Zwischen Neckar und Alb
Im Rathaus gibt es Zoff

Kommunikation Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger verliert die Contenance und bringt einige Stadträte auf die Palme. Der Auslöser ist eine verkorkste Baustelle in der Stadt. Von Johannes M. Fischer

Außergewöhnlich heftig hat Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger (SPD) den CDU-Stadtrat Tim Hauser attackiert. Im Zusammenhang mit dem Spott, der zurzeit über die Rathausverwaltung wegen der Bauversäumnisse an der Pliensaubrücke ergeht, sagte Zieger: „Ich habe gelesen, wie despektierlich Sie sich über Ihre Verwaltung äußern.“ Dann holte er zum Schlag unter die Gürtellinie aus. Er frage sich, „ob ausgerechnet Sie, der politische Bruchpilot des Jahres, die geeignete Persönlichkeit sind, mir die Welt zu erklären. Dafür sind Sie ein bisschen zu nass hinter den Ohren.“

Hauser, CDU-Parteichef in Esslingen, ist 35 Jahre alt, kürzlich Vater geworden und arbeitet im Leitungsstab von Landesinnenminister Thomas Strobl. Der Angriff auf seine Person aufgrund des biologischen Merkmals „Jugend“ will er so nicht stehen lassen. „Ich erwarte keine Entschuldigung von Herrn Zieger, ich fordere ihn aber zu einem sachlichen und fairen Umgang auf, wie es der Position eines Oberbürgermeisters würdig wäre.“

Attacke kam unerwartet

Die Verbalattacke kam unerwartet. Die Mitglieder des Mobilitätsausschusses hatten am Mittwochabend unter anderem über die umstrittene Umweltspur auf der Kiesstraße, einer stark befahrenen Durchgangsstraße, diskutiert. Die Auffassungen dazu geteilt. Hauser wollte wissen, wie sich der Sinneswandel der Verwaltung erklären lasse: Vor der Sommerpause habe sie sich gegen das Projekt ausgesprochen, nun halte sie es für sinnvoll. Hauser warnte, dass damit der nächste Schildbürgerstreich auf die Stadt zukommen könnte.

Mit dem „Schildbürgerstreich“ spielte Hauser auf die Bauversäumnisse an der Pliensaubrückean. Die historische Brücke für Fußgänger und Fahrradfahrer wurde für viele Millionen Euro saniert. Als sie nahezu fertig war, musste sie auch gleich wieder für Radfahrer gesperrt werden. Die Brüstung sei zu niedrig, hieß es, obwohl die Fahrradspur in der Mitte der Brücke verläuft, während die Fußgänger rechts und links an der Brüstung entlanglaufen. Die Stadt bemühte sich, den Fehler zu korrigieren, indem sie hohe Bauzäune aufstellte und die Brücke wieder für Fahrräder freigab. Seitdem läuft das denkmalgeschützte Bauwerk mit den Baugittern als Lachnummer durch die deutsche Medienlandschaft.

Der „politische Bruchpilot des Jahres“ wiederum ist eine Spitze, die auf den verlorenen Kampf Hausers um die CDU-Bundestagskandidatur im Wahlkreis basiert.

Für Hauser ist der Ausfall Ziegers keine Lappalie, sondern hat System. Vor etwa einem Jahr gab es schon mal eine Klausurtagung, auf der das Verhältnis zwischen der Verwaltungsspitze und den Gemeinderäten zur Sprache kam. „Das Problem gab es also schon früher“, meint Stadtrat Hermann Falch. Nach Berichten der Teilnehmer vereinbarte man ein faires Miteinander und „gegenseitige Rücksichtnahme“. Hermann Falch: „Das hat offenbar nichts gebracht.“

Sven Kobbelt, mit 34 Jahren nach Zieger-Definition ebenfalls noch „nass hinter den Ohren“, bekommt auch immer mal wieder gewisse Spitzen zu spüren. „Wir machen das alle im Ehrenamt“, beklagte er sich. Es sei aber schwierig, Stadtrat zu sein, „wenn man vorher weiß, dass man im Zweifelsfall so abgewatscht wird“, ergänzte Falch. „Er hat schon viele sehr stark eingeschüchtert“, meint Hauser.

Es gibt noch mehr Klagen

Es gibt auch Klagen aus anderen Fraktionen - bislang aber nur hinter vorgehaltener Hand. Zieger selbst wollte am Donnerstag seine Äußerung nicht weiter kommentieren. An seiner Stelle reagierte der Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Roland Karpentier. Während der Sitzung habe es zuvor bereits seitens eines anderen Stadtrates einen provokanten Vergleich von Donald Trump mit Oberbürgermeister Zieger gegeben, den Zieger zurückwies. Anschließend habe Zieger mit seiner spontanen Äußerung gegenüber Stadtrat Hauser die aus Sicht von Zieger polemischen Vorwürfe gekontert. Hauser habe die Einführung einer testweisen Umweltspur einen weiteren Schildbürgerstreich der Verwaltung genannt. „Zieger stellte sich mit seiner Replik an Stadtrat Hauser damit gegen dessen Feststellungen und schützend vor die gesamte Verwaltung“, so Karpentier.

Tatsächlich hatten sich der Stadtrat Falch und Zieger gegenseitig als „Donald T.“ und „Donald Trump“ bezeichnet - erst Falch den einen, dann Zieger den anderen. Von der Tonlage her nutzen beide den Namen des US-amerikanischen Präsidenten offenkundig als Schimpfwort.

Die ursprüngliche Frage nach dem Sinneswandel der Stadtverwaltung ging im Verlauf des verbalen Scharmützels unter und wurde nicht beantwortet.