Zwischen Neckar und Alb
Kaffee ist seine Leidenschaft

Genuss Arthur Goulart Pereira entlockt in seiner Kaffeerösterei „Lovely Lots“ fair gehandelten Kaffeebohnen eine bemerkenswerte Vielfalt an Aromen. Von Gaby Weiß

Der „City Blend“ schmeckt schokoladig und würzig, während der „Luciano“ süß und blumig duftet und der „Emidio“ Nuancen von Zitrusfrüchten, Vanille und Honig aufweist. Der „Kuntu“ aus Peru erinnert an Lebkuchen, und der „Don Martin“ zaubert einen Hauch von Stracciatella, Honig und dunklen Beeren auf die Zunge. All diese Aromen entlockt Arthur Goulart Pereira in seiner Esslinger Kaffeerösterei „Lovely Lots“ Kaffeebohnen aus Südamerika, die er vor Ort direkt bei Bauern und Händlern einkauft.

Vor einem Jahr hat Arthur Pereira mit seinem Unternehmen, das fair gehandelte, saisonal wechselnde Spezialitätenkaffees röstet, den Start-up-Wettbewerb der „City Esslingen“ gewonnen. Seither hat sich viel getan: In der Plochinger Straße hat der 31-Jährige in einer ehemaligen Werkskantine Lager und Produktionsstätte eingerichtet, wo er auch Verkostungen und Workshops anbietet. Er hat einen Online-Shop aufgebaut und ist unermüdlich auf Achse, um für Kaffeekultur zu werben.

Rösten mit Fingerspitzengefühl

Ein Caffè Americano in einem kleinen Bistro am Osloer Bahnhof öffnete Pereira, der aus Brasilien stammt und an der Hochschule Esslingen Internationale Betriebswirtschaft studierte, die Augen: „So einen guten Kaffee hatte ich vorher nie getrunken.“ Er begann, sich mit dem Thema zu beschäftigen, besuchte Schulungen, arbeitete selbst als Barista und entdeckte für sich eine neue Welt: „Ich habe erfahren, dass mein Opa eine Farm hatte, auf der Kaffee angebaut wurde, und dass meine Mutter als Kind für ihre Eltern zu Hause von Hand Kaffee geröstet hat.“ Ein Jahr lang reiste er gemeinsam mit seiner Frau durch Südamerika, arbeitete vor Ort mit, um in den Ursprungsländern möglichst viel über Kaffee zu lernen: Vom Anbau bis hin zur Zubereitung. Er besuchte Kooperativen, Kleinbauern und Kaffeehändler und baute sich ein Netzwerk auf, um anschließend in Esslingen eine Kaffeerösterei zu gründen.

Bewusst hat er sich nicht für eine neue Röstmaschine, sondern für ein altes Modell aus dem Jahr 1964 entschieden: „Es ist nachhaltiger, einer alten Maschine, die gebaut wurde, um für die Ewigkeit zu halten, neues Leben zu schenken.“ Er hat dieses Herzstück seines Betriebs von Grund auf restaurieren lassen und in eine zusätzliche Abluftanlage, eine Steuerung des Luft-Unterdrucks in der Rösttrommel und in die Sicherheit investiert: „Beim Rösten löst sich mit einem Knacken das Silberhäutchen von der Kaffeebohne ab. Diese Häutchen sind leicht entzündlich. Sie werden deshalb aufgefangen, abgekühlt und bei Bedarf mit Wasser besprüht.“

Von einer kleinen Rösterei erwarte sich der Kunde, dass jede Sorte mit Fingerspitzengefühl geröstet werde. „Die großen Röstereien kaufen oft Kaffee sehr günstig ein und überdecken dann die Defekte des billigen Rohkaffees mit starken Röstaromen. 90 bis 95 Prozent des Marktes sind so gemacht. Deswegen kennen wir Kaffee oft nur als bitter“, sagt Pereira, der den Zuhörer mit seinen enthusiastischen Erzählungen über Kaffee in seinen Bann ziehen kann. Er erklärt, dass man in Kaffee aus sorgfältig behandelten Bohnen dieselben Aromen schmecken kann wie in Wein: „Kaffee ist sogar noch komplexer als Wein: Statt 400 weist er über 800 verschiedene Aromen auf.“ Mit seiner Erfahrung will er diese Nuancen bei der Röstung herauskitzeln. Bei jeder Charge tüftelt er etwa eine Woche, wie er im Röstprozess das Beste aus der Bohne, bei der es sich eigentlich um den Samen der Kaffeekirsche handelt, herausholen kann. Oft bietet er von derselben Sorte eine helle, eine mittlere und eine dunkle Röstung an. Was er für die diesjährige Ernte eines Rohkaffees austüftelt, gelte aber für den Ertrag im nächsten Jahr nicht mehr. „Da muss ich jedes Mal wieder neu anfangen und neue Röstkurven anlegen. Aber das macht diesen Job so spannend“, erzählt er.

Nach der Röstung kann er den Kaffee nicht sofort servieren: „Das Kohlendioxid in den Bohnen gast aus. Je feiner der Mahlgrad, desto länger sollte man mit dem Probieren warten. Filterkaffee ist drei bis fünf Tage, Espresso eine bis zwei Wochen nach dem Rösttag am besten.“ Und weil Kaffee etwa drei Monate nach dem Rösten beginnt, seine Aromen zu verlieren, sollte er nicht länger gelagert werden als unbedingt nötig. Sein Wissen vermittelt Arthur Goulart Pereira auch in Schulungen: „Kaffee ist meine Leidenschaft. Ich möchte damit nicht reich werden, sondern eine Win-win-win-Situation erzielen: Dass die Kaffeebauern gut bezahlt werden, dass ich davon leben kann, und dass die Kunden guten Kaffee bekommen.“ Mittlerweile hat Pereira in Karlsruhe ein duales Studium in „Unternehmertum“ aufgenommen, bei dem er am Beispiel seines eigenen Start-ups im laufenden Betrieb professionelle unternehmerische Handlungskompetenz entwickeln lernt.

 

Kaffeespezialitäten aus Esslingen

Testen In einer kleinen Röstmaschine für 500 Gramm Rohkaffee erstellt Arthur Goulart Pereira von jeder Sorte zuerst drei individuelle Röstprofile, kurz, mittel und lang geröstet: „Da schaue ich, was diese Kaffeesorte kann und welche Aromen ich durch das Rösten herausarbeiten kann.“

Rösten Bei jeder Röstung werden drei Parameter notiert: Temperatur, Röstdauer und Luft-Unterdruck in der Trommel. Damit lässt sich ein gelungener Röstvorgang auch wiederholen. Die große Röstmaschine fasst bis zu zwölf Kilo auf einmal. Ein Röstvorgang dauert zwischen acht und 15 Minuten.

Abkühlen Unter Rühren werden die Kaffeebohnen nach dem Röstvorgang anschließend ganz langsam abgekühlt. Der Abkühlprozess dauert im Normalfall ungefähr 20 Minuten. Danach kann der Kaffee dann abgefüllt werden. Die Kaffeetüten verfügen dabei über ein spezielles Aromaventil.

Verkosten Die Kaffeesorten von „Lovely Lots“ gibt es im Café Hygge in Oberesslingen, im Fünfeck am Blarerplatz, im Esslinger Weltladen in der Küferstraße, bei Enkel Schulz am Rossmarkt, im Online-Shop unter www.lovelylots.coffee oder auch direkt in der Kaffeerösterei von Arthur Goulart Pereira. gw