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Kaffeekultur in Kirchheim: Diesen Gründer interessiert die Bohne

Start-Up Mit RöstFlair hat Kai Janecky in einer Kirchheimer Garage eine Kaffeerösterei gegründet. Sein Ziel: Viele Geschmacksnoten aus den Steinfrüchten zu holen und den Bauern faire Preise zu zahlen. Von Thomas Zapp

Die grün gestrichene Holztür in der Fassade des niedrigen Gebäudes in der ruhigen Kirchheimer Nebenstraße lässt auf einen alten Schuppen schließen, der vielleicht einen restaurierten Traktor beherbergt. Doch wer durch die Tür tritt, wird überrascht: Tatsächlich handelt es sich um eine kaum 50 Quadratmeter große Garage, aber jemand mit Leidenschaft für gute Bohnen hat sie umfunktioniert zu einer kleinen Kaffee-Rösterei mit Abzugsrohr, Verkaufsregal und einer Theke mit Sitzhockern. Dieser jemand heißt Kai Janecky und der erklärt seinen Kundinnen und Kunden mit viel Detailkenntnis, was sie bei ihm kaufen können und warum sie dafür etwas mehr als für die Packung Lavazza aus dem Supermarkt zahlen.

Der 31-Jährige Kirchheimer bietet Kaffee mit reichlich „Flair“: seine Kaffeesorten Guatemala Flair, Kolumbien Flair, Brasilien Flair oder schlicht House Flair ergeben im Gaumen ganz unterschiedliche Geschmacksnoten. Das was die meisten kennen, hat er natürlich auch im Angebot: „Die italienische Röstung schmeckt sehr erdig, die fruchtige Säure ist da kaum noch vorhanden“, sagt er. Umso überraschter sind Kunden, wenn sie in der umgebauten Garage bei Kai Janecky Kaffee mit floralen Noten entdecken. Und genau diese interessieren ihn selbst am meisten.

Das Anbaugebiet spielt für die Röstung eine große Rolle. Wird die Frucht hoch angebaut, hat sie wegen des geringeren Sauerstoffgehalts in der Luft eine höhere Dichte. Sie kann stärker und kürzer geröstet werden als tiefer angebaute Bohnen und entwickelt dann eben jene weniger bekannten florale und fruchtige Noten.

Damit das auch „auf Bestellung“ gelingt, hat Kai Janeckys seine bislang größte Investition getätigt, die Aillio Bullet R1 V2, die seinen Haushaltsröster mit 200 Gramm Bohnenkapazität ablöste. Nun schafft er 850 Gramm Bohnen im so genannten Trommelröster, der mit Induktion funktioniert. Wichtig für den Start-Up-Kleinunternehmer: Sie hat auch eine digitale Schnittstelle, dadurch kann er auf seinem Rechner verfolgen, auf welcher Temperaturkurve die Röstung verläuft und wann der „First Crush“ die Bohne aufbricht. Die Dokumentation ist wichtig, um später wieder dieselben Geschmackssorten herstellen zu können. Als Faustregel gilt: Ein langsame dunkle Röstung zwischen 217 bis 223 Grad ergibt wenig Säure, die mittlere Röstung zwischen 208 und 218 Grad und helle Röstung zwischen 199 und 208 Grad haben relativ viel Säure.

Sein Projekt „Röstflair“ hat der 31-Jährige, der beim Land Baden-Württemberg arbeitet, im April gestartet. Der Vorlauf für den ersten selbst gerösteten Kaffee war jedoch deutlich länger: Etwa sechs Jahre ist es her, dass er am Bodensee ein Schlüsselerlebnis hatte. „Das war Kaffee mit einer hellen Röstung, der schmeckte so ganz anders als bitter und schwarz wie der Kaffee bei Oma“, sagt er. Der Gedanke, wie man andere und immer neue Geschmacksnoten aus der Kaffeebohne herausarbeiten kann, beschäftigte ihn sechs Jahre lange lang. Er schulte seine Geschmacksnerven so lange und probierte immer wieder verschiedene Röstungen, bis er so weit war, seinen eigenen Kaffee mit gutem Gewissen auf den Markt zu bringen. 

 

 

Reisen in Anbaugebiete geplant

Sein Traum: In sämtliche seiner Anbaugebiete zu reisen und bei den Händlern vor Ort zu kaufen. Denn neben dem Geschmack liegt ihm ein fairer Preis für die Kaffeebauern im Anbaugebiet am Herzen. „Die erledigen 90 Prozent der Arbeit“, sagt Kai Janecky. Röster wie er holen dann das Aroma aus der Bohne. Nach dem Rösten und Mahlen wird probiert: Dafür lässt der Röster die gemahlenen Bohnen durch die stilechte Siebträgermaschine laufen, eine gebrauchte Cimbali. A propos Verkosten: Dabei soll sich niemand unter Dreck gesetzt fühlen: „Wenn jemand sagt, dass es nicht sein Geschmack ist, bin ich nicht böse“, sagt er lachend. Schließlich sollen die Kunden überzeugt werden, wieder zu kommen.

 

Info Die kleine Fangemeinde von RöstFlair wächst kontinuierlich und trifft sich immer samstags von 10 bis 14 Uhr in der Krebenstraße 27 – hinter der grünen Tür mit den spannenden Kaffee-Aromen in der Luft.