Kirchheim. Im überfüllten Sitzungssaal des Lindorfer Rathauses nannte Ortsvorsteher Stefan Würtele zunächst einmal aktuelle Zahlen und Prognosen: Von den 3 000 Flüchtlingen, für die die Kommunen im Kreis Esslingen 2016 eine Anschlussunterbringung bereitstellen müssen, kämen 231 nach Kirchheim, was exakt dem Verteilerschlüssel von 7,7 Prozent entspricht. Er selbst rechne für 2017 mit einem Anstieg auf gut 6 000 im Landkreis, was dann für Kirchheim wohl eine Zahl von mindestens 500 Personen bedeute.
Für ihren Ortsteil Lindorf plane die Stadt Kirchheim nun, auf dem alten Dresch- oder auch Dreschschuppenplatz insgesamt vier zweistöckige Flachdachgebäude erstellen zu lassen. In jedem Gebäude verteilen sich zwölf Zimmer auf vier Wohnungen. Dabei gelte das ganz normale Baurecht, sowohl im Blick auf die Energieeinsparverordnung als auch auf die Anzahl der Stellplätze, die entlang der Hardtstraße geplant sind.
Wenn jedes Zimmer in den vier Wohnblocks mit zwei Personen belegt wird, ergibt das rein rechnerisch einen Zuzug von 96 Flüchtlingen an einer einzigen Stelle in Lindorf. Genau an dieser Zahl machen die Lindorfer ihre Kritik fest. Klaus Pesl, Vorsitzender der Fraktion Wählervereinigung Lindorf / Lindorfer Bürgerliste, sagte in der Ortschaftsratssitzung: „Ich stehe dazu, 30 Menschen in Lindorf aufzunehmen und ihnen hier eine Heimat zu geben.“ Er selbst werde sich aktiv an der Integration beteiligen. 96 Flüchtlinge dagegen seien bei einem Ort wie Lindorf mit „1 500 Seelen“ dann doch „etwas heftig“. Klaus Pesl fürchtet, dass dadurch „ein Dorf im Dorf“ entstehen könnte.
Den Dreschplatz hält er für geeignet, um dort beispielsweise Wohnraum für junge Familien zu schaffen. Ein Gebäude, um 30 Flüchtlinge unterzubringen, ließe sich aus seiner Sicht besser auf einem anderen städtischen Grundstück an der Ötlinger Straße erstellen. Ein Antrag seiner Fraktion sah vor, genau diesen Alternativstandort zu überprüfen. Überdies beantragte er, mit Eigentümern zu verhandeln, die leerstehende Wohnungen und Gebäude in Lindorf für die Anschlussunterbringung zur Verfügung stellen könnten.
Auch Albrecht Ellwanger, der Fraktionsvorsitzende der „unabhängigen Liste Lindorf“ im Ortschaftsrat, sieht es „als Selbstverständlichkeit an, dass im Rahmen der Anschlussunterbringungspflicht von Flüchtlingen und Asylbewerbern ein Teil dieser Menschen auch in Lindorf untergebracht wird“. Allerdings glaubt er nicht, „dass Lindorf als kleinster Teilort mit teilweise fehlender Infrastruktur sowie als einziger Teilort ohne Sozialarbeit hier einen überproportional hohen Beitrag leisten kann und muss“. Er fürchtet, dass die Integration von 96 Flüchtlingen aufgrund der unverhältnismäßig hohen Zahl misslingen könnte.
Auch eine Initiative außerhalb des Ortschaftsrats hat sich inzwischen auf den Weg gemacht, um Unterschriften zu sammeln. 678 Unterschriften sind zusammengekommen, die sich ebenfalls für „eine gelungene Integration durch eine geringere Anzahl an Personen“ einsetzen. Die Unterschriften sollen im Lauf der nächsten Tage an Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker übergeben werden.
Auch in diesem Fall geht es darum, dass 24 bis 36 Flüchtlinge als eine Zahl angesehen wird, die die Dorfgemeinschaft in Lindorf „schaffen“ kann. Eine Zahl von 96 + x dagegen so schnell wie möglich in Lindorf unterzubringen, hält Ulrich Kreher, einer der Initiatoren, für eine „Hauruck-Aktion“, die dazu führen könnte, „über Generationen hinweg einen kleinen Stadtteil zu zerschlagen“.
Dr. Heike Schad, eine weitere Initiatorin der Unterschriftenliste, hofft, dass sich die Alternativlösung Klaus Pesls verwirklichen lässt, für die sich der Ortschaftsrat in der Abstimmung auch ausgesprochen hat. Sollte stattdessen das eine Haus, das die Lindorfer für machbar halten, auf dem Dreschplatz entstehen, dann fürchtet sie, dass es sich dabei um den berühmten kleinen Finger handelt, den man gibt: „Am Ende stehen dann auch die übrigen drei Häuser auf dem Dreschplatz.“ Auch Heike Schad betont im Gespräch: „Wir wollen die Leute integrieren, die zu uns kommen, schaffen aber die große Zahl nicht.“
Entscheiden wird am Ende übrigens der Kirchheimer Gemeinderat. Der Ortschaftsrat Lindorf kann lediglich eine Empfehlung an den Gemeinderat weitergeben.