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„Horex-Walter“ aus Holzmaden hat den Dreh raus

Leidenschaft Walter Kneile aus Holzmaden zählt zu den renommiertesten Kennern historischer Motorräder der Marke Horex – seine große Leidenschaft gehört Maschinen des legendären Typs Regina. Von Alexander Maier

Walter Kneile hat in seiner langen Karriere als Kraftfahrzeugmeister unzählige Autos und Motorräder unter seinen Fittichen gehabt. Der Holzmadener kennt sich mit unterschiedlichsten Marken und Typen aus. Und wo andere bei kniffligen technischen Problemen längst abwinken, weiß er noch immer Rat. Tausende chromblitzender Schätze mit zwei und vier Rädern hat er gewartet und repariert, doch keine noch so teure Luxuskarosse und keine noch so gesuchte Rarität konnte ihn von seiner großen Liebe abbringen: der Horex Regina, die in den 1950er-Jahren in Sachen Motorradtechnik das Maß aller Dinge war und die bis heute der Traum vieler Sammler ist. Die Marke Horex feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Gründungsjubiläum, und Walter Kneile ist ihr ein Schrauber-Leben lang treu geblieben. Mit seinen 90 Jahren zählt „Horex-Walter“ zu den renommiertesten Spezialisten für die Regina, sein Wissen, seine Erfahrung und sein Tüftlergeist sind in Fachkreisen Legende. Und seine Zweirad-Sammlung würde jedes Museum schmücken.

Als Kind hat Kneile sehnsüchtig Zweirädern nachgeblickt, die knatternd durch Holzmaden fuhren. Sein erstes Motorrad war eine NSU, die sein Vater über den Krieg gerettet hatte – den Führerschein konnte man damals noch für eine Mark bei der Polizei beantragen. Die Berufswahl fiel ihm nicht schwer: Natürlich musste es etwas mit Motorrädern und Autos sein. Bei einem Kirchheimer Autohaus ging er in die Lehre – und er profitiert bis heute davon, dass man damals nicht nur auf eine Marke spezialisiert war, sondern viel breiter ausgebildet wurde. Auto- und Zweiradmechaniker mussten damals Tüftler sein. Einfach ein Neuteil aus dem Regal zu holen, auch wenn das alte noch zu reparieren war, wäre niemandem in den Sinn gekommen.

Wenn Walter Kneile aus jener Zeit erzählt, ziehen die unterschiedlichsten Marken vor seinem inneren Auge vorbei. Darunter sind Exoten wie das Leichtmotorrad Imme, das unter Sammlern heiß begehrt ist wegen seines futuristischen Designs und einer technischen Finesse: Die Hinterradschwinge war zugleich Auspuffrohr. In Kneiles Fotoalbum findet sich eine Aufnahme, die ihn auf einer Imme zeigt – als 14-jähriger Lehrling durfte er den Flitzer auf dem Kirchheimer Volksschulhof vorführen.

Fahren ist das eine, schrauben das andere

Unzählige Male hat sich „Horex-Walter“ seither in den Sattel geschwungen. Wer ihn in seiner privaten Schrauber-Werkstatt besuchen darf, kann nur staunen: Die Urkunden, Pokale und Plaketten, die er über die Jahrzehnte hinweg gesammelt hat, füllen Regale und Wände. Es gab Zeiten, da war Kneile in der wärmeren Jahreszeit jedes Wochenende bei einem Rennen, einer Rallye oder einer Ausfahrt am Start – mit seiner Zündapp Bella hat er sich 2019 von aktiven Wettbewerben verabschiedet. Geblieben sind unzählige Erinnerungen und Preise – und jene Lederjacke, die er 1951 bei einem Rennen gewonnen hat. „Die passt mir noch heute“, erzählt er stolz.

Das Fahren war für Walter Kneile eine Sache – mindestens ebenso wichtig war und ist ihm jedoch das Schrauben. Dutzende Motorräder hat er gepflegt, gewartet, repariert und restauriert. Die schönsten hütet er in seiner privaten Schatzkammer – das Repertoire reicht von der Ardie 500 aus dem Jahr 1929 über diverse NSU-Modelle bis zum Motorroller Bella. Glanzstücke sind natürlich seine Horex Reginas, die für Kneile zu den besten Motorrädern zählen, die je gebaut wurden: „Die Horex Regina ist technisch ausgereift, sehr zuverlässig, sieht wunderschön aus, und ihr Klang ist einzigartig. Für mich gibt es kein besseres Motorrad.“ Ehrensache, dass er jede dieser Königinnen auf zwei Rädern zum Strahlen bringt, auch wenn ihr die Jahrzehnte mächtig zugesetzt haben.

