Kirchheim. Immer wieder geht die Tür zum „Alten Wachthaus“ in Kirchheim auf und Leute strömen herein. Manche dezent verkleidet, mit Masken oder aufgemalten roten Bäckchen, andere ganz neutral. Die Plätze rund um den Tresen sind gegen 19 Uhr alle besetzt, die Tische in der kleinen Kneipe auch. Eine als Katze geschminkte Bedienung windet sich elegant durch die Menschenmenge. SPD-Landtagskandidat Andreas Kenner weist den Neuankömmlingen den Weg ins angebaute Tanzzelt. Es scheint, als erwarteten Kenner und sein Parteikollege und Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold halb Kirchheim zu ihrem „Rosenmontag-Lieder-Mitsingabend“.
„Es wird uns sicher gelingen, einen Abend zu gestalten, von dem man noch in zehn Jahren spricht!“, ist sich Kenner zu Beginn des Liederabends sicher. Dann überlässt der redselige SPD-Landtagskandidat die provisorische Bühne mitten in der Kneipe den Musikern: Rainer Arnold und Tanzmusiker Rüdiger Gelhausen. Beide haben es sich auf Barhockern bequem gemacht, jeweils eine Gitarre auf dem Knie.
Während unentwegt gefüllte Teller mit Schnitzel, Spätzle und Salat über den Köpfen der Gäste hin-, und leere wieder zurückbalanciert werden, stimmt Rainer Arnold das erste Lied an: „Die Gedanken sind frei“. Bei der ersten Strophe wird lauthals mitgesungen. Dann ebben die Stimmen ab, die Blicke verschwinden in den dicken, extra für diesen Abend gedruckten Liedbüchern. Ähnlich schwer tun sich die meisten mit dem italienischen Text von „Bella Ciao“. Arnold und Gelhausen führen das Gitarrenspiel sicher und harmonisch fort; bei „Über sieben Brücken musst Du gehen“ sind dann wieder alle dabei.
Die SPD-Kandidaten warben im Vorfeld der Veranstaltung mit der Möglichkeit, auf einer Internetseite 25 Lieblingstitel aus einer Liste mit rund 300 Liedern aus den Kategorien Volkslied, Schlager, Liedermacher oder Pop auswählen zu können. Das Ganze natürlich nicht ohne Hintergedanken. „Wählen ist wichtig!“, so die Botschaft der SPD – beim Liederabend ebenso wie bei der anstehenden Landtagswahl. Und ihre Wahlkampfstrategie wird bei den Leuten offenbar noch nicht einmal als solche wahrgenommen, die lieber „Sag mir wo die Blumen sind“ singen, als über den Familiennachzug von Flüchtlingen zu diskutieren. Zumindest an diesem Abend.
„Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an“ sei sein persönliches Lieblingslied, so Rainer Arnold. Wer ihn kennt, weiß: aus gegebenem Anlass. Das Tanzzelt, in das die Musik übertragen wird, will sich nicht so recht füllen, erst recht niemand tanzen. Dafür werden die Gäste nicht müde, mitzusingen: „Wind of change“, „Morning has Broken“, „Sweet Caroline“ und „House of the rising sun“. Den Schlager „Rote Lippen soll man küssen“ nimmt Andreas Kenner schließlich zum Anlass, die Gäste zum Mitklatschen zu animieren. Das funktioniert recht gut. Ob das wohl auch an der Farbe der besungenen Lippen liegen mag?