Automobilwirtschaft
Källenius: „Der Verbrenner bleibt länger“

Am Donnerstag war Nürtingen Treffpunkt für Autohersteller, Zulieferer und Händler. Diskutiert wurde über die Herausforderungen der Branche. 

Mercedes-Chef Ola Källenius kündigte beim Branchengipfel der Automobilwirtschaft in Nürtingen an, das Portfolio an Verbrennungsmotoren zu erneuern. Diese hätten neben den Elektroautos weiter Bestand.  Foto: Jürgen Holzwarth

Der Branchengipfel des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) an der Nürtinger Hochschule für Wirtschaft und Umwelt feierte in diesem Jahr seine 25. Auflage. 1995 habe man in Geislingen in der Aula am dortigen Hochschulstandort mit rund 80 Teilnehmern angefangen, erinnerte Stefan Reindl, der Direktor des Instituts, in seiner Begrüßung. Zum Vergleich: 545 Leute waren es am Donnerstag in der Nürtinger Stadthalle K3N, plus einige weitere,

Der Wettbewerb ist intensiv. Dem müssen wir uns stellen.

Ola Källenius

 

die die Tagung online am Bildschirm verfolgten. Vom einstigen Ifa-Leiter Willi Diez – der am Donnerstag ebenfalls unter den Gästen weilte – als Tag der Automobilwirtschaft aus der Taufe gehoben, versammelt sich nach anfänglichem Zwei-Jahres-Rhythmus seit 2005 jährlich ein Who-is-who der Branche, um über aktuelle Entwicklungen zu diskutieren. Zum fünften Mal inzwischen unter der Bezeichnung Branchengipfel. Die Veranstaltung genießt bundesweit einen guten Ruf.

Große Herausforderungen

Die Zeichen in der Branche stehen aktuell auf Krise. Hierfür wolle man nach Lösungsansätzen suchen, „nicht nur reden, sondern auch bewegen“, führte Stefan Reindl in den Tag ein: „Während lange Zeit technische Herausforderungen rund um die Elektromobilität und die Digitalisierung den Takt in der Branche bestimmt haben, entscheiden zunehmend wirtschafts- und geopolitische Kursänderungen über die Ausrichtung der Branche.“ Nationale Subventionswettläufe und Protektionismus sowie die Globalisierungsstrategien neuer Wettbewerber stellten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie „schonungslos auf den Prüfstand“, konstatierte er. Parallel dazu sehe sich die Branche im deutschen Heimatmarkt mit dem zweiten Rezessionsjahr in Folge konfrontiert.

Nullemission ist die Zukunft

Mercedes-Chef Ola Källenius als erster Redner des Branchengipfels lobte zunächst das Format: „Hier treffen sich Branchenkenner und Leute mit Leidenschaft fürs Automobil.“ Die Studenten ermunterte er, es mache trotz der herausfordernden Aufgaben „Spaß, in der Automobilindustrie zu arbeiten“. Unter dem Titel seines Vortrags „Das Auto der Zukunft – wo geht die Reise hin?“ skizzierte er, wie diese Zukunft bei Mercedes aussehen könnte. Der totgesagte Verbrenner erlebe eine Renaissance, sagte Källenius. Einst war man bei Daimler noch von einem Aus des Verbrenners bis Ende des Jahrzehnts ausgegangen. Nun werde man sein gesamtes Portfolio an Verbrennungsmotoren „rundum erneuern“, so der Manager. Das Elektroauto sei aber nicht am Ende: „Es wird beides geben. Das Elektroauto bleibt, das ist die wichtige Botschaft. Aber der Verbrenner bleibt länger.“ Er warnte davor, bei der Elektrifizierung abzuwarten: „Das wäre der größte Fehler. Nullemission ist die Zukunft.“

Källenius beschwor die Innovationskraft der deutschen Hersteller. Die heimische Leitindustrie befinde sich nicht im Niedergang. Auch fehle es nicht an Investitionen. So werde Mercedes allein in der Pkw-Sparte in diesem Jahr 14 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung und in seine Fabriken investieren, mit den Schwerpunkten auf Digitalisierung – die neben der Decarbonisierung die größte Herausforderung sei, so Källenius –, auf Elektromobilität und auf High-Tech-Verbrennertechnologie.

Von Stefan Reindl nach seinen Forderungen an die Politik befragt, sagte Källenius, Unternehmen seien zunächst selbst für ihre Produktivität verantwortlich: „Der Wettbewerb ist intensiv, dem müssen wir uns stellen.“ Aufgabe der Politik sei es, die Rahmenbedingungen so einfach wie möglich zu machen. Notwendig sei eine klare Strategie und eine Gemeinschaftsanstrengung: „Wir haben kein Erkenntnisproblem. Wir müssen in die Umsetzungsphase kommen.“

Rahmenbedingungen gefordert

In einer Diskussionsrunde mit der Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, die per Video zugeschaltet war, dem Präsidenten des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, Arne Joswig und André Schmidt, dem Präsidenten des Verbands der Internationalen Kraftfahrzeughersteller, sprach Stefan Reindl anschließend über die Rahmenbedingungen für die deutsche Automobilwirtschaft. Müller sagte, die Diskussion über Verbrenner und Elektromobilität sei „verheerend, wie sie geführt wird“. Elektromobilität sei das „Mittel der Wahl für die Zukunft“, die Politik müsse dies deutlich machen und auch entsprechend „Gas geben“ bei der Infrastruktur wie Ladesäulen und Stromnetze. Joswig bemängelte, die kurzfristige Abschaffung der Umweltprämie sei ein Schlag für die Branche gewesen: „Es kann nicht sein, dass wir zu Herrn Habeck fahren, ein nettes und konstruktives Gespräch führen, und dann knipst er ohne Vorwarnung die Umweltprämie aus.“ Schmidt sagte, für die Kunden gehe es nicht nur um die Anschaffung eines E-Autos. Die Unsicherheit komme wegen der Reichweite, dem Prozess des Bezahlens und der Auflademöglichkeiten: „Diese Unsicherheiten müssen wir branchenübergreifend eliminieren.“

Für Ola Källenius, dessen Auftritt in Nürtingen mit Spannung erwartet worden war, war es der mittlerweile dritte Besuch beim Branchengipfel, zweimal als CEO von Daimler. „Ich hoffe, wir sehen uns in spätestens zwei Jahren wieder“, lud ihn Stefan Reindl schon heute ein. Källenius versprach: „Ich komme wieder.“