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ICE-Trasse: Feinarbeit mit tonnenschweren Bahnschienen

Großbaustelle Auf der künftigen ICE-Neubaustrecke schließen sich immer mehr Lücken. Trotz Problemen bei den Lieferketten und verschiedenen Engpässen liegt das Projekt im Zeitplan. Von Elisabeth Maier

Ein riesiger Betonmischer steht neben der ICE-Baustelle zwischen Denkendorf und Neuhausen. Daneben bearbeiten Männer in orangefarbenen Schutzanzügen das Gleisbett mit Bürsten und Walzen. Da kommt es auf Feinheiten an. Auf der Neubaustrecke des Projekts Stuttgart 21 werden derzeit die Schienen verlegt. „Wir arbeiten schrittweise und in Etappen“, sagt Peter Breuer. Alle Abläufe seien eng ineinander verzahnt. Den Zeitplan zu halten, das ist in Zeiten von Corona und der Energiekrise gar nicht so einfach. Manchmal muss der Vertragsmanager des Projekts Stuttgart 21 jonglieren, damit die Abläufe klappen.

Auf der Baustelle riecht es nach feuchtem Beton und nach Abgasen. Daneben rast der Verkehr auf der Autobahn. Die Fahrer erhaschen schnell mal einen Blick auf die Großbaustelle. Der Zeitplan ist eng getaktet. Ende des Jahres 2023 soll die ICE-Strecke zwischen Wendlingen und dem Flughafen Stuttgart in Betrieb gehen. Derzeit arbeiten die Bautrupps an den Gleisen. Die Schienen werden verlegt.

Hoffen auf einen milden Winter

Trotz aller Widrigkeiten ist der technische Vertragsmanager Peter Breuer mit dem Baufortschritt sehr zufrieden. „Bei hohen Minusgraden oder bei Schnee und Eis können wir nicht arbeiten“, sagt der Experte. Deshalb hofft er auf einen milden Winter. Bei Regen könnten die Arbeiten aber selbstverständlich weiterlaufen. „Wenn die Strecke fertig gebaut ist, übergeben wir sie an die DB Netze.“ Bis dahin gibt es noch viel zu tun.

Eine Schiene wiegt 7,2 Tonnen. Für den Transport auf die Strecke wird schweres Gerät benötigt. „Wenn der Untergrund – also die mit Wasser gebundene Tragschicht – betoniert ist und die Schwellen darauf ausgelegt sind, werden die Schienen mit Baggern, die mit speziellen Rollvorrichtungen versehen sind, auf die Strecke gelegt“, beschreibt Peter Breuer den Arbeitsprozess auf der Bahnbaustelle.

Schwerstarbeit und filigranes Tüfteln

Was sich zunächst anhört wie Schwerstarbeit mit massivem Gerät, ist nach den Worten des Bauingenieurs in vielen Phasen geradezu filigranes Tüfteln. Das ist besonders gut bei den Betonarbeiten zu beobachten. In der schweren Betonmischmaschine wird das dickflüssige Baumaterial gemischt und zwischen die Schwellen eingebracht. Mit Bürsten streichen Bauarbeiter die Substanz, die sich schnell verfestigt, glatt. Da sind Fingerspitzengefühl und Augenmaß gefragt. Die Männer knien am Boden, auf den Schienen steht ein Zug, der im vorderen Teil mit Wasserbehältern beladen ist. Es werden feine Wasserstrahlen aufgespritzt, damit sich der frische Beton besser mit dem befeuchteten Untergrund verbindet. 150 Meter bewegt sich dieser riesige Zug an einem Tag – das lässt sich kaum wahrnehmen.

