Roter Teppich und Dutzende Mikrofone. Als dienstältester Außenminister der EU war Jean Asselborn stets ein gefragter Interviewpartner in Brüssel. 19 Jahre war er ununterbrochen Chefdiplomat eines kleinen Landes, dem Großherzogtum Luxemburg. Im vergangenen Jahr ist der 74-Jährige abgetreten. Dieser Mann von Welt, der seine Karriere als Bürgermeister begonnen hatte, war am Freitagabend bei der Basis eingeladen und sprach beim Jahresempfang des SPD-Kreisverbands im Esslinger Lutherbau.
Jean Asselborn ist durch und durch ein Europäer und man nimmt ihm ab, dass er weiterhin flammende Reden hält, weil er sich ernsthaft Sorgen um gemeinsame Werte wie Freiheit, Demokratie, Solidarität und Minderheitenschutz macht. „Europa steht vor großen Herausforderungen, denen man sich stellen muss – auch wenn man kein Amt mehr innehat“, sagte der Mann mit dem Schnauzer. „Wir müssen uns einsetzen für Demokratie, sonst geht es schief“, warnte der Sozialdemokrat mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni.
Schon jetzt habe die EU „braune Punkte“, die den Zusammenhalt zu untergraben versuchen. Der passionierte Radfahrer, der verriet, dass er schon mit John Kerry und Frank-Walter Steinmeier auf Tour war, liebt klare Worte. Vor allem gegen den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hat er in seiner Amtszeit ausgeteilt. Dem rechtspopulistischen italienischen Innenminister Salvini schleuderte er mal ein „Merde alors!“, zu Deutsch „Scheiße noch mal!“, entgegen. In seiner Rede bezeichnete er die AfD nun als „politische Sekte“.
Deutschland müsse aufstehen und die AfD „zusammenfalten“, sagte er bildhaft und mit sympathischem Akzent. Und tatsächlich sind in den vergangenen Wochen die Menschen hierzulande gegen rechts auf die Straße gegangen, Tausende allein im Landkreis Esslingen.
Wie wichtig dieses Zeichen ist, betonten bei dem Empfang auch der Esslinger Oberbürgermeister Matthias Klopfer, die Vorsitzenden des SPD-Kreisverbands, Barbara Fröhlich und Simon Bürkle, sowie Mats Goch, Co-Vorsitzender der SPD Esslingen.
Sanktionen sind notwendig
Lange galt Asselborn als russlandfreundlich und Verfechter der Strategie „Wandel durch Handel“. Die Besetzung der Krim hat ihn zum Umdenken bewegt. „Putin müssen wir heute als Diktator sehen“, sagte er. Der Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine sei auch ein Krieg gegen die europäischen Werte. Welche Gefahr Putin für ganz Europa darstelle, sei manchen in der EU aber noch immer nicht klar. Asselborn verteidigte die Sanktionen gegen Russland. „Auch wenn sie nicht so wirken wie anfangs erhofft, bleiben sie wichtig“, sagte er. Dass sich die Nato einschaltet, hätte den dritten Weltkrieg bedeutet, analysierte Asselborn. „Es war richtig, das nicht zu tun“, sagte er. Der einzige Weg sei, die Ukraine militärisch zu unterstützen.
Europa müsse gleichzeitig mehr in seine eigene Verteidigung investieren. Das werde umso wichtiger, sollte Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt werden. Sein verheerender Einfluss sei bereits sichtbar geworden, als seine Partei im Kongress die Ukraine-Hilfe blockiert hat. Könnte Europa sich derzeit allein gegen Putin wehren? Jean Asselborn beantwortete das knapp mit „Nein“ und warnte eindringlich vor Trump.
Dieser Krieg ist nicht der einzige Konflikt, der die Welt in Atem hält. Auch zum Überfall der Hamas auf Israel bezog Jean Asselborn eindeutig Position. „Dafür gibt es keine Rechtfertigung, es ist Barbarei“, sagte er. Gleichzeitig forderte er eine Zwei-Staaten-Lösung. „Dann gäbe es keine Hamas“, so Asselborn. Nun müsse dringend eine Waffenruhe vereinbart werden. „Das Gemetzel muss aufhören“, sagte er über die unmenschlichen Bedingungen im Gazastreifen.