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In Hochdorf steht ein schwarzes Haus: Was sich hinter der Fassade verbirgt

Architektur Von außen ganz schwarz. Und drinnen? Annette und Michael Schnabel arbeiten in Hochdorf in einem ungewöhnlichen Gebäude. Zur Straße hin zeigt sich das kleine Haus geheimnisvoll verschlossen. Was es mit der Immobilie auf sich hat. Von Corinna Meinke

Geheimnisvoll wirkt das schwarze Gebäude. Nicht nur die dunkle Fassade, auch das ebenfalls schwarz gehaltene Walmdach mit den als Raute verlegten Aluziegeln unterstreicht diesen Eindruck. Auf der Straßenseite gibt es keine Fenster, lediglich ein schmales Lichtband neben der Eingangstür bricht die Fassade auf. Dann fällt der Blick auf den dünnen Birkenstamm, der als Türgriff dient, und spätestens dann wird klar, dass es sich hier um ein besonderes Gebäude handelt.

Rückzugs- und Arbeitsort für den Fotografen

„Atelier Schnabel“ steht am Briefkasten. Annette und Michael Schnabel öffnen die Tür und führen durch das kleine Reich, das Michael Schnabel als Fotoatelier dient. Der renommierte und vielfach mit Preisen bedachte kommerziell tätige Fotograf nutzt das Atelier als Rückzugs- und Arbeitsort. „Von hier aus geh ich raus in die Welt“, sagt der passionierte Kletterer, dessen zweites Standbein die Kunst ist. An den Wänden hängen Arbeiten seiner Bildfolge „Weisses Land“, extrem reduzierte Aufnahmen, die in Grönland und Island entstanden sind, sowie Teile der Werkserie „Stille Berge“, die Michael Schnabel von nächtlichen Touren aus den Alpen mitgebracht hat. Er habe sich lange gegen die Farbe Schwarz gewehrt, berichtet Schnabel, denn sie sei ihm eigentlich etwas zu abweisend gewesen. Doch für Bauherrin Annette Schnabel stand bald fest, dass Schwarz genau passt, zumal es ja auch eine Analogie zu Michael Schnabels Nachtaufnahmen der Berge gebe.

Das Gebäude (Entwurf Fabian Evers) schmiegt sich an die Grundstücksgrenze zur Straße hin. Foto: Michael Schnabel

Hell und dunkel liegen im 70 Quadratmeter umfassenden Atelierhaus nahe beieinander. Ein heller Innenraum, offen bis zum First, überrascht gleich nach dem Eintreten und gesellt sich als Pendant zur dunklen Hülle. Zementgrauer Estrich, weiße Türen und weiße Wände lassen den Raum freundlich und großzügig wirken. Die Lust am Gestalten beweisen auch die farbigen Lichtschalter der Serie Le Corbusier, klassische Vitra-Möbel und die Schreibtische auf Rollen, die im Atelierhaus eine flexible Raumnutzung ermöglichen. „Ein kleines Gartenhaus mit Charme“ sei die Grundidee gewesen, erklären die Schnabels, die den Architekten Fabian Evers mit der Planung beauftragt hatten.

Garten und Terrasse dienen als zusätzlicher Raum

Evers hatte 2015 in der Architekturszene mit seinem Ammerbucher „Haus Unimog“ Aufsehen erregt. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein kleines, schwarzes Gebäude. Allerdings steht das „Haus Unimog“ auf einem transluzenten Sockelgeschoss, das Platz für besagtes Fahrzeug bietet.

Das Hochdorfer Projekt wurde zunächst vom Esslinger Büro Eneun betreut und schließlich von Ludwig Architekten Köngen vollendet. Tipps für den Innenausbau holte sich Annette Schnabel von Barbara Moser Interior Designer, während die Ideen für den Außenbereich von der Notzinger Gartenarchitektin Claudia Hosp stammen. Tatsächlich bietet sich der kleine Garten, der sich über eine Holzterrasse erschließt, als weiteres Zimmer an, in dem es summt und brummt. Über die gesamte Länge öffnet sich das Atelierhaus hier mit bodentiefen Holzfenstern zum gut versteckten und intimen Gartenraum. „Wir verbringen hier inzwischen mehr Zeit als in unserem übrigen Garten“, sind sich Schnabels einig. Und während im Hintergrund schon Mangold und Salate aus den cortenstahlbewehrten Hochbeeten quellen, sorgt die mit einer Pumpe ausgestattete Wasserschale für ein beruhigendes Plätschern. Die Höhenunterschiede im Garten gleichen niedere Mauern aus Angulatensandstein aus, der noch aus dem heute aufgelassenen Hochdorfer Steinbruch stammt. Schnabels wollten die schönen Steine erhalten, die beim Abriss der alten Garage übrig geblieben waren.

Im kleinen Waschhaus gegenüber, dessen weiße Fassade auch schon mal als Kinoleinwand dient, steht der Brennofen von Annette Schnabel, die als Keramikerin und Begleiterin in der Arbeit am Tonfeld arbeitet. Das Waschhaus gehört zu dem dreigeschossigen Wohnhaus aus der Zeit um 1909, das sich der Hochdorfer Korsettfabrikant Carl Schmid damals auf die grüne Wiese bauen ließ. Gut möglich, dass Schnabels eines Tages aus der von ihnen genutzten vorderen Doppelhaushälfte ins Atelierhaus umziehen. Als ebenerdiger Alterssitz bietet es sich jedenfalls an, zumal dank Duschbad und offener Küche auch die Infrastruktur bereits vorhanden ist.

Hochdorfer Motive

Mit dem Bau haben sich die Schnabels Zeit gelassen, und so hat sich die Planung über Jahre hingezogen, berichtet Annette Schnabel und ergänzt: „Wir bauen ja wahrscheinlich nur einmal, und da wollten wir es gut machen.“ Das sei wohl typisch für Gestalter. Auch die Bauherrin ist kreativ unterwegs, nicht nur als Keramikerin, sondern auch als Grafikdesignerin und Hobbyfotografin, die für ihre Postkarten mit Hochdorfer Motiven bekannt ist.

Von der Straße aus gibt sich das Haus recht zugeknöpft. Foto: Michael Schnabel

Neue Ideen im Fabrikantengarten

Historie Der Textilfabrikant Carl Schmid eröffnete 1891 in der Kirchstraße in Hochdorf einen Nähbetrieb für Miederwaren. Daraus wurde später die Hochdorfer Corsettfabrik. In deren Blütezeit waren dort rund 100 Arbeiterinnen sowie zahlreiche Heimarbeiterinnen beschäftigt, heißt es auf der Infotafel zum Hochdorfer Ortsrundgang, den der Verein Hochdorfer Gebäude und Ortsgeschichte konzipiert hat. Die Fabrikation in Hochdorf endete im Jahr 1996. Schmid ließ sich in den Jahren um 1909 in Hochdorf ein repräsentatives Wohnhaus bauen.

Vorbild Das Haus Unimog in Ammerbuch von Fabian Evers Architektur und Wezel Architektur erhielt 2020 eine Hugo-Häring-Auszeichnung. Das Erdgeschoss dient als Garage und Werkstatt für besagtes Fahrzeug. Die Jury würdigte den Bau, der den traditionellen Gebäudetypus neu interpretiert, als „einfach, klar und selbstbewusst in seiner minimalistischen Erscheinung“. cm