statt über monatliche Betriebskostenabrechnungen will der Parkhausbetreiber sich aus den Einnahmen aus Knöllchen säumiger Parkhaus-Nutzer finanzieren.
Das Wendlinger Holzparkhaus
349 Stellplätze: Das neue Park-and-ride-Parkhaus im Schwanenweg entsteht derzeit zwischen dem Bahnhof und dem Otto-Quartier. Es soll nach Fertigstellung 349 Stellplätze auf fünf Ebenen bekommen und dazu 20 Ladestationen für E-Autos. Zusätzlich stehen im Erdgeschoss 106 Fahrrad-Stellplätze, 64 abschließbare Fahrradboxen und acht Stellplätze für Lastenfahrräder zur Verfügung.
2500 Tonnen Holz: Das Gebäude wird komplett aus Holz gefertigt. Insgesamt werden rund 2500 Tonnen des nachwachsenden Rohstoffs verbaut. Lediglich die Rampendecken und die Treppenhäuser werden aus Beton hergestellt. Um der Kreislauffähigkeit des Gebäudes Rechnung zu tragen, werden nahezu alle Verbindungen verschraubt. So soll ein einfacher Rückbau sowie die Wiederverwendbarkeit der Materialien möglich sein.
Fertigstellung 2024: Der Baubeginn erfolgte im November 2022, die Fertigstellung ist für April 2024 vorgesehen. Die Baukosten belaufen sich derzeit auf insgesamt 10,3 Millionen Euro.