Die Muppet Show hat sie zum Namen für ihre Big Band inspiriert. Seit 26 Jahren dirigiert der Deizisauer Bürgermeister Thomas Matrohs die Muppets Big Band, die zum Köngener Musikverein gehört. Klarinette spielt der emeritierte Hochschulprofessor Rolf Martin. Im Gespräch verraten die beiden, weshalb sie die Faszination von Jazz und Swing noch immer spüren.
Herr Matrohs, Sie sind 46 Jahre alt, Herr Martin gehört mit 80 Jahren zu den älteren Mitgliedern der Band. Wie kamen Sie beide denn zu Jazz und Swing?
Thomas Matrohs: Ich bin blasmusikalisch geprägt. Beim Musikverein Köngen habe ich mit neun Jahren angefangen, Trompete zu lernen, und kam dort sowie an der Musikschule mit klassischer Literatur in Berührung. Dann bin ich in den Musikzug des Esslinger Theodor-Heuss-Gymnasiums gewechselt und spielte dort im Orchester. Dort wurde der Pädagoge Albrecht Nissler auf mich aufmerksam, der die Big Band des THG leitete. Ich fand es sensationell gut, Jazz und Swing zu spielen.
Rolf Martin: In meiner Jugend lagen Jazz und Swing in der Luft. An unserem Gymnasium in Zuffenhausen gab es eine Dixie-Band, die Uffo Town Stompers. Ich komme aus einer Familie, in der nicht musiziert wurde. Bei der evangelischen Jungenschaft hörte der Vereinsklampfer dann aber auf, und sie haben Nachwuchs gesucht. Da habe ich gedacht: Das kannst du mal probieren. Mit meiner Gitarre und einem Büchlein habe ich mir selbst beigebracht, die Akkorde zu greifen. Mit dabei war auch der Trompeter Herbert Rühle, der mich musikalisch sehr geprägt hat. In unserer Familie hörte man Jazz und Swing kaum. Da lief im Radio das, was der SDR spielte, also Volksmusik. Jazz und Swing wurden damals als „Negermusik“ beschimpft. Irgendwann habe ich dann selbst in einer Dixie-Band mitgespielt, den Westend Sugar Babes in Stuttgart.
Dass ein Musikverein eine Big Band hat, ist relativ ungewöhnlich. Herr Matrohs, wie kam es vor 26 Jahren zur Gründung?
Matrohs: Alles begann damit, dass die Jugendlichen aus der Jugendkapelle rausgewachsen sind. Der damalige Jugenddirigent, Günther Hepting, sagte, dass es schade wäre, sich einfach zu zerstreuen. Er wollte allerdings nicht mehr als Jugenddirigent vorne stehen, sondern in der Formation mitspielen. Dann kamen noch andere dazu. Damals habe ich sogar ein bisschen Schlagzeug gespielt. Eines Abends fragte mich Hepting, ob ich die Probe nicht mal leiten könnte. Da habe ich mir erlaubt, mich vorne hinzustellen und zu dirigieren. Da ich mich damals aufs Musikabitur vorbereitet habe, fand ich es spannend, mal zu schauen, wie die anderen spielen. Mein Bruder gab dann den Anstoß und fragte: „Thomas, willst du nicht immer vorne stehen?“ Dass die Muppets Big Band nun seit 26 Jahren besteht, begeistert mich. Zwar wurde das Ensemble anfangs etwas kritisch beäugt, aber der damalige Vorsitzende, Helmut Deutsch, hat sich sehr für uns eingesetzt. Und das Publikum war neugierig und begeisterungsfähig für unsere Musik.
Im Berufsleben sind oder waren Sie als Führungskräfte sehr eingespannt. Das gilt für Rolf Martin als ehemaliger Hochschulprofessor ebenso wie für den Bürgermeister Thomas Matrohs. Wie klappt das?
Martin: Da ich jetzt längst in Rente bin, habe ich das Problem nicht mehr. Aber auch während meiner Tätigkeit als Professor an der Esslinger Hochschule für die Bereiche Experimentalphysik und Optoelektronik habe ich immer in unterschiedlichen Bands gespielt. Manchmal waren das zehn Auftritte pro Monat. Es ist einfach so, dass ich mir ein Leben ohne Musik seit meiner Jugendzeit nie mehr hätte vorstellen können. Als ich selbst studiert habe, waren die Auftritte eine gute Möglichkeit, sich nebenbei etwas zu verdienen. Nach meinen musikalischen Anfängen mit Gitarre und Banjo habe ich irgendwo mal eine Klarinette aufgegabelt. Da haben wir im Trio Tanzmusik gemacht. Bei den ersten Auftritten war ich sehr aufgeregt. Sie glauben gar nicht, wie mir da die Knie gezittert haben. Doch die Erfahrung hat mir geholfen, später bei den Vorlesungen selbstbewusster vor den Studierenden aufzutreten. Beides befruchtet sich gegenseitig. Man steht immer in der Öffentlichkeit. Die Studis muss man ebenso unterhalten wie das Publikum eines Jazzkonzerts. Und man muss enthusiastisch sein und die Menschen mitreißen.
