Lenningen. Auf der grünen Wiese direkt an der Lauter schienen alle Probleme weit weg zu sein. Aber Brigitte Heidebrecht aus Ludwigsburg, die sich ehrenamtlich um Geflüchtete kümmert, weiß sehr wohl um die Schwierigkeiten, die zwischen Einheimischen und den Menschen aus Syrien, Irak, Iran und Afghanistan entstehen können. Darüber schrieb sie ihr Buch „Fernreise daheim“, aus dem die selbstständige Mediatorin, Coachin und Tanzpädagogin am Projektcafé des Binku-Treff in Oberlenningen vorlas. Eingeladen hatte der Kreisdiakonieverband Esslingen zusammen mit der Bruderhausdiakonie.
„Weil wir wegen Corona in geschlossenen Räumen zurzeit nichts anbieten können, ist dies seit langer Zeit die erste Veranstaltung“, sagte Gisela Glasebach vom Kreisdiakonieverband. Da zurzeit alle Fernreisen schwierig sind, habe sie das Thema, fremde Kulturen im eigenen Land zu erleben, besonders angesprochen.
„Geflüchtete bringen sozusagen eine andere Software mit“, sagte Brigitte Heidebrecht. Wie es aussehen kann, wenn zwei ganz unterschiedliche Sichtweisen und Gewohnheiten aufeinandertreffen, schrieb sie in kurzen Geschichten nieder. Knapp und eindrücklich werfen sie Schlaglichter auf Begegnungen zwischen den Kulturen in alltäglichen Situationen, die aber geradezu entlarvend sind und eine Auseinandersetzung herausfordern.
Für die Musik sorgten Omid Saidi und Shagol Momeni aus Afganistan mit der Tabla-Trommel und dem klanglich an eine sehr tiefe Mandoline erinnernden Saiteninstrument Rubab. Eines der Stücke handelte von der Trauer um die verlorene Heimat.
2020 ist das Buch „„Fernreise daheim“ bereits in erweiterter zweiter Auflage erschienen. „Die nächste wird mit meinen wachsenden Erfahrungen noch umfangreicher“, versprach Brigitte Heidebrecht. Seit 2015 hat sie Kontakt zu rund 30 Geflüchteten und betreut aktuell vier von ihnen. „Viele der Afghanen kommen aus Dörfern und haben wenig bis gar keine Schulbildung“, berichtete sie. „Ihre Orientierung bleibt eine mündliche.“ Daher stoße es auf Schwierigkeiten, wenn deutsche Formulare ausgefüllt werden sollten. „So etwas gibt es nicht in Afghanistan. Wenn man etwas mitzuteilen hat, geht man hin, klopft an und trinkt zuerst einen Tee zusammen.“
Als sie einmal einen Flüchtling zu einem Waldspaziergang eingeladen habe, ist das völlig anders angekommen. „Es erinnerte ihn an seine Flucht durch einen Wald in Bulgarien mit wenig Essen, wenig trinken und viel Angst durch Begegnungen mit Bären und Polizisten.“
Die Probleme, sich mit Bus und Bahn fortzubewegen und pünktlich zu einem Termin anzukommen, hat sie ebenfalls erlebt. „In Afghanistan kennt man keine Stadtpläne. Man lässt jemanden, der in eine fremde Stadt reisen muss, auch nicht alleine fahren, sondern geht mit.“ Inzwischen hätten sie und ihre Schützlinge in Bezug auf Pünktlichkeit und flexible Planung voneinander gelernt. „Ich liebe sie dafür, dass sie Gewohnheiten und Gewissheiten infrage stellen.“ Mit ihrem Buch, so Brigitte Heidebrecht, wolle sie diese Unterschiede aufzeigen, um das Miteinander zu erleichtern. gb