Es ist ein sensibles und emotionales Thema, das die Dettinger Gemeinderätin Leonie Vogt in das Gremium eingebracht hat. Sie regte an, den Bereich für Kindergräber auf dem Neuen Friedhof freundlicher zu gestalten und auch für Sternenkinder einen Ort zu schaffen. Leonie Vogt sprach als betroffene Mutter. Auch sie gehört zu den vielen Frauen, die ein Baby während der Schwangerschaft verloren haben und völlig hilflos im Krankenhaus dalag, als sie mit der Tatsache konfrontiert wurde, was mit dem zu früh und tot geborenen Kind geschehen soll. „Auch ich wusste damals nicht, dass es die Möglichkeit gibt, das Kind mitzunehmen“, sagte sie. Viele Eltern würden von den Ärzten nicht aufgeklärt, kritisiert und bedauert sie. „Die Frauen bekommen zu hören: Das ist nur eine Ausschabung, das muss jetzt weg. Aber die Eltern haben sich auf dieses Kind gefreut“, verdeutlichte sie die Situation.
Als Bestatterin weiß sie inzwischen, dass es kleine „Bettchen“ für die Föten gibt. Und aus Gesprächen mit betroffenen Eltern erfuhr sie, wie vielen es wichtig ist, einen Ort zu haben, zu dem sie gehen und das totgeborene Kind besuchen können. „Das Grab ist wie ein Bett für das Kind. Man möchte da gerne hingehen, es in einem geschützten Bereich besuchen können“, erläuterte Leonie Vogt. Deshalb sollte aus ihrer Sicht der Kindergräber-Bereich freundlicher und geschützt gestaltet sein, beispielsweise durch eine Hecke. „Es wäre schön, wenn es Bänke gibt, dass die Eltern ins Gespräch kommen können. Es soll ein Ort sein, an den verwaiste Eltern und Geschwister gerne hingehen. Deshalb sollte er nicht trist, sondern bunt gestaltet sein“, sagte sie. Als Beispiel nannte sie die Kindergrabanlage Regenbogen des Katholischen Friedhofs an der Hermannstraße in Augsburg.
Es soll ein Ort sein, an den verwaiste Eltern und Geschwister gerne hingehen. Deshalb sollte er nicht trist, sondern bunt gestaltet sein.
Leonie Vogt über die Kindergrabanlage
Für Bürgermeister Rainer Haußmann stellte sich die Frage, wie sich die Gemeinderätin das große Paket konkret für Dettingen vorstellt. Schließlich gibt es nicht nur eine Friedhofsordnung sondern auch das baden-württembergische Bestattungsgesetz und die Bestattungsverordnung des Sozialministeriums. Für den Schultes stellten sich die Fragen: „Was bieten wir an, was fehlt, was ist wünschenswert?“ Das bestehende Kindergräberfeld findet Leonie Vogt passend für ihren Wunsch. Dazu zählt für sie auch ein Sammelplatz für Sternenkinder. „Der Friedhof ist für alle ein kultureller Ort. Die Eltern sollen dort gern verweilen können, weil sie wissen, ihr Kind ist da“, sagte Leonie Vogt. Sie kann sich auch einen Gedenktag vorstellen. „Das ist nicht Aufgabe der Gemeinde, das wäre freiwillig. Die Gemeinde stellt die Fläche zur Verfügung, die Eltern gestalten den Ort selbst. Es wäre dann ein Trauerort für die Zielgruppe. Das sind zwei verschiedene Dinge“, führte Rainer Haußmann aus.
Diesen Ball nahm Maria Häfele auf. „Es geht um einen Gedenkort. Es könnte ein gesammelter Stein oder ein Mahnmal sein, wo der Name drauf steht“, sagte sie. Für die Gemeinderätin muss es auch nicht zwangsläufig eine Bestattung geben. „Wenn so eine Situation den Eltern passiert, müssen sie nicht zur Gemeinde gehen, sondern können zu einer Hebamme oder einem Bestatter“, erklärte Maria Häfele.
Für Rainer Haußmann war die Sachlage zu sehr im spekulativen Bereich, da es bislang keine offiziellen Nachfragen gab. „Das Ganze müsste über Spenden finanziert und von den Eltern selbst gestaltet werden. Das ist nicht Aufgabe des Steuerzahlers“, gab er zu Bedenken. Leonie Vogt zeigte sich sofort bereit, ehrenamtlich einen solchen Ort des Andenkens zu schaffen und einen Verein zu gründen. „Die Eltern wollen selbst etwas tun für ihr Kind“, ist sie zuversichtlich.
Birgit Brenner interessierte, wie solch eine Fläche dann tatsächlich gestaltet wird, dass sie am Ende auch schön aussieht. „Die Eltern pflegen so einen Bereich wie ein Kinderzimmer“, sagte Leonie Vogt. Sie hat auch schon Ideen, wie die etwa acht mal acht Meter große Fläche aussehen könnte und sprach schon vom Sternleverein. Gemeinderat und Heilpädagoge Peter Beck weiß aus seiner Arbeit um die Häufigkeit von Fehlgeburten: „Früher wurde das totgeschwiegen. Dass sich die Menschen unterschiedlicher Generationen jetzt öffnen ist ein Mehrwert, den man nicht messen kann. Ob der Ort dann tatsächlich angenommen wird, ist nicht Sache der Gemeinde.“
Da es sich in derartigen Fällen um keine Bestattungen handelt, besteht auch keine Befangenheit seitens Leonie Vogt, stellte Rainer Haußmann klar. „Sie verschafft sich dadurch keinen Vorteil, sondern macht die Arbeit in ihrer Freizeit.“ Der Schultes stellte klar, dass die Gemeinde kein Geld für die Gestaltung aufwendet. „Es gibt einen rechtlichen Pachtvertrag. Wir verpachten für null Euro, im Gegenzug haftet der Verein – ohne Gewinnerzielungsabsicht – dafür, dass die Gestaltung angemessen ist“, formulierte Rainer Haußmann den Antrag, der nach mehrmaligem Nachfragen schließlich einstimmig angenommen wurde.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen
Fehlgeburten sind tot geboren Kinder mit einem Gewicht unter 500 Gramm. Auf Verlangen eines Elternteils können sie auf eigene Kosten bestattet werden. Ist die Geburt in einer Einrichtung erfolgt, hat deren Träger sicherzustellen, dass mindestens ein Elternteil auf diese Bestattungsmöglichkeit hingewiesen wird.
Jeder aus einem Schwangerschaftsabbruch stammende Fötus gilt als Fehlgeburt und ist als solche zu behandeln. Liegt keine Erklärung mindestens eines Elternteils mit dem Verlangen nach einer Bestattung vor, sind Fehlgeburten von den Einrichtungen unter würdigen Bedingungen zu sammeln und zu bestatten. Die Kosten dafür trägt der Träger der Einrichtung. ih