Mehl! Ein Himmelreich für Mehl! Gut drei Wochen lang war Gudrun Wiest vollauf damit beschäftigt, das fein gemahlene Getreide zu beschaffen. Die Regale in ihrem Mühlen-Laden in Grabenstetten waren wie leer gefegt, gleichzeitig aber haben sich die Kundenbestellungen gestapelt.
Dann endlich kam wieder eine Lieferung von der Luz-Mühle aus Buttenhausen. Der Engpass, den unter anderem die kriegsbedingten Hamsterkäufe verursacht haben, schien vorerst beendet. „Die Lage hat sich beruhigt“, konnte Gudrun Wiest kurz aufatmen – um dann gleich wieder durchzustarten. Denn eigentlich treiben sie derzeit ganz andere Aufgaben und Pflichten um als die Mehlbeschaffung. Zum einen gibt es in ihrem Laden eh immer genug zu tun, zum anderen wäre da ja auch noch der Bau des neuen Café-Bereichs, für den die Grabenstetterin nach langem Warten nun endlich die Genehmigung von den zuständigen Behörden bekommen hat.
Seit Dezember ist das Projekt Café-Betrieb in trockenen Tüchern – zumindest in der Theorie. Seitdem hat Wiest, nachdem von der Parkplatzsituation bis zum Brandschutz alles geprüft war, die Freigabe erhalten, zu bauen. Mittlerweile ist sogar schon die Grube direkt neben der Mühle mit angeschlossenem Wohnhaus in der Neuffener Straße ausgehoben. Doch mit den Baumaterialien verhält es sich in diesen Zeiten wie mit dem Mehl: Sie sind rar und werden nicht immer reibungslos geliefert. Trotzdem hofft die umtriebige Frau, dass sie die Lokalität mit etwas Glück in diesem Herbst eröffnen kann.
Gut 30 Sitzplätze wird der Gastronomie-Anbau haben, in dem es gemütlich zugehen soll. „Ich werde in dem Café schöne alte Tische und Stühle aufstellen, und es wird eine Art Wintergarten geben“, erzählt die Mühlen-Besitzerin, die später kleinere Gerichte wie Leberkäse oder Linsen anbieten will, vor allem aber ihre selbstgebackenen Kuchen servieren wird. Die sind mittlerweile weit über Grabenstetten hinaus bekannt. Vor allem ihr Käsekuchen geht besser weg als warme Semmeln. „Der ist aber auch richtig nach Hausfrauenart gemacht. Was bedeutet, dass er viel Zeit braucht“, erklärt Gudrun Wiest, die immer mittwochs anfängt zu backen und dann von Donnerstag bis Sonntag Kuchen und Torten in ihrer Mühle verkauft. Ihre Philosophie: Es müssen regionale Zutaten sein. So wie das Mehl aus Buttenhausen und die Eier, die ihre eigenen 60 Hühner legen.
Den Laden betreibt Gudrun Wiest mittlerweile seit rund vier Jahren. Dass sie die Alte Mühle 2018 gekauft hat, war allerdings alles andere als von langer Hand geplant. Es war eher ein Zufall, dass die Frau, die eigentlich Sportlehrerin ist und in Bad Urach viele Jahre ein Sportartikelgeschäft hatte, nach Grabenstetten gezogen
ist und dann die früheren Besitzer der Getreidemühle kennengelernt hat. Die haben ihr das Gebäude zum Kauf angeboten. Ein Vorschlag, den Wiest, die nach einer gescheiterten Beziehung einen Neuanfang wagen wollte, schließlich annahm. Seitdem ist sie voller Leidenschaft am Werk.
Eigentlich war von Anfang an auch der Café-Betrieb fester Bestandteil ihrer Pläne. Um zu testen, ob ein entsprechender gastronomischer Bereich überhaupt
funktioniert, hat Wiest erst einmal Stehtische aufgestellt. „Das ist von den Kundinnen und Kunden super angenommen worden“, berichtet die Mühlen-Besitzerin, die den Café-Bau dann aber wegen der fehlenden Genehmigungen nicht so schnell umsetzen konnte wie gedacht. Derweil allerdings hat sich auch das eigentliche Lädle bestens bewährt. „Da kommen sogar Leute aus dem Schwarzwald hergefahren, weil sie von der Alten Mühle gehört haben“, freut sich Gudrun Wiest.
Das Konzept der Nachhaltigkeit und die Idee, nicht nur Lebensmittel, sondern auch Deko-Gegenstände anzubieten, scheint aufzugehen. Von der Kerzen bis zur Blume, vom Hirschgeweih bis zur Vase: Das Obergeschoss des Gebäudes ist eine einzige große Ausstellungsfläche, die die Grabenstetterin je nach Saison umdekoriert. Im Erdgeschoss indes gibt’s nicht nur Mehl und andere Backzutaten, sondern auch italienische Feinkost, Essig, offene Liköre und schwäbische Leckereien. Und nicht zu vergessen: die Kuchen und Torten, die ihresgleichen suchen.