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Interview mit Dr. Ehret: „Große Chancen“ für den Landkreis

Esslingen. Dr. Oliver Ehret verfügt als Wissenschaftler in Leitungsfunktion an einem Steinbeis-Innovationszentrum und an der Hochschule Esslingen über langjährige Praxiserfahrung im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Gemeinsam mit Kollegen hat er für den Kreis einen analytischen Blick in die Zukunft geworfen.

Herr Ehret, wozu eine Wasserstoff-Potenzial-Analyse speziell für den Landkreis?

Es geht darum, die Einsatzchancen für Wasserstoff zu ermitteln und daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Es geht auch um die Frage, mit welchen Akteuren sich das umsetzen lässt und welche Allianzen möglich sind. Dazu haben wir viele Interviews mit Unternehmen und Kommunen geführt.

Lässt sich das Ergebnis auf einen knappen Nenner bringen?

Wasserstoff bietet große Chancen für den Landkreis. Beim gesetzlich geforderten emissionsfreien öffentlichen Nahverkehr, aber auch generell beim Verfolgen selbst gesteckter Klimaschutzziele und natürlich bei der Bewältigung des Strukturwandels in der Industrie.

Gibt es Standortvorteile im Kreis?

Beim Thema Wasserstoff gibt es im Moment eine sehr große Dynamik. Der Kreis profitiert von gleich zwei geplanten und voraussichtlich in wenigen Jahren verfügbaren Pipelinesystemen, die einen kostengünstigen Bezug von Wasserstoff ermöglichen. Eine solche Pipeline kann weit mehr Energie transportieren als zum Beispiel eine Hochspannungsleitung und trifft auch auf höhere Akzeptanz. Zudem soll das Kraftwerk Altbach auf grünen Wasserstoff umgestellt werden und als Großverbraucher zum Marktwachstum beitragen. Über solche Voraussetzungen verfügen bundesweit nur wenige Regionen. Das würde hier im Kreis auch den Aufbau einer feingliedrigen Infrastruktur, wie Wasserstofftankstellen für Brennstoffzellenbusse, erheblich erleichtern.

In Nabern wird seit Jahrzehnten an der Brennstoffzelle geforscht. Warum kommt der Markt erst jetzt in Schwung?

Wesentliche Treiber sind verschärfte Klimaschutzvorgaben wie die „Clean Vehicles Directive“, die seit 2021 in der EU den Einsatz emissionsfreier Busse im ÖPNV vorschreibt. Insbesondere in Asien wurde diese Technologie ambitionierter hin zur Marktreife entwickelt als in Deutschland. Das stellt heimische Hersteller nun vor Herausforderungen. Im Sinne internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist ein verstärktes Engagement dringend zu empfehlen.

Wo sehen Sie den Landkreis bei der Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff bis in zehn Jahren?

Es ist davon auszugehen, dass die Pipelines und der wasserstoff­basierte Kraftwerksbetrieb bis dahin umgesetzt sein werden. Neben einer schon aus Gründen der Versorgungssicherheit unerlässlichen lokalen Produktion werden Importe von großer Bedeutung sein. Dabei wird Wasserstoff deutlich billiger werden. Auch aufgrund immer strengerer Regeln und Gesetze rechne ich mit deutlich wachsenden Marktanteilen brennstoffzellenelektrischer Busse und Nutzfahrzeuge. Aus heutiger Sicht wird Wasserstoff auch in der Industrie und bei der Wärmeversorgung eine große Rolle spielen. Bei der Speicherung saisonal erzeugter erneuerbarer Energie für den Winter führt an Wasserstoff kaum ein Weg vorbei. Bernd Köble