Die Jacke lässig über die Schulter geworfen, die Hand in der Hosentasche. So posiert Matthias Bäcker auf einem Foto im Neuffener Amtsblatt – acht Tage vor der Wahl. Daneben der Spruch: „Ich unterstütze Matthias Hiller, weil er in Berlin die Interessen der Kommunen vertreten wird.“ Unterschrieben mit: „Matthias Bäcker, Bürgermeister der Stadt Neuffen“. Illegale Wahlwerbung, kritisieren die Fraktionen von Grünen und SPD im Neuffener Gemeinderat. In einer gemeinsamen Stellungnahme werfen sie Bäcker vor, gegen die Neutralitätspflicht verstoßen zu haben. „Im Vorfeld einer Wahl besteht eine Neutralitätspflicht für Amtsträger. Die Neutralitätspflicht gilt auch für Bürgermeister“, heißt es in dem Schreiben, das im Gemeinderat vorgetragen wurde. „Die Pflicht ergibt sich aus dem Recht der Parteien auf Chancengleichheit.“ Die Fraktionen verweisen darauf, dass sowohl Bundesverfassungsgericht als auch der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg in dieser Angelegenheit bereits geurteilt hätten und diese Neutralitätspflicht bekräftigt haben.
Wahlwerbung nicht akzeptabel
„Insbesondere ist es einem Bürgermeister untersagt, durch Werbung die Entscheidung der Wählerinnen zu beeinflussen“, so die Fraktionen. „Besondere Zurückhaltung wird vom Bürgermeister bei einem Bundestagswahlkampf erwartet, da er auch die Rolle des Wahlleiters einer Gemeinde innehat.“
Laut Grüne und SPD seien es drei Aspekte, die ausschlaggebend für den Verstoß seien: „Die Nähe zum Wahltag, der klare kommunalpolitische Bezug sowie die Nennung der Amtsbezeichnung stellen einen klaren Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip dar.“ Die Wahlwerbung des Bürgermeisters sei deshalb „nicht akzeptabel“. SPD-Stadtrat Tim Reeth ergänzt, dass es bei der Stellungnahme keinesfalls darum geht, für wen oder welche Partei Werbung gemacht, sondern darum, dass ein demokratisches Prinzip verletzt wurde.
Doch Neuffens Bürgermeister ist sich keiner Schuld bewusst. Im Gemeinderat zeigte er sich unbeeindruckt von der verlesenen Stellungnahme. Er nehme sie „zur Kenntnis“. Auf Anfrage sagt Bäcker, er habe sich, bevor er die Anzeige geschaltet hat, rechtlich abgesichert. „Ich habe nicht als Bürgermeister die Anzeige geschaltet, sondern als Privatperson ,Matthias Bäcker‘ und lediglich die Berufsbezeichnung darunter geschrieben“, sagt Bäcker: „So wie es auch ein Schreinermeister machen würde.“ Hätte er geschrieben „Bürgermeister Matthias Bäcker unterstützt Matthias Hiller“, wäre es etwas anderes gewesen. Genauer gesagt unterschreibt Bäcker die Anzeige nicht einmal als Bürgermeister, sondern als „Bürgermeiseter“, was aber wohl eher auf einen Tippfehler zurückzuführen ist.
Neutralitätsgebot setzt Grenzen
Doch ist es wirklich so einfach, die Neutralitätspflicht zu umgehen? Natürlich darf auch ein Bürgermeister als Privatperson eine politische Meinung vertreten. Das Neutralitätsgebot setzt aber klare Grenzen. Wahlempfehlungen dürfen nur außerhalb seiner Amtsgeschäfte gegeben werden. Offizielle Kanäle der Gemeinde, wie Amtsblätter, dürfen dafür nicht benutzt werden. Wenn sich Bürgermeister als Privatperson äußern, müssen sie sicherstellen, dass ihre Aussagen nicht mit ihrer amtlichen Position in Verbindung gebracht werden. Letzteres stellte das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom 13. September 2017 klar.
Die Frage ist also: Hat Bäcker sich tatsächlich nur als Privatperson geäußert, wenn er seine Wahlempfehlung mit „Bürgermeister der Stadt Neuffen“ unterschreibt? Die Kommunalaufsicht werde sich mit dem Fall jedenfalls vorerst nicht befassen, wie das Landratsamt auf Anfrage mitteilt. Man sei nämlich gar nicht zuständig. „Die Kommunalaufsicht des Landkreises ist im Verfahrensablauf noch nicht am Zug. Die Betroffenen müssten zunächst einen Einspruch gegen die Bundestagswahl einlegen“, so Landratsamts-Sprecherin Andrea Wangner.

