Zwischen Neckar und Alb
Interview mit Landrat Eininger: „Investitionen sind solide finanziert“

Perspektive Dem Kreis geht es gut, sagt Landrat Eininger. Problematischer scheint in manchen Punkten die Zusammenarbeit mit dem Land zu sein. Von Thomas Schorradt

Der Esslinger Landrat Heinz Eininger hat so­eben seinen dienstlichen Umzug abgeschlossen. Ob er in vier Jahren in den Neubau einzieht, lässt er offen: In zwei Jahren endet seine dritte Amtsperiode. Vorerst aber geht es um aktuelle Herausforderungen, sagt er.

Sie sind gut in Ihrem Interimsquartier in der Esslinger Kronenstraße angekommen. Werden Sie die Umzugskartons erneut packen, wenn es zurück in das dann neue Landratsamt in den Pulverwiesen geht?

Heinz Eininger: Der Umzug zurück ist gerade nicht mein Thema. In erster Linie müssen wir als Kreisverwaltung auch in den Interimsunterkünften unsere Aufgaben erfüllen und für die Einwohner da sein. Und dann geht es ja auch darum, die anspruchsvolle Neubauplanung in den Pulverwiesen umzusetzen.

Die Frage war auch eher als Anspielung auf das Ende Ihrer Amtszeit in gut zwei Jahren und eine mögliche vierte Kandidatur gedacht.

Eininger: Auch damit beschäftige ich mich jetzt noch nicht. Im Augenblick geht es vorrangig darum, die Landkreisverwaltung an ihren verschiedenen Ausweichstandorten so beieinander zu halten, dass sie ihrem Dienstleistungsauftrag gerecht wird. Das, und den Neubau nach dem Spatenstich im nächsten Jahr – trotz Corona und trotz Lieferengpässen – innerhalb von 48 Monaten zu errichten, ist Herausforderung genug. Denn nur, wenn wir den Zeitrahmen einhalten, fließen auch die sieben Millionen Euro Fördergelder.

Die Haushaltsberatungen sind geräuschlos über die Bühne gegangen. Welchen Anteil daran hat die von 30 auf 27,8 Prozent gesenkte Kreisumlage?

Es stimmt, wir haben uns nicht um Zehntelpunkte streiten müssen. Unterm Strich sind es rund 20 Millionen Euro, mit denen der Landkreis in diesem Jahr die Finanzen der Kommunen unterstützt. Dem Landkreis geht es nur gut, wenn er mit starken Städten und Gemeinden unterwegs ist. Trotzdem sind wir in der Lage, die Investitionen in die Bildung, in die Verwaltungsgebäude, in den öffentlichen Nahverkehr, in die Radwege und in den Klimaschutz solide zu finanzieren.

Bei der Haushaltsverabschiedung hat es viel Lob für die Kreisverwaltung gegeben. Das konnte man von der in gleicher Sitzung verhandelten Fortschreibung des Nahverkehrsplans nicht behaupten. Wie stehen Sie zu der Kritik, der Verwaltung fehle es an Visionen für Bus und Bahn?

Wir müssen erst einmal zusehen, dass wir die Corona-Folgen abfedern und die mittelständischen Busunternehmen im Landkreis erhalten. Da haben die von Bund und Land aufgespannten und von uns flankierten Rettungsschirme der beiden vergangenen Jahre gut geholfen. In der Diskussion um den Nahverkehrsplan habe ich den Eindruck gewonnen, wir wollen im Bereich Mobilität zu schnell zu viel. Vieles wird nicht zu finanzieren sein. Die Diskussion verkennt zudem, was der Nahverkehrsplan überhaupt nur leisten kann: Er organisiert den Busverkehr, und seine Inhalte sind gesetzlich vorgegeben. Aber wir nehmen die Kritik auf und werden ein Beteiligungsformat schaffen, in dem wir die strategische Weiterentwicklung des ÖPNV im Landkreis ausloten.

Der Wunsch nach mehr ist nicht allein im Esslinger Kreistag laut geworden, sondern kommt auch von der Landesregierung. Fühlen Sie sich unter Druck gesetzt?

Ich höre häufig von Mobilitätsgarantie und Mobilitätspass – da wird mir auf Landesebene gerade zu viel über Schlagworte diskutiert. Dass das Land die Segnungen verspricht und wir dann über die Kreisumlage das Geld bei den Städten und Gemeinden einsammeln müssen, ist nicht die richtige Aufgabenteilung. Wir sollten uns jetzt darum kümmern, dass das 365-Euro-Jugendticket bis zum neuen Schuljahr im September eingeführt und vor allem finanziert werden kann. Dazu laufen gerade die Gespräche auf allen Ebenen.

Sie haben wiederholt die Aufgabenteilung zwischen Land und Kreis in der Bekämpfung der Pandemie kritisiert. Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Wir müssen davon ausgehen, dass wir dauerhaft mit dem Virus leben werden. Da braucht es eine nachhaltige Impfstrategie und eine flächendeckende Infrastruktur. Beides zu organisieren, ist Aufgabe von Bund und Land. Die Landkreise können nicht immer die Lückenbüßer spielen und in einem ständigen Auf und Ab die Impfinfrastruktur bereitstellen. Wir haben in Deutschland eines der teuersten Gesundheitssysteme. Da muss es zu schaffen sein, Impfen in der Regelinfrastruktur der niedergelassenen Ärzte, Fachärzte, Apotheken, Veterinär- und Zahnmediziner zu verorten.

Auch die Unterbringung Geflüchteter scheint sich im Kreis zu einer Daueraufgabe zu entwickeln.

Die Krisen und Wanderungsbewegungen auf der Welt werden wir nicht ändern. Wie bei den Impfzentren haben wir bei den Unterkünften eine Infrastruktur erst auf- und dann wieder abgebaut. Wir hatten im Kreis in der Spitze 6300 Unterkunftsplätze, die wir bis zum März 2020 auf 1250 zurückfahren mussten. Jetzt sollen wir diese ganz schnell wieder hochfahren. Nicht nur, dass das Angebot sehr begrenzt ist, es werden im Ballungsraum auch sehr hohe Mietpreise verlangt. Das geht nicht. Um eine wirtschaftliche Lösung zu erreichen, muss deshalb überlegt werden, eine dauerhafte Unterbringungskapazität zu finanzieren. Darauf könnte man in Spitzenzeiten aufbauen. Außerdem muss die Verteilungssystematik überdacht werden: Erstaufnahme durch das Land, vorläufige Unterbringung durch die Kreise und Anschlussunterbringung durch Städte und Gemeinden funktioniert nur, wenn auch das Land seine Kapazitäten deutlich erhöht.