Radarschirme und modernste Computertechnik liefern den Fluglotsinnen und -lotsen im Tower des Stuttgarter Flughafens exakte Einblicke in den Luftraum über Stuttgart. Dieser technische Aspekt ihrer Arbeit reizt Judith Roosz. Dennoch geht laut der Fluglotsin ohne das gute, alte Fernglas fast nichts. Was etwas altmodisch anmutet, gehört für das Tower-Team zum unverzichtbaren Arbeitsgerät. Obwohl die Maschinen über das Instrumentenlandesystem auf die Start- und Landebahn gelenkt werden, gehört der Sichtkontakt dazu. „Wir weisen die Pilotinnen und Piloten darauf hin, wenn das Fahrwerk nicht ausgefahren ist.“ Falls es da Probleme gibt, müssen die Maschinen in die Warteschleife.
In heiklen Lagen Ruhe bewahren
Wichtig findet es Judith Roosz, zuerst an die Piloten im Cockpit zu denken und sie zu beruhigen. In extremen Situationen bewirken die richtigen Worte, aber auch eine entspannte Stimmlage sehr viel. Diese Ruhe und Besonnenheit strahlt die junge Frau mit den langen braunen Haaren aus. Freundliche Worte beherrscht sie auch auf Englisch. Neben ihrer Arbeit als Fluglotsin ist die Plieningerin für die Deutsche Flugsicherung (DFS) in der Nachwuchswerbung tätig – Menschen zu motivieren, das liegt ihr.
Einen der bundesweit rund 2000 Jobs als Fluglotse oder -lotsin zu ergattern, ist nicht einfach. „Die Ausbildung bei der DFS ist sehr begehrt“, sagt Ute Otterbein. Sie ist bei der DFS für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Das Auswahlverfahren sei sehr anspruchsvoll. „Nur fünf Prozent der Bewerberinnen und Bewerber schaffen es in die Ausbildung zum Fluglotsen oder zur Fluglotsin.“ Weniger als auf die Schulnoten kommt es auf Tests an, die zentral durchgeführt werden. Da werden die jungen Leute umfassend geprüft. In der Praxis den Überblick zu behalten und souverän nach dem Plan zu agieren, ist unabdingbar. Ebenso gilt es, in Stresssituationen schnell zu entscheiden.
„Das Höchstalter für die Bewerberinnen und Bewerber liegt bei 24 Jahren“, sagt Judith Roosz. Das liegt auch daran, dass die Fachkräfte schon mit Mitte 50 in einen vorgezogenen Ruhestand gehen dürfen. Die 36-jährige Fluglotsin arbeitet im Tower des Flughafens Stuttgart. Nebenbei informiert sie Bewerberinnen und Bewerber über den Beruf. „Das ist eine sehr schöne Aufgabe.“ Sie selbst habe ihre Entscheidung nie bereut. Nach dem Abitur hat sie sich bei der DFS in Langen beworben und bekam den Zuschlag für einen der begehrten Ausbildungsplätze.
Arbeit im Schichtdienst
Die Fluglotsen arbeiten im Schichtdienst. Da es am Stuttgarter Flughafen eine Nachtflugbeschränkung gibt, sind diese Stunden etwas ruhiger – der Tower ist aber rund um die Uhr besetzt. Wenn der reguläre Flugbetrieb morgens um 6 Uhr beginnt, starten und landen die Maschinen in dichter Abfolge. Wichtig sind für die Lotsen im Tower die Sicherheitsabstände, die es einzuhalten gilt. Die Freigabe der Slots erfolgt nach strengen Regeln. Im Luftraum vor dem Flughafen werden die großen und die kleinen Maschinen von der Zentrale der DFS in Langen überwacht. Vor dem Landeanflug werden sie an den Tower in Bernhausen übergeben.
Spannend findet es Roosz, dass in Stuttgart viele unterschiedliche Flugzeugtypen starten und landen. Neben den klassischen Linien- und Urlaubsmaschinen wie dem Airbus 320 heben vom General Aviation Terminal kleine Flugzeuge und Business-Jets ab. Dazu kommen die großen Transportflugzeuge der US-Army, die auf der Südseite des Flughafens ihr Vorfeld haben. Das technische Detailwissen fehle ihr manchmal, sagt die erfahrene Fluglotsin lachend. Da profitiert sie gerne von ihren Kollegen, die das jeweilige Modell schon beim ersten Anblick benennen könnten. Immer mehr Drohnenpiloten erfragen inzwischen bei der DFS eine Start- und Landeerlaubnis.
Wenn eine Maschine auf den Flughafen zusteuert, ist sie bei klarem Himmel von Weitem zu sehen. Zwischen den Türmen des Kraftwerks in Altbach erscheint ein winziger Punkt am Himmel. Die Fluginformationen sind auf dem Bildschirm zu sehen. Dann greift ein Lotse zum Fernglas. Wie auf einer unsichtbaren Autobahn bewegt sich die Maschine auf die Start- und Landebahn zu.
Fluglotsen haben gute Aufstiegschancen
Ausbildung Beim Recruiting Day der Deutschen Flugsicherung (DFS) am 13. Mai 2023 auf dem Campus der Zentrale in Langen dürfen sich junge Menschen über Ausbildungsmöglichkeiten bei der Flugsicherung informieren. Da stehen auch erfahrene Fluglotsen Rede und Antwort. Das Format findet einmal pro Jahr statt.
Berufsbilder 2000 Fluglotsen und Fluglotsinnen in Deutschland lenken und überwachen den Luftverkehr in vier Kontrollzentralen und an den 15 Towern. Auch die technische Infrastruktur muss laufen. Dafür sind Informatiker, Ingenieure und Techniker zuständig. Ohne sie wäre die Luftraumüberwachung unmöglich.
Geschlecht Frauen sind im Tower wie auch in den Führungsetagen der DFS längst nicht mehr in der Minderheit. Inzwischen liegt der Anteil im Unternehmen bei mehr als 30 Prozent.
Eigenschaften Welche Voraussetzungen müssen die angehenden Fluglotsen mitbringen? Entscheidungsfreude, mentale Stärke und Kommunikationsfähigkeit sind laut Judith Roosz wichtige Kriterien. „Auch in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren“, das ist für sie eine der unverzichtbaren Eigenschaften. Nicht zuletzt müssten Fluglotsinnen und -lotsen Teamspieler sein.
Chancen Da viele Fluglotsen bald in den Ruhestand gehen, sieht die DFS sehr gute Aufstiegschancen. Die Ausbildungswege für Fluglotsen, Informatiker und Flugsicherungsingenieure sind über Duale Studiengänge möglich.
Weitere Infos finden Interessierte online unter www.karriere.dfs.de. eli