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Jugendoffizier in Weilheim: „Auf Tiktok ist Putin cooler als Merkel“

Bildung Beim Friedenstag der Realschule Weilheim begeistert Bundeswehrsoldat Adrian Stein Schülerinnen und Schüler mit dem scheinbar trockenen Thema Friedenssicherung: Sein Kniff: Es geht um Handys und Internet. Von Thomas Zapp

Die Ansprache ist zackig und direkt: „Passt auf! Der Frieden ist nicht gegeben, ihr werdet täglich beeinflusst.“ Der das sagt, ist 29 Jahre alt, hat tätowierte Unterarme und beherrscht die Jugendsprache. Einen Oberstleutnant der Bundeswehr haben sich die Schülerinnen und Schüler der Weilheimer Realschule wahrscheinlich anders vorgestellt. Doch Adrian Klein ist einer von bundesweit 90 Jugendoffizieren und gehört zur Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr.

Für Workshops wird er von Schulen in ganz Baden-Württemberg angefragt. Sein Terminkalender ist voll. „Dabei ist das unter Lehrern durchaus umstritten“, sagt der Weilheimer Konrektor André Knaus. Einige Kollegen fürchten eine Werbung für das Militär an ihrer Schule. Doch da gibt es klare Regeln: „Zu keinem Zeitpunkt wird versucht, irgendjemanden zu rekrutieren“, betont Adrian Stein. Es geht um politische Bildung und ein Bewusstsein dafür, wie demokratische Werte angegriffen werden – nicht nur auf Kriegsschausplätzen, sondern am heimischen PC und auf dem Handy.

Unter dem etwas trockenen Titel „Friedenssicherung der Bundeswehr“ geht es in seinem Workshop um Hashtags, Tiktok und Rabbit Holes. Als „Hasenloch“ werden Strategien von Anbietern im Internet bezeichnet, die Nutzer von einem Link zum anderen zu leiten und damit
 

Unser Konzept ist einzigartig und hat nix mit „Join the Army“ zu tun.
Adrian Stein

 

auf der eigenen Plattform zu halten. Was das alles mit Friedensicherung zu tun hat? Folgt man Adrian Stein, finden mit Hashtags, also Schlagwörtern und Videos auf populären Plattformen Tiktok tagtäglich Angriffe auf die Demokratie statt. Mit den Schülern spielt er die Erstellung eines fiktiven Kanals durch, wer sprechen soll, welche Musik läuft, wie die Studiodeko aussehen soll und welche Themen gespielt werden sollen, etwa die Angst vor Migration, die mit Verschwörungstheorien  wie Bevölkerungsaustausch vermischt werden. 

Was der Oberstleutnant immer wieder feststellt bei seinen Workshops: Viele Ereignisse bewerten die Jugendlichen oftmals ganz anders als man es sich als erwachsener Mediennutzer vorstellt. So wird der russische Staatspräsident Wladimir Putin nicht so negativ wahrgenommen wie in der allgemeinen Berichterstattung – dem Angriff auf die Ukraine und den Grausamkeiten des Kriegs zum Trotz. „Putin ist cool“, sagt er provokant und zeigt dazu die ikonische Aufnahme des Präsidenten mit freiem Oberkörper auf einem Pferd. „Das kennt man aus Demokratien nicht, Merkel ist viel schwieriger zu vermarkten, oder könnt Ihr Euch Angela Merkel im Bikini auf einem Pferd vorstellen?“, fragt er die Gruppe. Lachen und Kopfschütteln.

Adrian Stein hat mit seiner Arbeit kurz vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs begonnen und stellt mittlerweile Ermüdungserscheinungen fest. „Die Schüler haben keinen Bock mehr darüber zu reden.“ Auch deshalb sei der russische Präsident nicht nur unter Jugendlichen mit russischen Wurzeln beliebt, tatsächlich beeindrucke er auch verstärkt Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Die politische Dimension trete dabei oft in den Hintergrund, es geht mehr ums Image, gepaart mit einem nicht unterfütterten Antiamerikanismus, der sich aus dem Internet speist. „Auf Social Media kann man Demokratie und Rechtsstaat angreifen“, sagt Adrian Klein. Nicht umsonst beschäftigen Länder wie Russland eigene Abteilungen, um diese Kanäle zu bespielen. 

Adrian Stein zählt sich selbst zu den intensiven Internetnutzern, ist viel auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok unterwegs. So kann er mit Kollegen den Spieß auch umdrehen, etwa Werbung für Bündnisse wie die Nato verbreiten. Das Ziel des Bundeswehrsoldaten und seiner Mitstreiter: Einen Beitrag zu einer wehrhaften Demokratie schaffen, ohne den Boden der demokratischen Werte zu verlassen.

Der stellvertretende Schulleiter ist hochzufrieden mit dem Besuch des Soldaten auf Friedenssicherungsmission: „Die waren die ganze Zeit dabei“, sagt André Knaus. 

 

 

Entstanden auf dem Friedenstag: 
Schülerinnen und Schüler schreiben Friedensmetaphern

Frieden ist wie ein kleines Glasgefäß, das Böse eingeschlossen darin, helfen kann ihm niemand, so hart wie es ist.

Frieden ist wie ein USB-Stick, er kann Informationen über Frieden speichern.

Frieden ist wie ein Kamm, der viele Enden hat, aber bei Frieden führt alles auf ein Ende.

Frieden ist wie eine Person, die einen Hut trägt, die niemand anderem unnötige Kommentare gibt und auch keine bekommt.

Frieden ist wie eine Soundbox, man kann sich aufmerksam machen.

Frieden ist wie ein Magnet, mit dem man schöne Momente anpinnen kann.

Frieden ist wie eine kleine Spiellokomotive mit der ein Kind spielt, dieses Kind wünscht sich in der Zukunft mit einem Zug wegzufahren, um endlich seinen inneren Frieden zu finden.

Frieden ist wie ein Puder, man kann Sachen verbessern aber auch Namen verdecken.

Frieden ist wie ein leuchtendes Buch, es bringt Licht in die Dunkelheit.

Frieden ist wie eine Lochzange, manchmal würde ich gerne Löcher in die Luft machen und mich irgendwo hin teleportieren, wo Ruhe und Frieden herrscht.

Frieden ist wie eine Uhr, Altes geht und Neues kommt an die Stelle des Alten.

Frieden ist wie ein Legobaustein, alles, die ganze Welt besteht daraus. zap