Matrohs: Ja, wie bekomme ich das als Bürgermeister hin? Weil ich es hinbekommen möchte. Viele Eigenschaften, die ich als Verwaltungschef brauche, habe ich mir über die Musik erworben. Bei einer Big Band vorne zu stehen, eine Richtung vorzugeben und zu zeigen, wie es vielleicht besser gehen könnte, das lässt sich aufs Rathaus übertragen. Die Fähigkeit, zielorientiert zu arbeiten, auch wenn es zunächst mal nicht so klappt, die brauche ich auch in meinem Hauptberuf. Auch im Rathaus geht es darum, im Team die beste Lösung zu finden. Vieles habe ich bei der Arbeit mit der Big Band erprobt. Mit solchen Eigenschaften wird man nicht geboren. In der Band haben wir unterschiedliche Charaktere und Generationen – sie mitzunehmen und zu motivieren, einen Interessenausgleich hinzubekommen – das brauche ich in beiden Bereichen. Nicht zuletzt bekommt man in der Band den Kopf frei. Zwar sieht mich die Familie an manchen Tagen nicht, wenn ich um halb acht Uhr heimkomme und dann um acht Uhr schon wieder bei der Probe sein muss. Meine Leidenschaft im Beruf wie in der Freizeit auszuleben, das macht mich glücklich. Ich bin überzeugt, dass Menschen mit einer Freizeitbeschäftigung, die sie erfüllt, besser und leistungsfähiger im Beruf sind.
Sie gehen ja beide ganz unterschiedlich an die Musik heran. Rolf Martin liebt es zu improvisieren. Thomas Matrohs bezeichnet sich als Notisten. Wie geht das zusammen?
Matrohs: Als Notist gelingt es mir relativ gut, Noten vom Blatt zu spielen. Ich kann sie wie einen fließenden Text lesen und rhythmisch schnell wiedergeben. Da fühle ich mich sicher. Beim Big-Band-Sound ist das präzise Zusammenspiel wichtig. Die Register müssen aufeinander abgestimmt sein. Spannend aber wird es, wenn sich dieser geschlossene Rahmen öffnet und dann der Weg frei wird für die Soli – und da liegt der Königsweg in der Improvisation. Diejenigen, die diesen Weg so virtuos beherrschen wie Rolf Martin, schauen nicht auf die Noten. Sie spielen frei. Das geht nur, wenn man die Harmonien verinnerlicht hat. Die Qualität unserer Big Band liegt darin, dass jede und jeder seine oder ihre Stärken einbringen und ausleben darf.
Martin: Als ich die Muppets Big Band zu ersten Mal hörte, war ich sehr angetan. Allerdings hat mich dabei sehr gestört, dass die Soli alle vom Blatt gespielt wurden. Thomas Matrohs und ich kamen dann aber zusammen, weil ich für meine Frau einen Blues geschrieben habe. Den habe ich der Band ans Herz gelegt. Der Bandleader war angetan und sagte: „Dann können Sie auch gleich mitspielen.“ Was mich an der Big Band aber fasziniert, ist die Präzision. Unser Dirigent schleift uns so richtig. Der Reiz liegt in der Vielfalt des Klangerlebnisses.
Zwei Lebenswege – eine Leidenschaft
Rolf Martin Der 80-jährige Klarinettist der Muppets Big Band ist emeritierter Physikprofessor. Nach Abschluss einer Mechanikerlehre studierte er Maschinenbau an der ehemaligen Staatlichen Ingenieurschule Esslingen, danach Physik an der Universität Stuttgart. Der promovierte Physiker ist seit 1999 Ehrendoktor der Staatlichen Moskauer Hochschule für Luftfahrt (MAI). Er war Physiker im kriminaltechnischen Institut des Landeskriminalamts Stuttgart. Von 1978 an lehrte er an der Esslinger Hochschule Experimentalphysik und Optoelektronik.
Thomas Matrohs Seit 2009 ist Thomas Matrohs Bürgermeister in Deizisau. Der 46-Jährige sitzt zudem im Esslinger Kreistag. Dort ist er im Schul- und Kulturausschuss stellvertretender Sprecher der Freien Wähler. Der parteilose Verwaltungschef wurde im Jahr 2017 als einziger Kandidat mit 99,7 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Der Diplom-Verwaltungsfachwirt ist verheiratet und hat drei Kinder. eli