Zwischen Neckar und Alb
„In meinem Geburtsland bin ich ein Fremder“

Wanderausstellung Menschen erzählen ihre Migrationsgeschichte. Heute: Vath Kuth aus Kambodscha

Wolfschlugen. „Mein Wunschland war eigentlich Amerika“, erzählt Vath Kuth. Denn sein Wissen über Deutschland beschränkte sich einst auf die Zeit des Naziregimes und die Gräueltaten dieser Zeit. „Heute bin ich froh, dass ich hier bin.“ Fast 40 Jahre ist es her, dass das Deutsche Rote Kreuz ihn mit 106 weiteren kambodschanischen Kindern nach Deutschland ausgeflogen hat. In Kambod­scha herrschte damals Bürgerkrieg, in dessen Verlauf Millionen von Menschen starben. Die Roten Khmer mit ihrem Anführer Pol Pot bekämpften die Regierung und verbreiteten selbst Angst und Schrecken.

„Pol Pot kannte keine Gnade“, sagt Vath Kuth. Und die Roten Khmer schreckten nicht davor zurück, Kinder in Lager zu sperren und sie für ihre Zwecke einzuspannen: Sie mussten den Dschungel roden, Deiche bauen und Minen suchen, anstatt zur Schule zu gehen und zu lernen. „Ich wollte nicht in den Krieg, ich wollte irgendwo in die Freiheit“, sagt Vath Kuth, dessen älterer Bruder bei der Armee erschossen wurde.

„Wir sind im Herbst 1979 mit einem großen Jumbo in Stuttgart gelandet, es waren Fotografen und Zeitungsjournalisten da“, erinnert sich Vath Kuth, der damals 16 Jahre alt war. Mehrere Monate lebte er in einem Kinderheim in Bad Dürrheim. Das Rote Kreuz suchte währenddessen Pflegefamilien für die Kinder aus Kambodscha. So ist Vath Kuth damals zu seinen deutschen Eltern gekommen, die er Mama und Papa nennt und mit denen er sich anfangs nur mit Händen und Füßen unterhalten konnte. Er besuchte zum ersten Mal seit Langem eine Schule, machte einen Abschluss und absolvierte eine Lehre zum Gas- und Wasserinstallateur.

Ende der 1980er-Jahre lernte er bei einem Besuch in Kambodscha seine spätere Frau Marie kennen. Doch es war schwierig, von Deutschland aus Kontakt mit ihr zu halten. Einfach mal anrufen - das war nicht möglich. Obendrein waren Telefongespräche nach Kambodscha extrem teuer. Im Jahr 1991 haben die beiden dann in Kambodscha geheiratet. Sie kamen gemeinsam nach Deutschland, wo sie zwei Kinder bekommen und großgezogen haben. Durch seine Frau hat Vath Kuth auch wieder Zugang zu seiner Muttersprache gefunden: „Die hatte ich verloren.“ Seinen Söhnen schärft Vath Kuth, der in Wolfschlugen lebt, immer wieder ein: „Lernt, das ist eure Zukunft.“

Er selbst arbeitet als Staplerfahrer und ist seit vielen Jahren deutscher Staatsbürger. Als gläubiger Christ hilft er anderen, wo er kann: „Ich will, dass andere so gut leben wie ich oder noch besser.“ Die Heimat - das ist für Vath Kuth Deutschland. Umso mehr beschäftigt es ihn, wenn er Rassismus erleben muss, wie dies in jüngster Zeit verstärkt der Fall war. Dass er, der seit 39 Jahren in Deutschland lebt, wegen seiner dunkleren Hautfarbe nun des Öfteren seinen Ausweis vorzeigen muss, enttäuscht ihn, der sagt: „In einem fremden Land muss man sich anpassen.“ Trotzdem ist er zufrieden und fühlt sich in Deutschland zu Hause. „Hier lebt man auf goldenem Boden, es gibt Menschenrechte, und Kinder werden wie Könige behandelt.“ Im kommenden Jahr will er mit seiner Familie erstmals seit langer Zeit nach Kambodscha reisen. Eins ist ihm dabei aber bewusst: „In Kambodscha bin ich ein Fremder.“ pm

 

Diese Geschichte ist Bestandteil der Wanderausstellung „Angekommen“, die am morgigen Freitag um 16 Uhr im Kirchheimer Rathausfoyer eröffnet wird und bis zum 23. November dort zu sehen ist. Dargestellt werden Schicksale von Menschen, die ihre Geschichten von Flucht und Ankommen erzählt haben.