Zwischen Neckar und Alb
Kacheln sind wieder aufgetaucht

Geschichte Das Rätsel um den kostbaren Boden der Plochinger Ottilienkapelle ist gelöst. Die Spur führt nach Stuttgart ins Landesmuseum und in das Ludwigsburger Keramikmuseum. Von Claudia Bitzer

Die Ottilienkapelle in Plochingen ist 1328 das erste Mal erwähnt worden. 1466 wurde sie nach Westen erweitert. Beides belegen noch wenige Quadratmeter Bodenkacheln: die alten Fliesen aus der Gründungszeit, von denen immer vier aneinanderlegt einen Kreis mit einem Binnenkreuz bilden, die Mitte der Platten ziert ein vierblättriges Kleeblatt, und die neueren Kacheln aus dem 15. Jahrhundert im hinteren Bereich der Kapelle. Sie zeichnen sich durch ein reliefartig erhobenes aufwendigeres Dekor mit floralen Motiven oder Darstellungen der Tierwelt aus.

Der Fund gleicht einer Sensation

Als die nicht mehr häufig genutzte Kapelle 1877 zur Kleinkinderschule umgebaut wurde, hatte man den Boden aufgeschüttet. Die Überraschung war groß, als man bei der Renovierung 1991/92 auf Reste der mittelalterlichen Fliesen stieß. Doch der Großteil war verschwunden. So kommt es einer kleinen Sensation gleich, dass der Plochinger Pfarrer und Autor von Publikationen zur Geschichte der Juden in Südwestdeutschland, Joachim Hahn, ihn wiederentdeckt hat: im Depot des Württembergischen Landesmuseums und im Ludwigsburger Keramikmuseum.

Im Keramikmuseum im Schloss Ludwigsburg (mittleres Foto) finden sich die gleichen Muster wie in Plochingen. Fotos: Roberto Bulgr
Joachim Hahn zeigt die Reste der Kacheln, die in der Ottilienkapelle noch erhalten und unter Glas gesetzt sind. Foto: Roberto Bulgrin

Mehrere Bücher über Kirchen und Kunst in Plochingen hat Hahn bereits verfasst, teils zusammen mit Dagmar Bluthardt, teils auch im Terzett mit der Plochinger Kulturamtsleiterin Susanne Martin. In ihrem neuesten Werk beschäftigen sich die drei mit der Plochinger Architektur - von den Anfängen bis zur brandneuen Musik-akademie an den Bahngleisen. Im Zuge dieser Recherchen ist Joachim Hahn auf einen Aufsatz aus dem Jahr 1901 gestoßen. Im „Archiv für christliche Kunst - Organ des Rottenburger Diözesan-Vereins für christliche Kunst“, widmet sich der Autor Theodor Osterritter dem Fußbodenschmuck in Plochingens ältestem noch erhaltenen Gebäude. Und dort ist zu lesen, dass der „beinahe ganz erhaltene interessante Fußboden aus Fliesen mit erhabener Ornamentierung“ aus der Ottilienkapelle in das heutige Landesmuseum nach Stuttgart kam. Genauer gesagt: „268 gothische Fliese (zum Theil glasirt)“ hat das Plochinger Schultheißenamt dem damaligen „Museum vaterländischer Alter- thümer“ in Stuttgart geschenkt. So lässt es sich auch im Hauptbuch des Museums von 1877, in dem alle Zugänge der Sammlung verzeichnet sind, nachlesen.

Die Ottilienkapelle in Plochingen. Foto: Roberto Bulgrin
Die Ottilienkapelle in Plochingen. Foto: Roberto Bulgrin

Das hat die Museumskuratorin Ingrid-Sibylle Hoffmann Hahn sehr zügig bescheinigt. Zumal damals auch Inventarnummern genannt wurden. Allerdings erwies sich die konkrete Zuordnung der Fliesen im Depot aufgrund fehlender Objektblätter zunächst als schwierig. Im Laufe der vergangenen Tage kristallisierte sich immer mehr heraus, dass die Plochinger Kacheln mit sehr ähnlichen Exemplaren aus den Klöstern Alpirsbach und Bebenhausen im Stuttgarter Depot aufbewahrt werden. Hahn: „Ein Teil wurde bis 2007 in der Stuttgarter Dauerausstellung gezeigt, wobei die Plochinger Kacheln mit ,Herkunft unbekannt’ gekennzeichnet waren.“ Inzwischen, so hat er herausgefunden, werden diese Platten im Keramikmuseum in Ludwigsburg gezeigt, allerdings mit der Beschriftung „Bodenfliesen aus Kloster Bebenhausen“. Das Landesmuseum hat nach weiteren Recherchen bestätigt, dass „sich die Plochinger Fliesen in Ludwigsburg im Keramikmuseum sowie im Depot befinden“, zitiert Hahn aus einem Schreiben des Museums. In Ludwigsburg zog er selbst den Vergleich zu den Exemplaren in der Kapelle. Für ihn ist nun klar, dass dort nicht Fliesen aus Bebenhausen, sondern aus Plochingen gezeigt werden.“