Führerschein
Junge Fahrschüler werden ausgebremst

Zur Bearbeitung von Anträgen fürs begleitete Fahren benötigt die Führerscheinstelle im Esslinger Landratsamt rund drei Monate. Ein Grund ist laut Behörde die Flut von Anträgen. 

Bevor Fahrschüler im Landkreis Esslingen Fahrstunden nehmen können, ist oft Geduld gefragt. Foto: Carsten Riedl

Das begleitete Fahren ab 17 erscheint vielen jungen Leuten attraktiv. Vom Beifahrersitz aus gibt’s – meist von den Eltern – hilfreiche Tipps, bevor es mit 18 alleine auf die Straße geht. Doch im Landkreis Esslingen gerät der Motor ins Stottern. Derzeit ist es hier kaum möglich, das volle Jahr auszuschöpfen. Die Prüfung kann häufig erst einige Zeit nach dem 17. Geburtstag abgelegt werden. Das lässt sich schlicht damit erklären, dass die Führerscheinstelle im Landratsamt nicht mit der Bearbeitung der Anträge hinterherkommt. „Aufgrund vorhandener Rückstände liegt die Bearbeitungszeit aktuell bei drei Monaten“, teilt das Straßenverkehrsamt auf Anfrage mit.

Diesen Sommer mussten Fahrschüler teils sogar noch länger auf „grünes Licht“ warten. In der Regel werden die mehrseitigen Anträge samt Unterlagen wie Nachweisen zu Sehtest und Erster-Hilfe-Ausbildung in den Rathäusern eingereicht. Nach der Bearbeitung im Landratsamt übermittelt der TÜV das Okay an die Fahrschule und den Fahrschüler. Erst dann kann die Theorieprüfung angegangen werden. Die Prüfung wiederum ist in den meisten Fahrschulen Voraussetzung dafür, dass man sich hinters Steuer setzen und mit den Fahrstunden beginnen kann.

Die Anträge werden bei uns so schnell wie möglich bearbeitet. Größere Rückstände gibt es nicht.

Katja Walter-Frasch, Pressesprecherin des Landkreises Reutlingen

Die Krux: Der Antrag für das begleitete Fahren darf erst im Alter von 16-einhalb Jahren gestellt werden. Bleibt also wegen der Verzögerung in der Behörde lediglich ein Vierteljahr, um die Theorieprüfung zu schreiben, sämtliche Fahrstunden zu nehmen und die Fahrprüfung zu machen. Damit das alles innerhalb von drei Monaten klappt, muss ein Rädchen ins andere greifen.

Chaos hinter den Kulissen

Die Fahrlehrerin einer Nürtinger Fahrschule erinnert sich daran, dass vor vier, fünf Jahren das Schreiben vom TÜV spätestens sechs Wochen nach Abgabe des Antrags auf dem Tisch gelegen habe. Manches laufe bei der Führerscheinstelle derzeit nicht rund, moniert sie. „Immer häufiger haben die Prüfer zum Beispiel den Führerschein nicht dabei“, sagt die Fahrlehrerin. Der Büroleiter derselben Fahrschule spricht von „Chaos“. Er habe den Eindruck, bei der Übermittlung zum TÜV gingen Daten verloren.

Die Fahrlehrerin erzählt von einem Fall, bei dem ein Fahrschüler sechs Monate darauf warten musste, bis sein Antrag für das begleitete Fahren bewilligt worden war. In einem anderen Fall habe ein Fahrschüler, der vom Moped aufs Motorrad umsteigen wollte, von Januar bis August nichts gehört. „Das ist besonders ärgerlich, weil wir bei diesen Fahrstunden an die Jahreszeit gebunden sind.“

Das Straßenverkehrsamt räumt ein, dass derlei Extreme „in Einzelfällen“ nicht ausgeschlossen werden können. Gründe seien etwa fehlende oder unvollständige Unterlagen. Dass der Führerschein am Tag der Prüfung nicht ausgehändigt werde, sei indes nur dann der Fall, wenn der Bewerber bei der Antragstellung nicht alle Unterlagen eingereicht oder während des Verfahrens Änderungen vorgenommen habe.

Ein Grund für Verzögerungen seien personelle Wechsel in der Führerscheinstelle. Personalmangel ein anderer: Für die Bearbeitung von Anträgen stünden im Schalterbereich rund zwölf Vollzeitstellen zur Verfügung. Aktuell seien zwei dieser Stellen unbesetzt.

Massenumtausch als Zeitfresser

Eine weitere Ursache für die langen Bearbeitungszeiten sei die Flut von Anträgen. Von Oktober 2025 bis Januar 2026 müssten im Landkreis Esslingen rund 55.000 Führerscheine umgetauscht werden. Betroffen seien alle Führerscheine, die von Anfang 1999 bis Ende 2001 ausgestellt wurden.

Wie sieht es in anderen Landkreisen aus? Wir haben im Landkreis Reutlingen nachgefragt. Er ist gemäß den beiden Beschäftigten der Nürtinger Fahrschule bei Anträgen zum begleiteten Fahren deutlich zügiger unterwegs als der Landkreis Esslingen. „Die Anträge werden bei uns nach Eingang so schnell wie möglich bearbeitet, größere Rückstände gibt es nicht“, bestätigt Pressesprecherin Katja Walter-Frasch auf Anfrage. „Die durchschnittliche Bearbeitungszeit dürfte zwischen vier und acht Wochen liegen.“ Die Zahl der bis Januar umzutauschenden Führerscheine im Kreis Reutlingen beziffert die Sprecherin derweil auf rund 35.000.

Mal kurz um die Ecke gehen, um Dinge rund um den Führerschein zu erledigen, ist für viele Menschen im Landkreis Esslingen seit Anfang des Monats übrigens nicht mehr möglich. Die Außenstellen in Nürtingen, Kirchheim und Filderstadt wurden geschlossen. Stattdessen sitzt die Führerscheinstelle jetzt in Plochingen auf dem Stumpenhof. Die Entscheidung für die Zentralisierung sei wegen der vielen Pflichtumtauschanträge gefallen, erklärt das Straßenverkehrsamt. Es weist darauf hin, dass man ohnehin lediglich noch für die Abholung des Führerscheins persönlich zur Dienststelle müsse.

Ein Termin ist Pflicht

Ein spontanes Vorbeikommen ist nicht mehr möglich. Ein Termin lässt sich auf www.landkreis-esslingen.de/fuehrerschein online vereinbaren. Führerscheine, die dem Pflichtumtausch unterliegen, dürften nach Erhalt eines Schreibens, auf dem der Abholort angegeben ist, indes noch an der entsprechenden Außenstelle abgeholt werden. Das sei jedoch die einzige Ausnahme.

„Nahezu alle Anträge können mittlerweile bequem online gestellt oder auf dem Bürgermeisteramt abgegeben werden“, heißt es aus dem Straßenverkehrsamt. „Wenn man einen Pflichtumtausch online beantragt, kann man das benötigte Foto sogar während des Antrags per Handy oder Webcam selbst aufnehmen.“

Die Kfz-Zulassungsstellen in Esslingen, Filderstadt, Nürtingen und Kirchheim haben im Übrigen nichts mit der Zentralisierung der Führerscheinstelle zu tun. Sie bleiben laut Straßenverkehrsamt bestehen.