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In Denkendorf wird Özdemir zum Zuhörer

Agrarpolitik Was die Landwirte plagt, will der Bundeslandwirtschaftsminister auf dem Bioland-Bauernhof der Familie Schöllkopf erfahren. Es geht nicht nur um Subventionen. Von Ulrike Rapp-Hirrlinger

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (grüne Jacke) informiert sich in Denkendorf über die Biolandwirtschaft. Foto: Ulrike Rapp-Hirrlinger

Dass er es nicht so mit den teils krawalligen Bauernprotesten hat, sondern vielmehr auf den demokratischen Weg setzt, macht Matthias Schöllkopf gleich in seinen Begrüßungsworten an den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) klar: „Demokratie lebt davon, sich zu beteiligen.“ Schöllkopf selbst sitzt für die SPD im Denkendorfer Gemeinderat.

Dem Minister, dem nachgesagt wird, er wolle dereinst Winfried Kretschmann als Ministerpräsident beerben, will Schöllkopf am Freitag vor Ort auf seinem Hof vor allem die Sorgen und Nöte der Biobauern vor Augen führen. Özdemir übt sich bei dem Termin vor allem in der Rolle des Zuhörers. Eigentlich, sagt Schöllkopf, plagten Biobauern dieselben Probleme wie konventionelle Landwirte: Neben dem Klimawandel vor allem hohe Auflagen und bürokratische Hürden. Deshalb hätten sich auch etliche Biolandwirte an den Protesten gegen den Wegfall der Subventionen auf Agrardiesel und die Kfz-Steuer beteiligt.

 

Als Biolandwirte setzen wir auf einen sachlichen Dialog.
Matthias Schöllkopf, Biolandwirt aus Denkendorf
 

Auch er habe sich einmal in die Proteste eingereiht, berichtet Schöllkopf. 2500 bis 3500 Euro pro Jahr würde für ihn allein der Wegfall der Subvention auf den Agrardiesel ausmachen, rechnet er vor. „Das ist Geld, mit dem wir rechnen.“ Schließlich fahre kein Bauer unnütz auf seinem Acker herum. Parolen wie „Die Ampel muss weg“ seien hingegen nicht sein Ding, sagt der Kommunalpolitiker. „Als Biolandwirtschaft grenzen wir uns klar davon ab. Wir setzen auf eine sachliche und fachliche Ebene, auf der wir natürlich politisch mitsprechen wollen.“ Dennoch sagt er: „Bürokratie und die ausufernden Auflagen überfordern Biobauern ebenso wie die konventionell arbeitenden Landwirte.“

Überbordende Bürokratie

Auch wenn der Kampf unter anderem gegen eine überbordende Bürokratie und eine große Regelungswut sowie für die Verlässlichkeit von Auflagen die Landwirte eint, kämpfe man dennoch nicht selten in unterschiedliche Richtungen. Während die konventionelle Landwirtschaft die Gentechnik etwa als Chance für resistentere Sorten sehe, die weniger krankheitsanfällig seien und dem Klimawandel besser trotzen könnten, wendeten sich die Biolandwirte gegen eine Deregulierung des Gentechnikgesetzes und forderten weiterhin eine Kennzeichnungspflicht. Der Nachweis, dass sich gentechnisch veränderte Pflanzen nicht auf Nachbarflächen verbreiten, müsse beim Verursacher bleiben. „Es kann nicht sein, dass wir nachweisen müssen, dass unsere Bio-Produkte nicht gentechnisch verunreinigt sind.“ Subventionen wünscht sich Schöllkopf zudem nicht auf die Flächen bezogen, sondern darauf, „was ich auf meinen Flächen mache“.

Bauern verbringen einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit am Schreibtisch. „Alles muss dokumentiert werden“, stöhnt Schöllkopf. Seine beiden mobilen Hühnerställe etwa öffnen ihre Türen automatisch zu bestimmten Zeiten. Trotzdem müsse er täglich aufschreiben, wann seine Hühner im Freien sind. Özdemir gibt allerdings zu bedenken, dass der Aufschrei groß wäre, wenn etwas passiere: „Dann heißt es: Wie könnt ihr so etwas zulassen?“ Er versprach jedoch, sich dafür einzusetzen, „dass Daten nicht zweimal eingegeben werden müssen und auf das notwendige Maß reduziert werden“.

Auch die Menge an unterschiedlichen Vorschriften beschäftigt die Bauern. Oft kollidierten Auflagen der einen Verordnung mit einer anderen. Selbst Mitarbeiter in Behörden hätten keinen Überblick mehr und könnten die Landwirte nicht entsprechend beraten. Zudem änderten sich die Auflagen häufig rasch. „Wir tätigen riesige Investitionen in die Zukunft, die dann bald wieder hinfällig sind.“ Die Überdachung für den Auslauf seines vor drei Jahren gebauten Schweinestalls sei inzwischen zu groß und müsste reduziert werden. Auch seine erst drei Jahre alten Hühnermobile, in die Schöllkopf rund 140 000 Euro investiert hat, entsprächen bereits jetzt nicht mehr den Standards, weil Hygieneschleusen fehlten. Noch sei unklar, ob er sie nachrüsten muss. „Doch ohne größere Investition wäre das nicht möglich.“

„Die innere Einstellung muss stimmen“

Özdemirs Ziel ist klar: 30 Prozent ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft bis 2030. Schöllkopf und Christa Brockhaus-Henzler, die ebenfalls einen Bioland-Hof in Denkendorf betreibt, sehen das allerdings eher skeptisch: Das müsse man aus Überzeugung tun, nicht, weil es dafür Geld vom Staat gebe. „Die innere Einstellung muss stimmen“, so Brockhaus-Henzler. Wichtig sei eine gute Aufklärung.

Deshalb beteiligt Schöllkopf sich am vom Land geförderten Projekt „Lernort Bauernhof“. Schöllkopf fordert, dass die Landwirte in politische Entscheidungen einbezogen werden und in der Politik mehr Gehör finden: „Von der Streichung der Subventionen für Diesel und Kfz-Steuer habe ich aus dem Radio gehört.“

 

Bio-Landwirtschaft auf 75 Hektar

Bioland-Hof Seit 2012 bewirtschaften Johanna und Matthias Schöllkopf ihren Biohof in Denkendorf. Bewirtschaftet werden rund 75 Hektar nach den Kriterien des Bioland-Verbands. Die Schöllkopfs bauen Gemüse an und halten in zwei mobilen Ställen rund 600 Hühner. Außerdem sind 16 Rinder und 14 Schweine auf dem Hof heimisch.

Bauernproteste Die Landwirte hatten mit tausenden Treckern bundesweit gegen die Kürzung der Subventionen für den Agrardiesel demonstriert. Daraufhin wurde die geplante Abschaffung der Befreiung von land- und forstwirtschaftlichen Fahrzeugen von der Kfz-Steuer zurückgenommen und eine schrittweise Absenkung der Agrardieselrückerstattung angekündigt. Sie wurde aber nicht ganz zurückgenommen.