Es war längere Zeit nicht zulässig, doch schließlich sorgte eine Gesetzesänderung dafür, dass auch Familienangehörige zusammen an einem Ratstisch sitzen dürfen: so wie Gretel und Ulrich Jaudas im Lenninger Gemeinderat. Tochter und Vater sind beide Mitglieder des Gremiums – und beschreiben ihre Erfahrungen der vergangenen Jahre als überaus positiv.
„Ich kann mich an keine Situation erinnern, in der es eine Rolle gespielt hätte, dass wir Vater und Tochter sind“, sagt Ulrich Jaudas. Auch seien ihm keine Äußerungen von Lenningern zu Ohren gekommen, die die Verwandtschaftsbeziehung im Gremium infrage gestellt hätten. Der 75-Jährige selbst habe sich nie darüber geärgert, wenn seine Tochter anders abgestimmt hat als er. Denn freilich sei man sich nicht immer einig und sehe manche Dinge anders - allein schon aufgrund des Altersunterschieds, sagen beide unisono. „In die Haare kriegten wir uns deshalb aber nie“, betont Gretel Jaudas.
Die 40-Jährige erinnert sich noch genau zurück, als sie damals von Falk Katzmaier gefragt worden sei, ob sie es sich vorstellen könnte, für den Gemeinderat zu kandidieren. Die zweifache Mutter und Lehrerin an der Werkrealschule in Oberlenningen entschied sich dafür, weil sie sich für ihren „Flecken“ und vor allem für junge Familien einsetzen wollte und dies noch immer will. „Ich habe mich darüber gefreut, dass sich auch junge Leute für den Gemeinderat interessieren – unabhängig davon, dass Gretel meine Tochter ist“, betont Ulrich Jaudas.
Ganz bewusst kandidierte die Unterlenningerin vor fünf Jahren auf der Liste der Bürgerlichen Wählervereinigung Lenningen (BWL). „Damit es nicht heißt, dass mein Vater seine Tochter nachzieht“, erklärt sie schmunzelnd. Denn Ulrich Jaudas aus Schlattstall sitzt seit zehn Jahren für die Lenninger Grüne Alternative Liste/Unabhängige Bürger Lenningen (LEGAL/UBL) im Gemeinderat. Die Zugehörigkeit zu den Vereinigungen habe bei der Gemeinderatsarbeit aber nie eine große Rolle gespielt. Für Ulrich Jaudas sind Gemeinderatswahlen vor allem Persönlichkeitswahlen: „Ich bin nicht gewählt worden, weil ich bei der Legal bin, sondern vielleicht sogar, obwohl ich bei der Legal bin“, konstatiert er mit einem Augenzwinkern.
Wenn man neu ins Gremium kommt, müsse man sich erst mal zurechtfinden, blickt Gretel Jaudas an ihre Anfangszeit zurück. Ihr Vater sie ihr mit seiner Lebenserfahrung und mit seiner Erfahrung als Gemeinderat anfangs eine große Hilfe gewesen – denn er ist bereits seit zwei Legislaturperioden Ratsmitglied. Generell habe sie lernen müssen, gelassener zu sein. Denn viele Projekte lassen sich nicht so schnell umsetzen „wie ich gedacht habe“. Dies hänge auch mit der überbordenden Bürokratie zusammen: „Wir bürokratisieren uns noch zu Tode“, ärgert sich Gretel Jaudas und nennt als Beispiel das Baugebiet Lüxen in Brucken. „Das war schon Thema, als ich in den Gemeinderat gekommen bin“, sagt sie. Und noch immer konnte das Baugebiet nicht realisiert werden.
„Wenn ich mich nach einer Sitzung ärgere, kann ich mich bei meinem Vater auslassen. Und dann ist es auch wieder gut“, sagt sie. Ihr Vater sei in diesen Dingen entspannter. „Ich rege mich selten auf als Gemeinderat“, winkt der 75-jährige Agrarbiologe ab, der an der Uni Hohenheim tätig war und am agrarwissenschaftlichen Gymnasium in Nürtingen unterrichtete. Doch umgekehrt könne auch er von seiner Tochter profitieren: Denn als Frau, Lehrerin und Mutter bringe sie oft andere, zusätzliche Aspekte mit in die Diskussion. Vor und nach Sitzungen unterhalten sich die beiden auch bei privaten Treffen oft über Gemeinderatsthemen. Dieser Austausch sei stets ein Gewinn für alle, verdeutlicht Gretel Jaudas.
Nach der Kommunalwahl am 9. Juni wird ihr Vater jedoch nicht mehr Mitglied des Lenninger Gemeinderats sein: „Jetzt bin ich wirklich zu alt“, erklärt er, warum er auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Gretel Jaudas will es aber noch mal wissen und lässt sich wieder für die BWV aufstellen: „Jetzt weiß ich ja, wie es im Gemeinderat läuft. Und mit meinem Vater werde ich sicherlich weiterhin über kommunalpolitische Themen diskutieren.“
Für die Gemeinschaft einstehen
Motivation „Man kann nicht immer nur motzen, sondern man muss auch etwas tun“, sagt Gretel Jaudas über ihre Motivation, sich im Gemeinderat einzubringen. Für das Gremium sei es wichtig, dass „ein Querschnitt der Bevölkerung“ vertreten sei. Das ehrenamtliche Engagement sei für jeden persönlich gewinnbringend, ergänzt Ulrich Jaudas. „Es bringt einen weiter, auch wenn man sich vielleicht manchmal ärgern muss.“ Dass seine Tochter als Gemeinderätin für die Gemeinschaft einstehe, erfüllt Ulrich Jaudas mit Stolz. In diesem Gremium lege man die Grundlage dafür, dass Politik und die Gesellschaft funktionieren. „Dazu beitragen zu können, ist ein großes Privileg“, betont er. Die beiden können es anderen Familien nur empfehlen, sich gemeinsam an den Ratstisch zu setzen. Der Paragraf, der Verwandtschaftsbeziehungen im Gremium früher untersagte, „wurde völlig zurecht gestrichen“. hei