Fünfzehn Kilometer lang ist die Strecke vom Filderportal Flughafen bis nach Wendlingen. Danach beginnt die schon weitestgehend fertiggestellte Neubaustrecke nach Ulm. „Auf diesem Streckenabschnitt sind inklusive Flughafentunnel 22 Weichen, 20 Brücken und zwei Tunnelbauwerke“, sagt Peter Breuer. Das fordert den Bauingenieur und seine Teams auch technisch heraus. Wenn die Schienen verlegt sind und die Gleistragplatte betoniert ist, werden sie zusammengeschweißt. Beim Rundgang über die Strecke sind noch viele Lücken zwischen den Schienen zu sehen. Bei besonders heißen oder kalten Temperaturen bewegen sich die Schienen. Für Laien ist kaum vorstellbar, dass das Material aus schwerem Metall nachgibt. Das müssen die Planer und Konstrukteure bei der Befestigung bedenken. „Wenn die schweren Züge über die Strecke rollen, bewegen sie sich die Schienen natürlich nicht“, sagt Peter Breuer. Mehrere kleine Streckenabschnitte sind schon fertig betoniert. „Aber da gibt es immer noch etwas zu tun“, sagt Breuer. Er zeigt auf die dünnen Risse, die an manchen Stellen zu sehen sind. Kontrolleure haben diese im Blick und bessern nach. „Diese Detailarbeit ist wichtig, bevor die Strecke in Betrieb gehen kann.“ Diese Kontrollgänge benötigen viel Zeit.

22 Weichen und 20 Brücken

Was sind die Schwierigkeiten auf der Baustelle? „Die Lieferzeiten für die Materialien sind teilweise erheblich verlängert“, sagt Breuer. Da gelte es umso mehr, vorausschauend zu planen. Personalausfälle wegen Corona seien ebenfalls ein Problem, aber das könne man derzeit noch abfedern. Der Vertragsmanager lobt die Zusammenarbeit mit den Bauunternehmen.

Obwohl die Strecke noch lange nicht in Betrieb geht, rollen schon die ersten Züge. In langsamem Tempo fährt ein Bagger über die Schienen. Das Fahrzeug hat auch Räder, so dass es auf die Straße wechseln könnte. Einige Abschnitte sind noch mit einer Holzkonstruktion versehen. Deshalb darf nur ganz langsam gefahren werden. Damit wird auf der Strecke Baumaterial transportiert. Bis die ersten Testzüge in höherem Tempo und später mit 250 Stundenkilometern über die Neubaustrecke rasen, wird es noch viele Monate dauern.

 

Maßnahmen für den Artenschutz

Die geschützten Eidechsen auf der Neubaustrecke sind weitgehend umgesiedelt worden. Dennoch gibt es entlang der Strecke zwischen Denkendorf und Neuhausen noch einige Schilder mit Piktogrammen der Reptilien. Auf weißem Grund sind sie schwarz dargestellt. Darunter sind Öffnungen, durch die die Tiere flüchten könnten. „Da die Eidechsen hier kaum noch Lebensräume finden, gibt es wohl fast keine mehr“, sagt der Projektmanager Peter Breuer. Daher habe das Schild eher symbolischen Charakter. Dennoch seien diese Fluchtwege für Tiere entlang der Bahnstrecke wichtig, falls sich da doch einzelne Eidechsen verirrten. Artenschutz ist den Bauteams wichtig.
In den Projektgebieten von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm kommen zwei Eidechsenarten vor: die Mauereidechse und die Zauneidechse. Insgesamt handelt es sich dabei mehrheitlich um Mauereidechsen, aber auch viele Zauneidechsen haben die Artenschützer gefunden. Weil beide Arten streng geschützt sind, darf erst dann gebaut werden, wenn auf der betroffenen Fläche keine Eidechsen mehr leben. Die Tiere wurden auf Grünflächen in den nahe gelegenen Kommunen umgesiedelt. So sieht man am Rande von Denkendorf ihre neuen, gut abgeschirmten Habitate. Diese sind mit schwarzen Zäunen aus Plastikfolie gesichert, damit die Eidechsen nicht ausbüxen und sich etwa auf Straßen in Gefahr bringen. eli