Fundiertes Wissen ist Pflicht

Wer solche Motorräder reparieren oder gar restaurieren möchte, braucht ein fundiertes Wissen. „Für die Regina gilt das ganz besonders“, weiß Wolfgang Rohde aus Großbettlingen, der in der Oldtimer-Szene nicht nur als Galvanik-Spezialist, sondern auch als Horex-Kenner einen glänzenden Ruf genießt. Zahlreiche Restaurierungsprojekte hat er erfolgreich gemeistert, doch wenn es schwierig wird, ist Rohde froh, wenn er bei Walter Kneile anklopfen kann. „Unter Schraubern hilft man sich selbstverständlich weiter“, weiß er. Und so, wie Wolfgang Rohde für seinen Freund aus Holzmaden die anspruchsvollsten Teile verchromt, verzinkt, vernickelt oder nachfertigt, so profitiert er von Kneiles Spezialwissen: „Horex hat diese Maschinen immer weiter verbessert und mit der Zeit viele Neuerungen eingebaut“, weiß Rohde. „Da ist es gar nicht so einfach, jede Feinheit zu kennen.“ Doch „Horex-Walter“, der in seiner aktiven Zeit in der Zweirad-Werkstatt zahlreiche Schulungen im Werk mitgemacht und sämtliche Unterlagen aufbewahrt hat, kann auf einen schier unerschöpflichen Fundus technischer Tipps und Tricks zurückgreifen. Da zieht bisweilen selbst ein alter Fuchs wie Wolfgang Rohde seinen Hut.

Mittlerweile lässt es Walter Kneile, der später als Kundendienst-Berater in einem Autohaus gearbeitet hat, in Sachen Restaurierung etwas ruhiger angehen. Doch wenn ihn ein technisches Problem herausfordert, ist er im Handumdrehen wieder ganz in seinem Element. Und die eine oder andere Runde dreht er auch noch gern – für vier seiner Maschinen holt er sich alle zwei Jahre die neue TÜV-Plakette. Für die Prüfer ist das jedes Mal ein Vergnügen, weil es kaum etwas auszusetzen gibt. „Bei mir muss jedes Motorrad beim ersten Tritt auf den Kickstarter anspringen, und es darf kein Öl verlieren – egal, wie alt es auch sein mag“, sagt der 90-Jährige. Darauf kann man sich verlassen, immerhin hat „Horex-Walter“ einen makellosen Ruf in der Oldtimer-Szene zu verteidigen.

 

Der Blick in die Firmengeschichte

Die Marke Die Horex-Fahrzeugbau AG wurde 1923 in Bad Homburg vor der Höhe gegründet und firmierte zunächst als Horex-Columbus-Werk, seit 1953 als Horex-Werke. Der Markenname verbindet den Firmenstandort mit dem Warenzeichen REX der elterlichen Konservenglasgesellschaft des Firmengründers. Nach kontinuierlich rückläufigen Verkaufszahlen wurde 1956 die Motorradproduktion eingestellt, Fahrzeuge vom Typ Imperator, die noch auf Lager waren, wurden in den USA bis Anfang der 1960er-Jahre als Modell „Citation 500“ verkauft. Anfang der 1960er-Jahre übernahm Daimler-Benz die Horex-Werke und löste sie auf.

Die Motorräder Mit 22 Jahren baute der Firmengründer Fritz Kleemann 1923 sein erstes Motorrad. Sein Motto: „Gebaut von Motorradfahrern für Motorradfahrer.“ In den folgenden Jahren machte sich Horex mit zahlreichen wegweisenden Neuentwicklungen einen Namen. Mit der Horex Regina, die in den folgenden Jahren mit 250er-, 350er- und 400er-Motoren gefertigt wurde, gelang dem Unternehmen der größte Wurf seiner Geschichte, der auch durch die Modelle Imperator und Resident nicht übertroffen werden konnte. adi