Zwischen Neckar und Alb
Impfzentren steuern auf Engpass zu

Pandemie Die Impfdosen werden im Kreis von kommender Woche an knapp. Das Land macht den Bund für die Fehlplanung verantwortlich. Von Thomas Schorradt

Kaum, dass die Impfkampagne gegen das Coronavirus in Stadt und Land so richtig Fahrt aufgenommen hat, droht schon wieder Sand ins funktionierende Getriebe zu kommen. Weil der Bund angeblich nicht genügend Impfdosen liefert, hat das baden-württembergische Sozialministerium angekündigt, die Zuweisungen an die Impfzentren im Land zu kürzen. Betroffen sind auch die beiden Einrichtungen im Kreis Esslingen in Leinfelden-Echterdingen und in Esslingen.

Noch läuft es rund in der Messehalle auf den Fildern und in dem Verwaltungsgebäude in der Esslinger Zeppelinstraße. „Wir fah- ren derzeit an beiden Standorten unter Volllast“, sagt der Leiter der vom Landkreis Esslingen betriebenen Impfzentren, Marc Lippe. Seinen Worten zufolge werden jeden Tag sowohl in Leinfelden-Echterdingen als auch in der Esslinger Zeppelinstraße je 800 Menschen geimpft.

Umso mehr hat den Chef des Malteser Hilfsdienstes die Meldung aufgeschreckt, die am Dienstag aus dem baden-württembergischen Sozialministeriums durchgesickert war. Die aktuellen Wasserstandsmeldungen aus der Landeshauptstadt lassen Lippe befürchten, dass es mit dem Normalbetrieb an den Impfzentren bald vorbei sein könnte. „Wir hängen bisher noch völlig in der Luft. Alles, was wir wissen, haben wir bisher aus den Medien erfahren“, sagt Lippe.

Und das ist aus seiner Sicht und aus der Sicht derer, die noch auf ihren Impftermin warten, alles andere als erfreulich. Unter Hinweis auf ausstehende Lieferungen des Bundes hat der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha im Laufe des Tages schließlich bestätigt, dass es von Montag an an den zentralen Impfzentren im Land zu einem Engpass kommen kann. Betroffen sind einer Mitteilung aus Luchas Ministerium zufolge ausschließlich die schon vereinbarten Termine für die Erstimpfungen. An den Terminzusagen für die Zweitimpfungen ändere sich nichts, heißt es aus Stuttgart.

Die Verantwortung für das Dilemma schiebt Lucha nach Berlin ab. „Wir weisen die Bundesregierung seit zwei Wochen bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass wir mehr Impfstoff in den Impfzentren verimpfen können. Wir eilen schon heute von Rekord zu Rekord“, sagt der Minister.

Von den rund 535 000 Einwohnern des Landkreises Esslingen sind - Erst- und Zweitimpfung zusammengerechnet - bisher rund 97 000 Menschen geimpft worden. 55 000 davon haben die Spritze in den beiden Zentren bekommen, 14 000 von mobilen Impfteams, 19 500 in den Hausarztpraxen und knapp 9000 bei verschiedenen Vor-Ort-Aktionen.

Trotzdem sinkt die Inzidenzrate im Landkreis Esslingen nur sehr langsam. Seit Tagen liegt sie kreisweit beständig über dem Wert von 200. Obwohl die Tendenz leicht fallend ist, liegt die Zahl der Ansteckungen immer noch deutlich über dem Inzidenzwert von 100, den die Bundesregierung in ihrer Coronaverordnung als Schwellenwert für grundlegende Erleichterungen festgelegt hat.

In Esslingen, der mit rund 93 000 Einwohnern größten Stadt im Landkreis, haben sich in den vergangenen sieben Tagen, hochgerechnet auf 100 000 Einwohner, sogar mehr als 300 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Die Einschätzung von Andrea Wangner, der Pressesprecherin des Landkreises, wobei es sich dabei um ein diffuses Geschehen handele und es keine ausgewiesenen Ansteckungsschwerpunkte gebe, deckt sich mit der Wahrnehmung im Esslinger Rathaus.

Keine Hotspots feststellbar

„In der Stadt gibt es keine Hotspots - weder im Krankenhaus, noch in Kindertagesstätten, Pflegeheimen, Schulen, Asylbewerberunterkünften oder gar in besonderen Bevölkerungsgruppen“, sagt der Rathaussprecher, Roland Karpentier. Möglicherweise spiele die Tatsache eine Rolle, dass sich in Esslingen mit seinen 30 000 Ein- und 20 000 Auspend- lern mehr Menschen im Nahverkehr, in den Fabrikhallen und in den Büros treffen, als beispielsweise in Tübingen mit seinen 30 000 Studenten, die weitgehend an ihre Schreibtische gefesselt seien.

Die unübersichtliche Gemengelage macht es schwer, gezielte Gegenmaßnahmen zu ergreifen. „Uns bleibt nur, an die Vernunft der Menschen zu appellieren“, sagt Karpentier. Flankierend dazu seien Tag und Nacht 15 Mitarbeiter des kommunalen Ordnungsdienstes an beliebten Treffpunkten in der Stadt unterwegs, um die Einhaltung von Abstands- und Maskenpflicht zu kontrollieren.